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FRANÇOIS JACOB – LÁ OÚ PERSONNE NE T’ATTEND

Schauspiel Malerei – die Bildwelten von François Jacob



(Bettina Haiss, 2022) Als ob sie aus einem dunklen Märchenwald auf die von zarten weißen Blüten übersäte Lichtung getreten sind, führen zwei Figuren in hellen Gewändern am Fuße eines Wasserfalls ein tänzerisch synchrones Ritual vor, ein Bein jeweils spielerisch ausgestreckt. Ein erhobener Zauberstab richtet sich auf den Punkt im Gebirge, aus dem sich die Kaskade den Bachlauf abwärts durch das Bild ergießt.

Zwar von menschlicher Gestalt, sind die von einem magisch anmutenden Glimmen umfangenen, in einer romantischen Mitsommernachtsstimmung eingefangenen lichten Wesen von unbestimmter Herkunft. Die Leuchtkraft ihrer fast durchscheinenden Anwesenheit rückt sie in die Nähe von Bewohnern überirdischer Sphären wie Elfen, Feen und Nymphen. François Jacob (1976) nennt die rätselhaften Protagonisten des gleichnamigen Gemäldes „Sourcières“. Die Bezeichnung ist seine Neuschöpfung bestehend aus dem (männlichen) Wünschelrutengänger (frz. „Sourcier“) – der nach geheimen Wasserquellen sucht – und der (weiblichen) Hexe (frz. „Sorcière“). Mit der Hybridisierung der Darstellung setzt Jacob Identitäten und Ordnungen außer Kraft, um stattdessen einen allgegenwärtigen, den Bildgegenstand bestimmenden Zauber der Zweideutigkeit zuzulassen.

Die Gemälde von François Jacob (1976) entstehen aus der Zusammenführung unterschiedlicher motivischer Elemente und Bildausschnitte, die meist aus anonymen Archivbeständen aus dem 19. und 20. Jahrhundert stammen. Um die Vorlagen aus Büchern, Filmen, Theaterszenen, anonymen und eigenen Aufnahmen möglichst unvoreingenommen, mit einem „unschuldigen Zugang“, wie der Künstler sagt, nutzen zu können, scannt Jacob sie ein und löst Teile aus dem ursprünglichen Bild- und Bedeutungszusammenhang heraus. Durch den Entzug der Farbwerte werden die Bildfragmente zusätzlich einer nivellierenden Eintönigkeit von Schwarz-Weiß-Grauwerten unterzogen, der Bezug zur abgebildeten außerbildlichen Wirklichkeit erschwert. Aus dieser heterogenen Sammlung entleerter, neutralisierter Bildeinheiten generiert Jacob sein Motivrepertoire. Die Leinwand dient ihm als Bühne, auf der er sein Bildpersonal mit gesteigerten malerischen Effekten zu surreal anmutenden Tableaus arrangiert um Akte der Repräsentation zu inszenieren.

Oft verschleiern diffus leuchtender Dunst und nebulöse Schwaden das Bildgeschehen, die Akteure selbst tauchen mitunter wie flüchtige Erscheinungen atmosphärischer Phänomene schemenhaft auf. Inmitten sich gigantisch türmender, von rostrot bis flaschengrün schillernder Wolkenberge, die wie schwerer Rauch die Bildfläche anfüllen, befinden sich zwei anmutig ineinander verkeilte Kämpfer in entfernter Himmelshöhe („Duel“). Einzige Standfläche für diesen akrobatischen Balanceakt ohne Bodenhaftung ist eine Art Sprungbrett, dessen Umrisse sich schwach aus den dichten Luftmassen abzeichnen. Wie durch einen Scheinwerfer punktuell angestrahlt, ist das Figurenpaar in gleißende Helligkeit getaucht und in eine seltsam statuarische Haltung gebannt. Es bleibt ungewiss, ob es sich um ein flammendes Naturschauspiel handelt oder ob nicht die pulsierende Malerei mit ihren visuellen Einfällen selbst zur Schau gestellt wird.

