Man stelle sich mal vor, Gunter Gabriel selig hätte nicht gesungen „He Boss, ich brauch mehr Geld“ sondern die Titelzeile hätte eben gelautet „He Boss, ich brauch mehr Wertschätzung“. Die einzigen, die ihn heute noch kennen würden, wären die Mäuse auf seinem Hausboot gewesen.
Und doch, ich höre Tag für Tag von verschiedenen Berufsgruppen, von verschiedenen gesellschaftlichen Gruppen die Forderung nach mehr Wertschätzung. Ich frage mich dann, was all die, die mit solcher Forderung an die Öffentlichkeit gehen, eigentlich wollen. Kann man Wertschätzung einfordern oder muss man sich die verdienen? Kann man einer ganzen Berufsgruppe sozusagen pauschal Wertschätzung entgegen bringen?
Wer fordert eigentlich mehr Wertschätzung ein? Sind das wirklich die Lehrer, die Krankenschwestern, die Pflegekräfte, die Post- und Paketboten, die Polizisten, die Kindergärtnerinnen und Grundschullehrer? Ganz ehrlich, bei mir hat noch nie jemand aus diesen oder anderen Berufsgruppen mehr Wertschätzung gefordert. Vielleicht liegt es daran, dass ich, wann immer ich mit Menschen zu tun habe, freundlich bin, mich bedanke. Für mich ist das selbstverständlich.
Warum sollte ich auch gute Leistungen nicht mit einem Lächeln, mit einem Danke und vielleicht auch mal mit einer kleinen Aufmerksamkeit honorieren? Ich weiß, dass das anderen Menschen viel schwerer fällt als mir und sicherlich den meisten Menschen. Zeige ich eben noch etwas mehr Wertschätzung, indem ich noch netter bin. In den allermeisten Fällen sind dann auch die so wertgeschätzten nett zu mir.
Doch ich werde den Verdacht nicht los, dass das mit der eingeforderten Wertschätzung gar nicht viel zu tun hat. Man will kein Lächeln, kein Danke, keine Aufmerksamkeit mehr – man will mehr Geld und bessere Arbeitsbedingungen. Dass man das will, kann ich verstehen. Ich sehe aber nicht, was das mit der Wertschätzung der Arbeit zu tun hat. Was ändert sich am Job einer Pflegekraft, einer Krankschwester, eines Polizisten, eines Feuerwehrmannes oder welche Berufsgruppen da noch mehr Wertschätzung einfordern, wenn er ab sofort 5 oder 10 Euro die Stunde mehr verdient? Alle verdienen dann mehr. Das ist sicherlich sehr schön, doch bedeutet das wirklich mehr Wertschätzung. Würden wir unsere Politiker höher wertschätzen, wenn die sich ihre Diäten verdoppeln würden? Würden wir einen Fußballer wie Timo Werner weniger wertschätzen, wenn er im Monat nur noch 10.000 Euro verdient, würden die Fans Helene Fischer weniger bejubeln, wenn sie im Jahr nur noch 10 Millionen Euro verdienen würde?
Wertschätzung hat für mich nur dann etwas mit dem Verdienst zu tun, wenn man das mit einem sehr neidischen und damit sehr deutschen Auge betrachtet. Komisch ist nur, dass Maurer, dass Straßenbauer, dass Menschen die in einem Dentallabor, die im Büro arbeiten, nicht auch mehr Wertschätzung einfordern. Reich werden die mit ihren Gehältern schließlich auch nicht.
Und wie ist es mit uns Journalisten? Mit der Wertschätzung soll sich das ja auch in engen Grenzen halten – heißt es. Auch wenn es nicht am Kontostand ablesbar ist, haben mir höchstens Kollegen die Wertschätzung verweigert.
O.k., darüber muss ich jetzt mal beim Frühstück nachdenken.
Ihnen wünsche ich mit aller Wertschätzung ein genussvolles Frühstück.
Foto: Pixabay
Morgengruß von Helmut Harff: He Boss, ich brauch mehr Wertschätzung
... das klingt irgendwie doof
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