Morgengruß von Helmut Harff: Ein kluger Satz

… der nachdenklich macht

Zu Weihnachten habe ich viele Grüße bekommen. Dafür möchte ich mich an dieser Stelle nochmals ganz herzlich bedanken. Ich freue mich darauf, gemeinsam mit Ihnen durch das neue Jahr zu gehen und darauf, wieder so toll zusammen zu arbeiten.

Einem der Weihnachtsgrüße war dieses Zitat von Antoine de Saint-Exupéry, dem Autor des Kleinen Prinzen voran gestellt:
Vollkommenheit entsteht nicht dann,
wenn man nichts mehr hinzufügen kann,
sondern, wenn man nichts mehr wegnehmen kann.


Das ist ein Satz, den man vielleicht auf den ersten Blick eher überliest, dann aber wieder zu ihm zurück kehrt. Zumindest ist es mir so gegangen. Und er erinnerte mich – woran wohl der Autor schuld ist – eben an den Kleinen Prinzen. Wenn ich mich richtig erinnere, hatte er nur einen sehr kleinen Planeten und nur eine Rose. Lebte er in Vollkommenheit? Wegnehmen konnte man ihm eigentlich nichts, wenn man seine Existenz nicht gefährden wollte.

Der Satz erinnerte mich auch an viele heilige Männer und Frauen, die alle weltlichen Güter weggaben mit dem Ziel, die Vollkommenheit zu erreichen. Das waren längst nicht nur solche, die im Christentum als Heilige, als Ordensstifter verehrt, angebetet werden. Komisch nur, dass ich so etwas vom reich beschenkten Jesus nie gehört habe.

Und ich selber? Strebe ich Vollkommenheit an? Wenn ich de Saint-Exupéry folge, muss ich klar und deutlich sagen: nein. Ich kenne vieles, was man bei mir hinzufügen kann. Und das meine ich rein materiell. Mindestens genau so viel gibt es, was man bei mir noch wegnehmen kann. So gesehen arbeitet gerade mein Finanzamt an meiner Vollkommenheit. Ob das wirklich deren Ziel ist?

Doch Ernst beiseite, wenn ich feststellen muss, dass bei mir in etwa gleichviel hinzuzufügen wie wegzunehmen ist, so neigt sich die Waage wenigstens nicht zu einer Seite. Damit befinde ich mich dort, wo sich die meisten und nicht nur die Politiker befinden wollen – in der Mitte, gern auch in der Mitte der Gesellschaft genannt.

Ich könnte nun auch sagen, ich wäre Mittelmaß. Das nun wieder schmeckt mir gar nicht. Mittelmaß, das klingt nicht nur mittelmäßig. Nimmt man noch mal die Politik, so ist mittelmäßig schon so was wie die kleine Schwester von erbärmlich. Und das möchte ich nun keineswegs sein. Doch was bleibt zu tun? Zur Tagesordnung übergehen und sehen, dass man im Strom mit schwimmt? Nein, das wäre kein guter Vorsatz für die statistisch noch verbleibenden 14 Lebensjahre. Doch hier und da einen Schritt zur Vervollkommnung tun und abgeben, was man eigentlich nicht braucht? Passiert das nicht mit zunehmendem Alter ohnehin? Hieße das aber wieder nicht, dass man mit zunehmendem Alter immer vollkommener wird, weil man dann einem immer weniger wegnehmen kann?

Es ist schon erstaunlich, zu welchen Gedanken ein klug gewählter Spruch in einem Weihnachtsgruß führt. Ob mich das vollkommener macht? Das glaube ich nicht. Irgendwie hoffe ich, dass ich mit zunehmendem Alter nicht vollkommener werde.

Nun freue ich erst einmal auf ein Frühstück mit der Besten Frau der Welt. In der Lebkuchen- und Stollenzeit kann man wenigstens da nichts mehr wegnehmen. Es gibt ja nicht mehr als einen Joghurt und einen Kaffee.

Ich wünsche Ihnen ein genussvolles Frühstück.

Foto: Pixabay

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