Morgengruß von Helmut Harff: Ab ins Theater

... lautet das Motto


Rund 20,4 Millionen Besucher schauten sich in der Spielzeit 2016/2017 eine der insgesamt rund 65.800 Veranstaltungen in den 838 Spielstätten der öffentlichen Theater an, erfährt man bei Statistika. Auf den ersten Blick eine tolle Zahl.

Doch sieht man mal genauer hin, so wurde jede Aufführung lediglich von 310 Menschen besucht. Viel besser wird das Ganze auch nicht, wenn man feststellen muss, dass es pro Spielstätte knapp 80 Aufführungen in einem Jahr gab. Das sind dann nicht mal 7 Vorstellungen pro Monat. Nimmt man sich mal die irre klingende Zahl der Besucher vor, so relativiert sich auch diese schnell. Leider ist es eben nicht so, dass jeder vierte Deutsche einmal im Jahr ins Theater geht, denn das ist „nur“ die Besucherzahl – und die ist sogar rückläufig. Sie sagt aber überhaupt nichts darüber aus, wie viele verschiedene Menschen eine Theateraufführung besuchten. Ich beispielsweise tauche darin garantiert mehrfach auf. Dazu kommen noch ausländische Touristen.

Vor diesem Hintergrund ist es mehr als verständlich, dass sich viele Leute darüber Gedanken machen, wie man mehr Leute dazu animieren kann, ins Theater zu gehen. Wer diese Frage stellt, erhält zumeist die Antwort, dass das eine gute Frage sein. Das deutet dann immer darauf hin, dass man keine oder keine zufriedenstellende Antwort parat hat. Und, es ist in der Tat schwer, darauf eine Antwort zu finden, denn die eine Antwort gibt es kaum.

Da ist die Erreichbarkeit der Spielstätten. In Ballungszentren mit einem gut ausgebautem ÖPNV mag das noch ganz gut funktionieren – auch mit der Heimfahrt nach dem Theaterbesuch. Aber schon wer etwas außerhalb oder gar in kleinen Städten oder auf dem Land wohnt, steht da vor einem nur mit dem Auto lösbaren Problem. Doch auch wer das Auto benutzt hat ein Problem: wo parken.

Das zweite Problem ist zumindest für nicht wenige Menschen der Preis für einen Theaterbesuch. So ein Abend zu zweit oder in Familie kann schon schnell mal die 100- oder 200-Eurogrenze überschreiten. Schließlich will man ja noch ein Programmheft und in der Pause ein Getränk kaufen.

Ich will hier mal nicht auf die Spielplangestaltung und die Form der Inszenierungen eingehen, sondern nur mal einen Vorschlag machen, der weder neu, noch auf meinem Mist gewachsen ist.

Dazu muss ich 30 oder mehr Jahre zurück blicken – auf die Zeit, an der ich selber in Berlin an der Komischen Oper tätig war. Wir waren nahezu jeden Abend ausverkauft. Nun könnte man ja denken, dass in einer Diktatur die Menschen gezwungen wurden, ins Theater zu gehen, dass die Stasi Buch darüber führte, wer sich nicht kulturell betätigte. Das ist selbstverständlich totaler Blödsinn. Man bediente sich einem ganz anderen Mittel. Man bediente sich dem kapitalistischen Mittel schlechthin – man bediente sich dem Geld.

Theaterkarten waren erschwinglich und wurden auch noch in vielen Fällen von den Betrieben für ihre Mitarbeiter subventioniert. Dazu kam, dass Prämien durchaus davon abhingen, dass man im Rahmen des sozialistischen Wettbewerbs eben auch ins Theater ging. In Berlin, aber auch in anderen Städten und auf dem Land fuhren sogenannte Theaterbusse. Auf den Dörfern organisierte man ebenfalls Busse, mit denen die Leute ins Theater und von dort wieder nach Hause fuhren.

Nun gibt es längst keinen sozialistischen Wettbewerb mehr. Doch warum sollen heute Unternehmen nicht die Belegschaft mit Theaterkarten beglücken? Geht steuerlich nicht? Stimmt, doch das kann man mit einem Federstrich ändern. Wenn man will, kann man verordnen, dass durch das Unternehmen bezahlte Besuche von Theatern, aber auch von Museen und ähnlichen Einrichtungen voll von der Steuer absetzbar sind und auch für die Mitarbeiter keinen geldwerten Vorteil bedeuten. Das würde niemanden weh tun, aber den Theatern vollere Sitzreihen bescheren. Die Steuerausfälle können sogar damit ausgeglichen werden, dass ausverkaufte Theater weniger Subventionen benötigen. Wenn man dann auch noch die Idee der Theaterbusse aufgreift und mit dem Kauf der Theaterkarten auch gleich noch die Parkgebühr bezahlt, hat man etwas aus dem Osten gelernt.

Ich liebe das Theater, nur während des Frühstücks kann ich darauf verzichten. Deshalb genieße ich mein Frühstücksei am liebsten mit der Besten Frau der Welt.

Ihnen wünsche ich ein genussvolles Frühstück und demnächst einen tollen Theaterabend.

Foto: Pixabay

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