Wer von Nationalstolz in diesem Land redet, landet ganz schnell in der rechten Ecke, zumindest wird eine CSU-Mitgliedschaft oder die in der AfD angenommen. Gut, dass die Fußball-Weltmeisterschaft vor der Tür steht, da darf man wieder schwarz-rot-goldene Fähnchen schwenken, darf sein Auto in die deutschen Nationalfarben hüllen, darf laut äußern, dass man mit der Deutschen Nationalmannschaft mitfiebert.
Und doch, viele Menschen mit deutschem Pass und deutschen Vorfahren haben selbst damit ein ziemlich großes Problem. Da ist es dann chic, auch diese Aufwallung von so etwas wie einem Nationalgefühl als zumindest gestrig, wenn nicht als gefährlich einzustufen. Man fiebert dann lieber mit Italien oder den Niederlanden. Ja, ich weiß, beide Länder hatten sich entschieden, nicht an der Fußball-WM teilzunehmen.
Doch der Ausgangspunkt für meine heutige Einlassung ist eigentlich gar nicht der Fußball. Auslöser ist die Schweiz, genauer gesagt der gestrige Empfang „Bern begrüßt Berlin“ in der Schweizer Botschaft. Die liegt mitten in Berlin, in Sichtweite vom Kanzleramt, Bundestag und vielen Ministerien. Daher kamen auch viele der Besucher. Die sollten den Umgang mit den Fahnen, die über ihren Arbeitsstätten wehen, aber auch den Umgang mit unsere Nationalhymne gewohnt sein.
Die Betonung liegt auf sollten, denn ich hatte genau diesen Eindruck nicht. Nach den Reden von Schweizern und dem Regierenden Bürgermeister von Berlin wurde angekündigt, dass man nun die beiden Nationalhymnen spielen würde. Es wurde plötzlich ziemlich still an dem Tisch, an dem ich saß. Man sah sich etwas unsicher an. Nationalhymnen an so einem schönen Abend voller Sonne und Vorfreude auf die überquellenden Buffets eidgenössischer Spezialitäten? Dann ertönte – wir waren ja Gast in der Schweiz – die deutsche Nationalhymne. Wieder schweigen, wieder Blicke, wieder Unsicherheit. Aufstehen oder nicht, war die Frage. Man stand dann doch auf. Wieder sah ich in die Runde. Würden alle Deutschen mitsingen, wenigstens die Lippen bewegen und so dokumentieren, dass man den Text kennt?
Sie vermuten richtig: Es waren nur sehr wenige, die das taten. Die meisten schwiegen und vielen stand die Peinlichkeit ins Gesicht geschrieben. Ich befürchte, dass sehr viele sich nicht trauten, die eigene Hymne zu singen. Ich glaube, sie konnten nicht mitsingen, weil der Text einfach nicht präsent war. Die Schweizer, deutlich in der Minderheit, waren bei ihrer Hymne lauter, als wir Deutsche. Peinlich, peinlich.
Vielleicht sollten die Unwissenden bei Fußballfans mal in die Lehre gehen, denn die singen gern im Stadion die eigene Hymne und aus voller Kehle mit. Wenn das nur genug tun, klingt das auch einigermaßen gut – zumindest laut.
Bei der besten Frau der Welt an meiner Seite kam dann die Frage auf, ob die Kinder in der Schule überhaupt die Nationalhymne lernen. Ich habe keine Ahnung. Es würde mich aber nicht wirklich wundern, wenn das zumindest nicht überall der Fall wäre. Eigentlich sollte es selbstverständlich sein, seine Nationalhymne zu kennen und auch gern zu singen. Das hat nichts damit zu tun, das man sich über irgendwen erheben will. Die Schweizer haben es ja gestern vorgemacht und wer will denen unterstellen, ihre Nationalhymne mit irgendwelchen Hintergedanken zu singen.
Für alle, die nicht wissen, worüber ich hier schreibe: Hier der Text, den wir als Nationalhymne singen. Das ist die dritte Strophe des Gedichts „Das Lied der Deutschen“, verfasst bereits 1841 von August Heinrich Hoffmann von Fallersleben.
Einigkeit und Recht und Freiheit
für das deutsche Vaterland!
Danach lasst uns alle streben
brüderlich mit Herz und Hand!
Einigkeit und Recht und Freiheit
sind des Glückes Unterpfand:
|: Blüh im Glanze dieses Glückes,
blühe, deutsches Vaterland! :|
Ich wünsche mir einen entkrampften Umgang mit unserer Nationalhymne. Ich wünsche mir, dass wir die auch anlässlich der Übergabe des Fußball-WM-Pokals an die Deutsche Nationalmannschaft singen können.
Ihnen wünsche ich ein genussvolles Frühstück.
Foto: Pixabay
Morgengruß von Helmut Harff: Nationalstolz
… das ist so eine Sache
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