Morgengruß von Helmut Harff: Weihnachtsgedanken

Was für ein merkwürdiger Tag

Heute ist also Heiliger Abend, einer der wichtigsten Feiertage der Christenheit. Wenn ich mir so einige Gedanken mache, so ist das ein ziemlich merkwürdiger Tag.

Weihnachten, das ist eigentlich ein Kindergeburtstag. Doch was ist das für ein Kind gewesen, das vor 2018 Jahren in Bethlehem das Licht der Welt erblickte? Es war ein jüdisches, ein uneheliches Kind, von dem seine Mutter nicht einmal wusste, wie sie schwanger wurde. Es wurde irgendwo auf der Straße geboren und seine ersten Nächte verbrachte es in einem Stall, in dem heute vielleicht nicht einmal ein Obdachloser Schutz suchen würde. Mutter und Kind und der Mann der Mutter waren eher Fremde in der Stadt, aus der eigentlich ihre Familie stammte.

Wie überliefert ist, war der Knabe wohl das, was man heute hochbegabt nennen würde. Er hatte merkwürdige Ideen, zog mit 12 Männern und einigen Frauen, darunter einer Hure, durch die Lande und landete irgendwann am Kreuz. So einem Kind huldigen wir heute.

Und dann ist da noch ein alter, weißer Mann – also einer, mit dem zumindest sehr viele Frauen so gar nichts mehr am Hut haben. Der Mann, ein Mann von unbekannter Herkunft, also ein Ausländer, scheint auf sein Outfit nicht viel zu geben, obwohl er es immer tadellos in Ordnung hält. Selbst seine Schuhe sind zumeist geputzt. Ansonsten scheint dieser alte Mann das Leben zu genießen, denn er neigt zum Übergewicht. Es erscheint mir, dass er auch eitel ist, schließlich sind seine Haare und sein auffälliger Bart immer sehr gepflegt.

Der Mann ist auch auf der Höhe der Zeit, schließlich kommt er mit einem Fahrzeug, das die Umwelt in keinster Weise belastet. Erstaunlich ist, dass wir diesen alten, weißen und merkwürdig gekleideten Mann, der immer einen Sack und häufig eine Rute dabei hat, auf unsere Kinder loslassen.

Dem Weihnachtsmann gelingt das. Dem gelingt das, weil er Kinder – die sich eben auch sehr fürchten – und Eltern schlicht besticht. Er gibt ihnen Dinge, die sie sich gewünscht haben oder auch anderes Zeug und darf so die Kinder streicheln, sie auf den Arm nehmen und mit dem Absingen von Liedern quälen.

Man stelle sich vor, da käme ein Schwarzer mit einem Tigerfell um den Körper und er hätte eine Kiepe auf dem Rücken – würden wir den in unsere gute Stube lassen?

Und dann ist da noch ein Aspekt an Weihnachten, der mir – einem alten, weißen Mann – ganz besonders gefällt. Für mich ist der Heilige Abend der Tag des Mannes schlechthin. Wir feiern den Geburtstag eines Sohnes, nicht irgendeines Sohnes, sondern von Gottes Sohn. Sind wir Männer nicht damit irgendwie alle wenigstens ein klein bisschen göttlich?

Weihnachten = Männertag? Ja, klar, wann dürfen wir mit der Säge ins Wohnzimmer, wann dürfen wir hemmungslos basteln, wann dürfen wir vor den Kindern, vor der Schwiegermutter, vor der eigenen Frau Geheimnisse haben? Wann dürfen wir ungestraft zuhause singen? Wann dürfen wir uns in einen roten Mantel hüllen, uns einen Bart ankleben und mit dicken Stiefeln einfach so in die gute Stube und den anwesenden Frauen eins mit der Rute aus Reisig auf den Hintern geben?

Nun wissen Sie, warum ich Weihnachten so liebe. Es ist wirklich der ungewöhnlichste, der eigenwilligste und der schönste Tag des Jahres – sicherlich nicht nur für alte weiße Männer.

So schnell noch einen Frühstückskaffee und dann geht es daran, den Baum aufzustelle und zu schmücken.

Ihnen wünsche eine gesegete Weihnacht. Der Tag soll so verlaufen, wie Sie ihn sich vorgestellt haben. Genießen Sie den Heiligen Abend.

Foto: Pixabay

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