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Ulrich Müther - der Betonpapst

... ein Binzer Baumeister

Seine Bauten heißen „Teepott“, „Seerose“ oder „Ahornblatt“ und haben Architekturge-schichte geschrieben. Der gebürtige Binzer Bauunternehmer Ulrich Müther entwarf zeitlebens mehr als 50 filigrane Schalen-Bauwerke, die ein jeder in der DDR kannte.

Er faltete Beton auf eine vorher nie bekannte Weise, legte ihn wie Samt aus oder hisste ihn wie Segel gegen den Wind. Als Vorbild diente Müther dabei die Natur der Insel Rügen: Als Kind hatte er am Binzer Ostseestrand mit Muscheln gespielt und war fasziniert von ihrer dünnen, gleichzeitig enorm belastbaren Schale. Getrieben von den Visionen seiner Kindheit realisierte er wenige Jahre später seine fantastisch anmutenden Schalentragwerke in Binz, auf der Insel Rügen und der ganzen Welt. Er wurde so zu einem Exponenten der architektonischen Moderne. Das Ostseebad Binz widmet Ende September eine Themenwoche mit speziellen Führungen, Ausstellungen und Aktionen dem Leben und Werk Müthers.

Der Bauingenieur Ulrich Müther

Als 24-Jähriger übernahm der 1934 in Binz geborene Ulrich Müther als gelernter Zimmermann und Absolvent der Ingenieurschule Neustrelitz die elterliche Baufirma. Bereits zu diesem Zeitpunkt interessierte sich Müther für außergewöhnliche Schalenbautheorien ungarischer und rumänischer Mathematiker. Begegnungen mit bekannten Schalenbauern während einer Bauausstellung in Budapest inspirierten und ermutigten ihn zu ersten Versuchen mit Modellbauten aus Segeltuch und zu Gussformen aus Sandhügeln.

Im Jahr 1963 entwarf Ulrich Müther als Diplomarbeit eine gekrümmte Spritzbetonplatte als Terrassenüberdachung für ein Binzer Ferienheim. Zwar hatte Beton zu dieser Zeit als Baustoff der unbegrenzten Möglichkeiten gegolten. Aber noch war niemand in der Lage, die Kraftverläufe solcher Konstruktionen exakt zu berechnen. Müthers Expertenwissen wurde geschätzt, und so erhielt er einen neu eingerichteten Lehrstuhl in Berlin. Vier Monate lang experimentierte er dort mit Modellen, berechnete Kräfteverläufe, bevor erste Bauversuche anstanden.

Sein erstes Meisterstück, eine „fliegende“ Platte, erregte großes Aufsehen, war es doch ein für diese Zeit revolutionäres Bauwerk. Der Staatsrat persönlich orderte kurze Zeit später ein freitragendes Dach für ein Ferienlager auf Rügen. Kurz darauf häuften sich die Aufträge. Müther nutzte sein Können, um immer wieder Maße und Krümmungen seiner Betonschalen zu variieren. Tagsüber leitete er die geerbte Baufirma, allerdings seit der Enteignung als von der Belegschaft gewählter Chef. Nach Feierabend tüftelte er an Konstruktionen mit mehrfach gebogenen Flächenschalen.

Müthers Bauwerke waren für die DDR ein wichtiger Exportartikel. In Jordanien baute er unter anderem eine Moschee, in Kuwait, Tripolis und Helsinki eine Reihe von Zeiss-Planetarien. Auch in Wolfsburg entwarf und baute er von 1981 bis 1983 die Kuppel des dortigen Planetariums, wofür der Autobauer VW im Gegenzug mehrere tausend Autos in die DDR lieferte.

Nach 1990 waren immer mehr der Müther-Bauten mangels Nutzung vom Abriss bedroht und verfielen. Zwar nahm Müther selbst die Sanierung einiger seiner Bauten an der Küste in die Hand. Trotzdem blieben die nach wie vor modern anmutenden Bauwerke nicht überall erhalten. Die von ihm entwickelte Schalenbauweise war materialsparend und zeitaufwendig, was zwar zu den wirtschaftlichen Bedingungen der DDR passte, aber keine Zukunft in der Bundesrepublik versprach.

In den folgenden Jahren zog sich Ulrich Müther aus der aktiven Bauplanung zurück und genoss von nun an den Austausch mit jungen, ambitionierten Studenten. Als „Landbaumeister“, wie sich Müther scherzhaft selbst betitelte, bot er Workshops an, lehrte an Hochschulen und vertrat sein Wissen auf Fachkongressen. Im Jahr 2007 verstarb Ulrich Müther in seinem Heimatort Binz.

Müther-Kunst in Binz

Das Ostseebad Binz war für den Ingenieur Ulrich Müther Inspirationsort und Werkstatt. Hier nahm alles seinen Anfang, hier entstanden die Ideen und erste charakteristische Betonschalen. Bereits 1964, noch mitten im Studium, plante der Bauvirtuose in Binz das Dach für einen Mehrzwecksaal im damaligen „Haus der Stahlwerker“. Das futuristisch aussehende Bauwerk wurde wie so viele seiner Objekte etwas später wieder abgerissen. Heute befindet sich an gleicher Stelle das Hotel Vier Jahreszeiten.

