Buch der Woche "Straßenkampf"

Warum wir eine neue Fahrradpolitik brauchen

»Fahrrad für alle, die in der Lage sind!« fordert der frühere Chef des Deutschen Cochrane-Zentrums in Freiburg, Gerd Antes. Ihm sei »völlig unverständlich, warum das nicht pausenlos in die Köpfe getrieben« werde.

Denn Radfahren ist nicht nur platzsparend, leise, umweltfreundlich und preiswert. Es ist gesund – und das derzeit mehrfach: Das eigene Immunsystem wird gestärkt, Kontakt mit Corona-Infizierten in öffentlichen Verkehrsmitteln vermieden, gleichzeitig steckt man dort auch nicht unabsichtlich selbst jemanden an und zu guter Letzt werden Busse und Bahnen auf diese Weise leerer, so dass die Fahrgäste den empfohlenen Mindestabstand zum Nachbarn einhalten können.

Aber nicht nur Epidemiologen und Mediziner setzen aufs Rad. Auch die Politik bestätigt: Radfahren ist »systemrelevant«, weshalb es von keinem der derzeit geltenden Verbote betroffen ist. Auch Radwerkstätten sind bundesweit weiter geöffnet. Das Rad steht somit für alles zur Verfügung: ob für den Einkauf, den Weg zum Arzt oder zur Arbeit, oder um durch Sport einen freien Kopf zu bekommen.

Hoffentlich verliert das Rad sein Alleinstellungsmerkmal bald – und öffentliche Verkehrsmittel werden wieder eine praktische, ungefährliche und soziale Variante, um Alltagswege zu beschreiten. Der Blick auf ein anderes Verkehrsmittel könnte und darf sich jedoch dauerhaft verändern: Deutschland gilt bislang als Autoland, das es sich nach Meinung vieler Politiker nicht leisten könne, dem Kfz-Verkehr mit ein bisschen weniger geöffneten Armen und Geldbeuteln zu begegnen. Schließlich hingen ja so viele Arbeitsplätze am Auto, dass wer ein Tempolimit auf Autobahnen oder eine durchgängige Parkraumbewirtschaftung fordere, praktisch offenen Auges unser gesamtes Wirtschaftssystem ruiniere.

Konnte man vor der Corona-Krise nur vermuten, dass eine Umstellung deutscher Automobilbauer auf die Herstellung anderer Produkte, wie etwa E-Busse, schlicht verschlafen wurde und durchaus bei entsprechendem Willen und geistiger Beweglichkeit realisierbar gewesen wäre, so zeigt sich jetzt, dass noch ganz andere Schritte möglich sind. Der chinesische Elektroauto-Riese BYD etwa brauchte nur zwei Wochen, um die weltgrößte Fabrik für Atemschutzmasken aus dem Boden zu stampfen. Das Unternehmen produziert derzeit fünf Millionen Masken täglich, Tendenz stark steigend. In den USA arbeiten General Motors und Ford gerade daran, ihre Produktion umzustellen: Statt Autos sollen dort Beatmungsgeräte vom Band laufen. Und auch VW hat angekündigt, mit 3D-Druckern Medizintechnikteile zu fertigen. »Medizinisches Equipment ist neu für uns. Aber sobald wir die Anforderungen kennen und entsprechende Blaupausen erhalten, können wir starten«, hieß es aus Wolfsburg.

Was uns die Krise zeigt, ist somit, dass Autos Maschinen sind – und dass wer Autos bauen kann, auch andere Maschinen bauen kann, wenn es die Situation erfordert. Wie wäre es also, in Zukunft Automobilkonzerne nicht mehr aus Angst vor Arbeitsplatzverlusten bedingungslos zu unterstützten (selbst wenn sie, wie etwa beim Dieselskandal, gegen geltendes Recht verstoßen), sondern verkehrspolitische Weichen neu zu stellen?

Solange gilt: Während des Radfahrens selbst besteht ein extrem niedriges Risiko der Infektion am Coronavirus – man ist schlicht zu schnell, um Aerosole einzuatmen. Und kann, anders als im Auto, bequem 1,5 Meter Abstand zum Nebenmann halten.

Straßenkampf
Autorin: Kerstin E. Finkelstein
Verlag: Ch.Links  
Preis: 15,00 Euro
ISBN: 978-3-96289-081-0

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