Morgengruß von Helmut Harff: Kennst Du einen Juden?

Eine merkwürdige Frage …

In letzter Zeit hörte ich im Radio immer mal davon, dass jemand gefragt wurde, ob er einen Juden kennt. Nun wurde ich in einer Diskussion genau das Gleiche gefragt. Ich war irritiert, zumal die Frage mit einem merkwürdigen Unterton gefragt wurde, so dass bei mir ankam „Du kennst doch die Juden“.

Eines ist schon mal klar, die Juden kenne ich nicht. Warum sollte ich auch Millionen Menschen kennen. Da gibt es sicherlich ganz tolle Menschen, aber ganz sicher auch die größten Idioten. Es sind halt Menschen. Ehrlich, ich wusste nicht einmal genau, wen man eigentlich als Juden bezeichnet. Wikipedia beginnt seine Erklärung mit diesem Satz: „Als Juden (hebräisch יְהוּדִים jehudim; weiblich: Jüdinnen) bezeichnet man eine ethnisch-religiöse Gruppe oder Einzelpersonen, die sowohl Teil des jüdischen Volkes als auch Angehörige der jüdischen Religion sein können“.

So weit, so gut? Doch kenne ich Juden? Ich glaube nicht, weiß es aber eigentlich nicht. Ja, ich hatte schon zu DDR-Zeiten mit Menschen jüdischen Glaubens zu tun. Das waren durchweg interessante Frauen und Männer, mit denen ich mich gern unterhielt.

Aber aktuell? Woher soll ich wissen, ob jemand Jude ist? Soll ich ihn wi auf unseligen „Stürmer“-Karikaturen an seiner Hakennase erkennen oder daran, dass er einen Davidstern als Schmuck um den Hals oder einen Chanukka-Leuchter hat? In meiner Fast-Hippiezeit, hatte ich auch einen Davidstern um den Hals. Das war damals in. Ich habe auch einen siebenarmigen Leuchter und sogar Bücher über den jüdischen Glauben zuhhause. Doch bin ich deshalb ein Jude? Ich kenne auch keinen Mann, der Mit einer Kippa auf dem Kopf rumläuft. Also kenne ich keinen Juden?

Ich weiß nicht, ob ich einen Juden kenne und es ist mir auch egal, welchen Glauben jemand hat, welchem Volk er sich zugehörig fühlt. Das trifft aber nicht nur auf Juden zu. Wenn ich Menschen kennenlerne, interessiert mich in den meisten Fällen seine religiöse Zugehörigkeit nicht. Sie ist mir nicht wichtig. Sollte das mal anders sein, so kann ich ja fragen.

Mal ehrlich, warum soll mich interessieren, ob jemand Jude, Mormone, orthodoxer Christ ist, ob er sonst einer Religionsgemeinschaft  angehört oder ob er Atheist ist. Mir ist wichtig, ob mir ein Mensch sympathisch ist, ob ich Lust habe, mit ihm zusammen zu sein, ob man mit ihm – wie man so schön sagt – ein Bier trinken möchte oder ob er jemand ist, mit dem man die sprichwörtlichen Pferde stehlen kann. Das kann ein Sikh, ein Buddhist oder eben auch ein Jude sein.

Ich wundere mich auch, dass mich eben nie jemand mit der gleichen Intention, wie ich nach Juden gefragt werde, fragt, ob ich eben einen Buddhisten kenne. Auch hier könnte ich nur antworten: Nein, aber woran soll ich nun den erkennen?

Ich wünsche Ihnen ein ארוחת בוקר טעימה - ein genussvolles Frühstück.

Foto: Pixabay

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