Wenn man heute Radio hört, so scheint es (fast) nur zwei Themen zu geben. Das eine ist die so gern beschworene Causa Grindel. Gemeint ist der nun ehemalige Präsident des Deutschen Fußballbundes Reinhard Grindel.
Grindel wird nun kaum jemand wirklich eine Träne hinterher weinen. Er machte keine gute Figur, vieles gibt es an seiner Amtszeit zu kritisieren. Doch wenn ich nun höre, dass der Grindel ein so großer Lump war und zurücktreten musste, dann bleibt mir das Lachen im Halse stecken. Er, der alles andere als erfolgreiche DFB-Chef, hat doch die ungeheure Summe von 78.000 Euro an Nebeneinnahmen nicht offenbart. Noch schlimmer: Er hat von einem bösen Ukrainer – das ist schon fast so etwas wie ein Russe – eine sündhaft teure Uhr als Geschenk angenommen. Sagenhafte 6.000 Euro soll die wert sein.
Darüber vergießen nun die Kollegen riesige Krokodilstränen. Ja, das ist sicherlich nicht korrekt, aber sicherlich weder ein Grund, auf Grindel einzuprügeln, noch ein Rücktrittsgrund. Man hat nur mal wieder jemand gefunden, auf den man einprügeln kann. Wieso wird dann nicht auch der Rücktritt vom Bayernboss gefordert, wieso regt man sich nicht permanent über die Summen auf, die beispielsweise für sogenannte Sportexperten im Fernsehen gezahlt werden? Weil die nicht zum Abschuss frei gegeben sind? Ist bei denen der wieder einmal auftretende Neidfaktor gerade nicht hoch genug? Mich würde mal interessieren, ob alle Medienmenschen außer dem Finanzamt (so hoffe ich jedenfalls) ihren Lesern, Zuhöreren und Zusehern offenlegen, was sie so alles verdienen, welche Geschenke sie so annehmen.
Wer im Glashaus sitzt, sollte nicht mit Steinen werfen. Oder um es mit der Bibel - Matthaeus 7,3 - zu sagen: Du siehst den Splitter in Deines Bruders Auge und nicht den Balken in Deinem eigenen.
Der zweite Aufreger ist für mich der Umgang mit der Tatsache, dann man sich angesichts der auf einen historischen Tiefststand von 5,56 Millionen gesunkenen Straftaten nicht einfach mal darüber freut. Doch was macht man? Man hebt total darauf ab, dass das Sicherheitsgefühl der Deutschen nicht der wirklichen Gefahr entspricht. Sind es nicht die Medien, die Tag für Tag Horrormeldungen verbreiten, die keine aber wirklich gar keine Gelegenheit auslassen uns über die Schlechtigkeit der Welt zu „informieren“.
Nur mal zwei Zahlen: In ganz Mecklenburg-Vorpommern gab es 2016 – wie es im Polizeijargon heißt – 45 erfasste Straftaten gegen das Leben. Allein in der Vorabendserie Soko Wismar (die Stadt liegt in Mecklenburg-Vorpommern) gibt es Woche für Woche einen Mord. Laut einer Meldung vom Deutschlandradio gibt es allein 2016 bei ARD und ZDF etwa 40 Morde pro Woche. Das sind allein bei den beiden öffentlich-rechtlichen Anstalten 2.080 Morde im Jahr. Laut dem Statistikportal statistika gab es im gleichen Jahr in ganz Deutschland 373 Morde, 2017 waren es 405.
Wer, so frage ich mich, sorgt für die ständig steigende Angst von Menschen in diesem Land? Wer sorgt dafür, dass sich Frauen nicht einmal allein in einen Wald trauen, wo sonst niemand ist? Wer sorgt dafür, dass sich alte Menschen nach Einbruch der Dunkelheit nicht mehr auf die Straße trauen? Das sind nicht die Straftäter, das sind die, die mit der Angst der Menschen nicht nur spielen, die damit Geld verdienen, die so Quote machen wollen. Unsere Ängste werden gezielt geschürt und das auch noch mit unseren Rundfunkgebühren. Warum wird nicht das thematisiert, wieso ist das kein Kommentarthema, kein Thema in den Talkshows?
Ich jedenfalls gehe jetzt völlig angstfrei zum Bäcker.
Ihnen wünsche ich ein genussvolles Frühstück und einen angstfreien Tag.
Foto: Pixabay
Morgengruß von Helmut Harff: Medienschelte
Manchmal verstehe ich die Welt nicht mehr
Veröffentlicht am: 03.04.2019
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