Morgengruß von Helmut Harff: Sich was gönnen

... warum nicht


Es stimmt, längst nicht alle sind in diesem Land auf Rosen gebettet. Folgt man den politischen und medialen Diskussionen, so muss man fast zwangsläufig zu der Erkenntnis kommen, dass die meisten Deutschen zumindest kurz davor stehen unter der Brücke zu schlafen, nur fürchterliche Lebensmittel zu essen, schon an einem Schnupfen zu sterben oder – wenn sie das alles überlebt haben – bis ins hohe Alter zu schuften, um nicht auch noch nackt rumlaufen zu müssen.

Doch stimmt das Bild? Nein, es stimmt nicht! Den allermeisten Deutschen geht es gut, vielen geht es sogar ziemlich gut und es gibt immer noch eine dicke Schicht, denen man unterstellen kann, dass es ihnen zumindest materiell sehr gut geht. Schließlich gehört nicht nur das Land, schließlich gehören wir Deutschen im Schnitt auch zu den Wohlhabendsten auf diesem Globus.

Und doch, meckern über die Verhältnisse ist fast ein Volkssport. Zu dem gehört auch, Geld anzusammeln. Obwohl es so gut wie keine Zinsen gibt, die auch nur die Preissteigerungen durch die Inflation ausgleichen, wird noch immer gespart, was der Euro her gibt. Ganz ehrlich, das verstehe ich nicht. Klar braucht man einen Notgroschen. Der fällt je nach eigenen Bedürfnissen mal größer mal kleiner aus. Doch sehr viele in diesem Land haben ein deutlich größeres Guthaben auf der Bank oder unter der Matratze.

Das müsste ja eigentlich beruhigen, zumindest befriedigen, wenn nicht gar glücklich machen. Doch tut es das? Das möchte ich bezweifel. Wieso sind ansonsten so viele Deutsche nicht zufrieden? Weil Sparen nicht glücklich macht. Doch warum tun wir das. Haben wir vergessen, dass das letzte Hemd keine Taschen hat? Haben wir Angst davor, dass wir im Pflegeheim schlechter behandelt werden, wenn nicht wir für uns sorgen können, sondern der Staat unseren letzten Lebensabschnitt mit finanzieren muss? Sind wir dazu da, möglichst viel vererben zu können?

Nein, wir sind viel glücklicher, wenn wir uns etwas gönnen. Wenn wir reisen, wenn wir uns ein schönes Heim schaffen, wenn wir uns schön anziehen, wenn wir gut essen, wenn wir unsere Hobbys ausleben, ja, auch wenn wir andere beschenken. Jeder hat bestimmt andere Dinge, die er sich eigentlich gönnen möchte, es aber nicht tut – und das, obwohl er das kann.

Wie ich nun wieder darauf komme? Egal wo hin ich komme, höre ich immer wieder einen Satz: „Das ist aber ziemlich (oder sehr) teuer“. Mal ist das ein Mantel für 500 Euro, mal ein Paar Schuhe für 250 Euro, mal ein E-Bilke für 3.000 Euro, mal ein Kilo Rindfleisch für 30 Euro. Überall wird einem das mit dem Zusatz, dass das aber teuer sei angeboten. Mal ehrlich, glauben die Verkäuferinnen und Verkäufer, das ist ein Verkaufsargument? Meinen die, diesen Zusatz machen zu müssen, weil ich mir das ohnehin nicht leisten kann? Wenn mir jemand sagt, dass das, was ich haben will, aber teuer ist, so hat der schon verloren. Ich würde viel lieber hören, dass ich mir da aber etwas schönes, etwas interessantes, etwas schmackhaftes ausgesucht habe. Ich will hören, dass ich mir mit dem Kauf etwas schönes, etwas besonderes gönne, an dem ich meine Freude haben werde.

Das will ich sogar hören, wenn ich in einem Geschäft einkaufe, dass eigentlich als eher Billiganbieter gilt. Schließlich kann sich der eine „nur“ das, der andere etwas anderes gönnen. Doch wir sollten uns eben immer wieder daran erinnern, dass das letzte Hemd keine Taschen hat, dass Sparen nicht erste Bürgerpflicht ist. Ich finde ein Volk von zufriedenen Menschen, ein Volk von Menschen, die sich gern was gönnen, das beste Volk der Welt ist. So ein Volk ist friedlich, weniger neidisch. So ein Volk ist auch offen für Neues, teilt lieber.

Ich will auf keinem Fall dem Kaufrausch oder sinnlosem Shoppen das Wort reden. Für mich ist genau das das Gegenteil davon, sich etwas zu gönnen. Das macht man eher bewusst. Wer sich etwas gönnt, kauft nicht wahllos, er wählt aus, er will sich ja nicht über seinen Kauf ärgern, er will sich an dem, was er sich gönnt, erfreuen.

Ich erfreue mich jetzt an meinem Frühstück. Das gönnen sich die beste Frau der Welt und ich uns jeden Morgen.

Ihnen wünsche ich ein genussvolles Frühstück. Gönnen Sie sich hin und wieder was!

Foto: Pixabay

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