In der Krise bringt auch der Auto-Onlinehandel kein Heil

... ermittelt das Gebrauchtwagenportal „carsale24“

Das Gebrauchtwagenportal „carsale24“ sieht sich bereits als Gewinner der Corona-Krise. „Wir haben während des Lockdowns der letzten Wochen einen starken Zulauf von Verkäufern verspürt.

Seit Ende der Beschränkungen steigt auch die Händlernachfrage wieder“, freut sich Geschäftsführer Lars Häger, ohne konkrete Zahlen zu nennen. Analysten sind trotzdem skeptisch, ob der Auto-Onlinehandel durch Corona den viel beschworenen Boom erfährt.

Laut einer aktuellen Studie von „xpxd consulting“, einer Tochter des Kfz-Datenspezialisten DAT, werden die Menschen angesichts der Corona-Pandemie vorsichtiger in ihrem Kaufverhalten. Auf größere Investitionen werde verzichtet, der Autokauf verschoben. Auch Firmen agierten bei der Fahrzeuganschaffung vorsichtiger. All das beflügelt den Auto-Onlinehandel nicht.

Aus Langeweile im Netz unterwegs

„Wir sind weit davon entfernt, dass die Online-Verkäufe von Neu- und Gebrauchtwagen wegen der Pandemie durch die Decke schießen“, stellt Berater Dr. Jörg von Steinaecker fest, der das Kfz-Gewerbe seit vielen Jahren bei der Digitalisierung des Geschäfts begleitet. Die Behauptung, die Branche hätte den Shutdown mit e-Shops viel besser überstanden, sei „Quatsch“. Zurzeit seien die Verbraucher doch auch deshalb so viel im Netz unterwegs, weil sie wegen der Corona-Einschränkungen Langeweile haben.

Auch Detlef Staubesand macht die Erfahrung, dass der kontaktlose Online-Handel die Verluste des stationären Geschäfts nicht annähernd kompensiert. „Wir leiden ähnlich wie der traditionelle Handel“, sagt Staubesand, der mit seinem Gebrauchtwagenportal „CarsAgentur24“ seit 2006 auf dem Markt präsent ist. Damit zählt das vergleichsweise kleine Unternehmen zu den beständigen Anbietern im Onlinehandel.

Händler als wichtigste Kundengruppe

Die Giganten „mobile.de“ und „AutoScout24“ berichten ebenfalls über einen mehr oder weniger starken Einbruch der Nachfrage vor allem im März. „Wir profitieren keineswegs von der Krise des Handels“, stellt AutoScout24-Sprecherin Anne-Kathrin Fries klar. „Die Händler sind unsere wichtigste Kundengruppe, und wir sind daran interessiert, dass der Handel weiter floriert.“ Deshalb haben sowohl AutoScout24 als auch mobile.de ihre Vertriebspartner „in dieser schwierigen Zeit“ mit finanziellen Hilfspaketen unterstützt und verstärkt bei der Digitalisierung des Geschäfts beraten. Trotz der Corona-Turbulenzen blickt mobile.de-Geschäftsführer Malte Krüger zuversichtlich nach vorn. Für den Handel sei es in der aktuellen Situation essenziell, mit dem eigenen Fahrzeuginventar für sehr viele Kunden auffindbar zu sein. Da führe an online-Marktplätzen für Neu- und Gebrauchtfahrzeuge kein Weg vorbei.

Nach den Worten von Malte Krüger „verkaufen unsere Händler rund 50 Prozent aller Fahrzeuge über mobile.de.“ Auf seinem Portal sind zurzeit über 1,7 Millionen Autos inseriert. Jeden Monat besuchen rund 16 Millionen Nutzer die Plattform. Bei AutoScout24 sind es mehr als zehn Millionen. Eine interne mobile.de-Studie zeigt, dass die Mehrheit der Interessenten ihren Fahrzeugkauf trotz der Corona-Auswirkungen nicht verschieben wollen. 80 Prozent der Befragten beabsichtigten sogar, bis Ende Juli ein neues Auto zu kaufen. AutoScout24 zufolge bleibt bei 69 Prozent der Nutzer mit bestehender Kaufabsicht das geplante Budget unbeeinflusst von der Krise. „Inzwischen wird die Nachfrage schon allein aufgrund der Rabatte, die die Händler geben, angekurbelt“, stellt Anne-Kathrin Fries fest. Xpxd consulting schätzt die Perspektiven kritischer ein.

Das süße Gift

Göthling & Kaufmann Automobile in Hofheim hatte sich bereits zur Jahrtausendwende auf das „süße Gift“ der Gebrauchtwagenplattformen eingelassen. Mit Erfolg. Inzwischen generiert der VW-Marken-Händler gut 70 Prozent seiner Anfragen über diesen Kanal. Bei den Neuwagen kommen 30 bis 40 Prozent der Leads über entsprechende Portale. „Wahrscheinlich, weil wir dort erst seit wenigen Jahren präsent sind und unser Bestand bei Gebrauchtwagen viel höher ist als bei Neufahrzeugen“, vermutet Günter Rigl, Verkaufsleiter Gebrauchtwagen. Im März und April verzeichnete Göthling & Kaufmann einen Rückgang des Online-Traffics von bis zu 30 Prozent.

