125 Jahren Skoda

Mit dem Party-Trick zum Messe-Erfolg

Als Pick-ups auf europäischen Straßen noch zu einer exotischen Spezies gehörten, erweiterte Skoda Mitte der 90er-Jahre die Felicia-Familie um einen Pritschenwagen.

Mit Erfolg: Nahezu jeder zehnte der insgesamt 1,4 Millionen produzierten Felicia lief als Pick-up vom Band. Im März 1995 debütierte der Skoda Felicia Fun, ein unkonventionelles Freizeitmobil mit knallig gelber Lackierung und einem Trick, der dem Zweisitzer zu zwei weiteren Plätzen verhalf.

In der 125-jährigen Geschichte von Skoda spielen immer wieder Autos, die abseits des reinen Nutzwerts mehr den Sinn fürs Schöne und die Freude am Fahren stehen, eine Rolle. Gerade der Modellname Felicia steht für eine solche Episode. So hieß bereits jener Roadster, der zwischen 1959 und 1964 im Osten zum Symbol für den kleinen Traumsportwagen wurde. Bei ihm übertraf die Nachfrage das Angebot bei weitem. Ein Großteil der insgesamt 15.000 Exemplare ging in den Export.

Dennoch erhielt der Felicia keinen Nachfolger. Denn die Ära der Skoda-Fahrzeuge mit Heckmotor schränkte das Spektrum möglicher Karosserievarianten für lange Zeit stark ein. Während neben Stufenheck-Limousinen noch sportlich geschnittene Coupés in Kleinserie entstanden, kamen offene Modelle mit diesem Antriebskonzept über das Prototypen-Stadium nicht hinaus oder blieben das Ergebnis individueller Umbauten.

Mit dem Frontrieb kam die Freiheit

Größeren gestalterischen Freiraum bot erst wieder die völlig neue Fahrzeugfamilie, die Skoda am 16. September 1987 auf der Maschinenbaumesse in Brünn der Öffentlichkeit vorstellte: Der moderne Favorit mit Fließheckkarosserie setzte auf einen quer installierten Frontmotor und Frontantrieb. Schnell ließen die Designer und Konstrukteure Gedankenspiele folgen, darunter auch den Prototypen Skoda 781 Tremp. Der zweisitzige Viertürer besaß über dem Fahrer- und Beifahrerplatz ein festes Dach, das ab der B-Säule durch eine massive Rohrkonstruktion und einen Überrollbügel abgelöst wurde. Das Einzelstück befindet sich heute im Besitz des Skoda-Museums.

In die Serienfertigung schafften es schließlich zwei Versionen: das 1990 präsentierte Kombimodell Forman und – ein Jahr später – der zweisitzige Pritschenwagen Pickup. Dass selbst dieses unaufgeregte Nutzfahrzeug einen Charme entwickeln konnte, führte der tschechische Autohersteller 1993 auf der Internationalen Automobil-Ausstellung (IAA) in Frankfurt vor: anhand von zwei einsatzbereiten Konzeptfahrzeugen namens Skoda Fun.

Beide basierten auf der Favorit-Baureihe, boten aber 60 Millimeter mehr Bodenfreiheit für leichte Touren im Gelände. Neben einem vorderen Frontschutzbügel und einem massiven Überrollschutz, der in Verbindung mit einem Dachgepäckträger auch den Transport von sperrigen Sportgeräten wie Surfbrettern oder Mountainbikes ermöglichte, sorgte vor allem ein pfiffiger Kniff für Aufsehen: Die hintere Trennwand mit ihrer elektrisch betätigten Rückscheibe ließ sich umklappen und ermöglichte durch einen Hebelmechanismus, dass zwei zusätzliche Sitzplätze unter freiem Himmel entstehen – ein erster „Simply Clever“-Trick. Die gelb und violett lackierten Ausstellungstücke fielen außerdem durch ihr Dekor und die Sieben-Speichen-Leichtmetallräder auf.

Wie sehr das Konzept der IAA-Ausstellungsstücke bereits dem späteren Serienmodell ähnelte, zeigte sich im März 1995 auf dem Genfer Automobilsalon: Dort feierte der Skoda Felicia Fun seine Weltpremiere. Das Freizeitfahrzeug übernahm viele Ideen und Detaillösungen der beiden Concept Cars, kombinierte sie aber mit der umfassend aufgewerteten Technik des ein Jahr zuvor vorgestellten Felicia. Für die Evolution des Neuen hatte die inzwischen zur Volkswagen Gruppe zählende Marke 1187 Teile neu entwickelt.

Aus zwei mach vier


Die größte Überraschung des Felicia Fun war die ungewöhnliche Lösung mit der klapp- und verschiebbaren Rückwand, die zwei zusätzliche Notsitze entstehen ließ. Die intern „Party-Trick“ getaufte, weiter entwickelte Mechanik zählte tatsächlich zur Grundausstattung der Pick-up-Variante. Sie verkürzte im ausgefahrenen Zustand zwar die Tiefe der mit Fichtenholz ausgelegten Ladefläche von 1370 auf 850 Millimeter. Doch praktischer Nutzen war eben nicht der Hauptzweck des stets in kräftigem Gelb lackierten und von einem zusätzlichen Heckspoiler geschmückten Pritschenwagens.

Unverändert übernommen hat der Skoda Felicia Fun die technischen Eckdaten des Pick-up-Modells (Radstand 2450 Millimetern, Länge 4245 Millimeter, Breite 1680 Millimeter, Höhe 1465 Millimeter). Den Kunden standen drei Vierzylinder zur Auswahl. Ein Dieselmotor mit einem Hubraum von 1896 ccm und 64 PS und zwei Benziner: 1,3 Liter und 68 PS sowie 1,6 Liter und 75 PS. Die Basisausführung mit 1,3 MPI-Aggregat kostete in der Ausstattungslinie LX 304.900 Tschechische Kronen. Der Fun wurde auch in Deutschland angeboten. Der hier grundsätzlich mit einem 1,6 MPI-Motor kombinierte Pick-up kostete 1999 knapp 14.000 Euro, eine Teil-Lederausstattung zusätzlich 639 Euro.

Insgesamt 4016 Skoda Felicia Fun rollten vom Oktober 1995 bis August 2000 im Werk Vrchlabí vom Band. Heute gelten die auffällig gelben Freizeitfahrzeuge als Sammlerstücke.

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