Anders erging es der 1967 errichteten Buswartehalle, die mit einer in der Mitte spitz zulaufenden Überdachung noch heute zu bewundern ist. Dabei hatte diese Konstruktion ursprünglich einen ganz anderen Zweck: Das Tragwerk war als Mess- und Versuchsbau konzipiert und sollte als Versuchsschale für eine Mehrzweckhalle in Rostock genutzt werden.

Ebenso auffällig lugt dieser Tage am südlichen Ende des Binzer Strandes ein stielaugenähnliches Bauwerk aus den Dünen. Bereits seit 1981 zieht diese merkwürdig anmutende Konstruktion neugierige Blicke auf sich. Rundlich, glatt und nach allen vier Seiten große ovale Fenster eingebaut, steht die wie ein UFO wirkende Betonkapsel auf einem schmalen Fuß und setzt einen überraschenden Kontrast zu den vielen modernisierten Bädervillen und restaurierten Logierhäusern. Ulrich Müther hat hier mit einem Rettungsturm in außergewöhnlicher Optik eines seiner kleinsten Bauwerke umgesetzt. Ungewöhnlich lange, bis zum Jahr 2003 erfüllte der Turm seinen eigentlichen Zweck – als Ausguck für Rettungsschwimmer, die von hier aus einen klaren Rundumblick auf das maritime Geschehen hatten. 2006 öffnete der Turm erneut seine Türen, nun allerdings für die Öffentlichkeit: Als Außenstelle des Binzer Standesamtes empfängt er Heiratswillige, die vor romantischer Ostseekulisse in den Hafen der Ehe einlaufen möchten.

Das Erbe eines Bauvisionärs

Ulrich Müther liebte die Ostseeküste und seine Heimat Rügen. Nicht verwunderlich daher, dass eine Vielzahl seiner Schalenkonstruktionen hier verwirklicht wurden. Die touristische Prägung der Region, die mit den Sommerfrischlern die schicke Bäderarchitektur hervorbrachte, bot auch Müther einen idealen Boden, seine Ideen umzusetzen. Gleich bei seinem zweiten Projekt, dem Dach für den Speisesaal eines Kinderferienlagers in Borchtitz, wandte er seinen neu entwickelten Bautyp des Schalendaches an. Diese Speisesaalüberdachung ist heute die älteste noch erhaltene Schalenkonstruktion des bekannten Architekten.

Kurze Zeit später, im Jahr 1966, realisierte Ulrich Müther mit dem Berliner Architekten Ingo Schönrock seine dritte Betonschale, die rund 320 Quadratmeter weit gespannte Überdachung des Restaurants „Inselparadies" in Baabe auf Rügen. Sie war zugleich seine erste in Form einer Pilzschale.

Mit einer Halle für die alljährlich stattfindende Ostseemesse in Rostock wagte Ulrich Müther im gleichen Jahr erstmals einen Bau außerhalb seiner gewohnten Rügener Umgebung. In Zusammenarbeit mit dem Rostocker Architekten Erich Kaufmann konzeptionierte er das riesige Gebäude, für das er reichlich öffentliche Anerkennung erhielt. Dieses Werk stellt einen Meilenstein für sein Schaffen dar, ergab sich doch hieraus mit dem so genannten „Teepott" in Rostock der nächste große Auftrag. Der „Teepott“ direkt an der Warnemünder Strandpromenade machte Ulrich Müther in der ganzen DDR berühmt. Das im Gebäude untergebrachte Restaurant wurde überdacht mit einer Konstruktion aus drei aneinanderstoßenden Betonschalen, die dem attraktiven Hafenstädtchen ein unvergleichliches Aussehen bereiteten. Die Decke des Innenraums wölbt sich hell und weit über einer Fläche von mehr als tausend Quadratmetern.

Mit dem Restaurant „Ostseeperle“ in Glowe auf Rügen, das Ende der 1960er-Jahre errichtet wurde, erhielt die Insel ein weiteres spektakuläres Gebäude. Müther ließ direkt am Strand zum Wasser ein spitz in die Höhe zulaufendes Dach bauen – eine sogenannte angekippte Hyparschale. Die gesamte Front ist verglast und bietet einen freien Blick auf das Meer. Nach 1990 lange Zeit ungenutzt, befindet sich heute in dem außergewöhnlichen Gebäude auf 400 Quadratmetern ein Restaurant.

Mit der Kurmuschel in Sassnitz, der Katholischen Christuskirche in Rostock oder der Stadthalle in Neubrandenburg ließe sich die Reihe repräsentativer Betonschalen-Bauten und Zeugen zeitgenössischer (Urlaubs-)Architektur in Mecklenburg-Vorpommern fortführen. Eines ist allen gemeinsam: Statt klassischer Kantholz- und Bretterkonstruktionen, ragen Müthers futuristische Projekte als mächtige Betontragwerke aus der Vergangenheit in die Gegenwart.

Foto: Helmut Harff

 


Veröffentlicht am: 25.06.2019

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