Bei aller online-Affinität glaubt Rigl gerade im Neuwagengeschäft an die Zukunft des stationären Handels. „Neuwagenkunden wollen ihr Traumauto sehen, fühlen und Probe fahren“, sagt er und verweist darauf, dass der online-Riese Amazon gerade stationäre Shops eröffnet. „Das machen die doch nicht von ungefähr.“

Nichts geht ohne Probefahrt

Apropos Probefahren: 57 Prozent können sich zwar vorstellen, ein Auto online zu kaufen - jedoch nur nach vorheriger Probefahrt. Das ist das Ergebnis einer Umfrage, die das Marktforschungsunternehmen Puls im Auftrag des Branchenmagazins „kfz-betrieb“ durchgeführt hat. Trotzdem ist Puls-Chef Konrad Weßner davon überzeugt, dass die durch die Corona-Krise vorangetriebene Digitalisierung der Verkaufsprozesse zu einem weiteren Selektionsprozess im Automobilhandel führen wird, bei dem nicht unbedingt die Großen die Kleinen, sondern die Schnellen die Langsamen schlagen.

Nach Einschätzung von Berater von Steinaecker sind von den rund 36.000 Vertriebs- und Serviceunternehmen in Deutschland fünf Prozent bezüglich ihrer Online-Aktivitäten top aufgestellt. Bei einer Umsatzrendite von einem Prozent sei es erstaunlich, wie viele innovative Händler es gibt. Trotzdem gelte: In der familiär und mittelständig geprägten Branche sei die Bereitschaft, in die Digitalisierung des Geschäfts zu investieren, in der Fläche noch „steigerungsfähig“.

Digitalisierung als Schlüssel zum Erfolg

Einen Corona bedingten Schub erwartet von Steinaecker in den Betrieben vor allem bei der Digitalisierung der internen Geschäftsprozesse. „Da wird noch viel zu viel unnötiger Weise mit Papier gemacht“, stellt der Berater fest. Das Potenzial reiche von der Terminvereinbarung über die Auftragsabwicklung, Workflow- und Datenmanagement, Handymessages an Kunden und digitale Formblätter bis zum Rechnungsdownload. Bei der Optimierung interner Arbeitsabläufe gelte es, alles zu digitalisieren, was digitalisiert werden kann. Auch Audi-Vertriebsvorständin Hildegard Worthmann ist davon überzeugt: „Die Digitalisierung ist der Schlüssel zum Erfolg.“

Wenn Thomas Peckruhn, Vizepräsident des Zentralverbands Deutsches Kraftfahrzeuggewerbe (ZDK), angesichts der Corona-Krise mahnt, digitale Angebote noch weiter auszubauen und dabei alle Register zu ziehen, denkt er vor allem an Virtual-Reality-Showrooms, Liveberatung, Produktpräsentationen per Video oder 24-Stunden-Onlineberatung. Für den Autohandel zählen solche Innovationen zum Pflichtprogramm.

Laut DAT informieren sich fast alle Neuwagenkäufer im Internet über Ausstattungsmerkmale, Verbrauch und Preise, bevor sie einen Händler aufsuchen. Jeder achte Neuwagenkäufer erwerbe seinen Pkw inzwischen online. Tendenz steigend. Onlineportale wie „autohaus24“, „MeinAuto.de“, „AutoSout24“ oder mobile.de seien insbesondere für preissensible Käufergruppen eine Lösung. Allerdings sei die Reichweite der Portale begrenzt, weil dort meist nur Bestandsfahrzeuge vermittelt werden.

Vor allem kleine Händler, die nicht über die notwendigen personellen und finanziellen Ressourcen für einen eigenen Online-Vertrieb verfügen, vermarkten ihre Neu- und Gebrauchtwagen ausschließlich über solche Portale. Fachmann von Steinaecker sieht hier gravierende Nachteile. Damit beraube sich der Handel um das wichtigste Gut in seinem Geschäft: die Daten der Kunden. Das Portal als Makler wisse alles über den Kunden, der Handel nur wenig. Deshalb empfiehlt von Steinaecker den Vorsichtigen, parallel zu ihren Portalaktivitäten in kleinen Schritten eigene digitale Vertriebskanäle aufzubauen. „Das macht Spaß und ist dank Open Source und Gratis-Software gar nicht teuer.“

Weil Daten das neue Gold des Handels sind, plädiert DAT-Geschäftsführer Jens Nietzschmann wohl auch für „die Schaffung einer fabrikatsübergreifenden Plattform, vielleicht unter Ägide des ZDK“. Darüber debattiert die Branche schon seit vielen Jahren. Herausgekommen ist dabei zunächst die Online-Gebrauchtwagenbörse „hey.car“, die allerdings von mehreren Gesellschaftern getragen wird. Darunter befinden sich neben dem ZDK auch die Finanztöchter von Volkswagen und Daimler.

Foto: Auto-Medienportal.Net/DealerDirect

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