Waren frühere Gemälde vorwiegend in verhaltenen Graustufen ausgeführt, deren Dramatik sich aus dem Kontrast zwischen Hell und Dunkel ergab, so bestimmen künstlich aufgeladene, geradezu fantastische Farbräume das jüngste Werk von Jacob. Die Farbe ist für Jacob nicht nur ein Mittel zum Zweck, sondern trägt wesentlich zur Erzählung im Bild bei, sie färbt das Dargestellte geradezu ein, verleiht ihm eine emotionale Qualität: „Ich führe die Farbe wie einen eigenständigen Charakter ein, der wie eine Temperatur das Geschehen bestimmt. Durch Farbe werden Gefühle zum Ausdruck gebracht: der Gegenstand der Darstellung wird immer durch die Farbe emotional erfahrbar.“

Jacob setzt Farbwerte wie Filter ein, die sich als expressive Valeurs, wie Stimmungswerte über die Szenarien legen und ihnen eine subjektive, traumhafte Ausstrahlung verleihen; Protagonisten verschwimmen und verschwinden im vorherrschenden Farbeindruck, wobei mitunter „unnatürliche“ Farben die Darstellung bestimmen, vergleichbar mit einer nachträglich kolorierten, und damit verfälschten, Schwarzweißfotografie.

Jacobs auf kleinen Formaten Portraitierte glühen geradezu in feurig lodernden Rottönen, wirken wie in Kunstlicht getaucht, verwandelt und verfremdet. Sie scheinen in einer entrückten Realität angesiedelt – Rollenspiel oder Introspektion? Auch eine Szene wie „Fabrique“ ist trotz ihres sehr konkreten Titels kaum in einer objektiv fassbaren Wirklichkeit zu verorten. In einem Bildraum, der zwischen Chorgestühl und Werkstatt, Kirchenraum und Produktionshalle changiert, sind die Arbeiter, scherenschnittartig und fahl, gleichsam wie Spielfiguren aufgestellt. Ein Lichtstrahl fällt, wie ein göttliches Symbol, in den Ort, eine künstlich konstruierte Kulisse, in dem die Handelnden wie erstarrte Statisten ohne Handlungsanweisung verharren. Im Schwebezustand ihrer Unbestimmtheit trotzen sie der Verortung in Zeit und Raum.

In Jacobs szenischen Neufigurationen wirft die Farbe ein befremdliches Licht auf das Bildgeschehen. Die Figuren schweben zwischen Fantasie- und Märchenwelten, die Grenzen zwischen Traum und Realität werden durchlässig. Mit der Durchdringung von Wahrnehmungsebenen verschiebt sich das Bewusstsein von Wirklichkeit, wird verunsichert. Jacob möchte diese Spannung zwischen den Zuständen ausloten:
„Manchmal ist es klar, dass es sich nicht um die Realität handelt. Aber es ist nicht klar, um was es sich stattdessen handelt. Diese Ambivalenz und Offenheit möchte ich erhalten.“

Während Jacobs Figuren wie Staffage in der Maskerade der Malerei auf- und hinter atmosphärischen und koloristischen Manifestationen wieder zurücktreten, behaupten sich Licht und Farbe als eigenständige Akteure, um die Leinwand zu beherrschen. Als hoch artifizielle theatralische wie künstlerische Mittel beanspruchen sie einen eigenen Wert, eine eigene Realität auf der Bühne wie im Bild. Vor der in der Zirkusmanege auf dem Elefanten sitzenden, salutierenden Artistin („Salut“) taucht ein flirrender, grünlich leuchtender Schein auf. Handelt es sich bei diesem Phänomen aus Licht und Farbe um ein „inneres“ Bild der Rückenfigur, eine Vision, eine Halluzination? Lässt es sich als Projektion der Psyche begreifen, oder doch als physisches Ereignis? Oder ist es nicht vielmehr eine freie Erfindung der Malerei?

Tatsächlich bekommt nicht so sehr das Kunststück der Protagonistin, sondern vielmehr das Kunstmittel des Lichts, der Farbe, der Zauber der Malerei einen glanzvollen Bühnenauftritt.

Damit ist die Malerei selbst, als Kunstform und vor allem mit der ihr eigenen Künstlichkeit, Gegenstand der selbstreflexiven Betrachtung von Jacob. „Es ist ein Spiel mit den Attributen, der Ausstattung und den Szenarien, die wir entwerfen, um etwas zu veranschaulichen.“ In seinen Bildwelten zeigt der Künstler etwas zum zweiten Mal – und in verwandelter Form. Demnach begreift er sie „als eine Wiederaufführung, die Vorführung des Bildes von etwas statt der Sache selbst.“ Und letztlich sind damit insbesondere die dem Medium inhärenten Mittel gemeint: Die manipulativen Möglichkeiten der Malerei zur Vortäuschung mannigfaltiger Realitäten – die jedoch vordergründig die Realität der Repräsentation sichtbar werden lassen.

Thomas Rehbein Galerie
Aachener Straße 5
D-50674 Köln
Tel.:+49(0)221 3101000
www.rehbein-galerie.de

Bild: François Jacob, APPARITION, 2022, Öl auf Leinwand

 


Veröffentlicht am: 11.09.2022

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