Morgengruß von Helmut Harff: Timing ist alles

Mit der Uhr in der Hand durch die Krise

Ihnen ist es sicher längst aufgefallen – in dieser Zeit muss man nahezu alles timen. Ohne Uhr käme man überhaupt nicht mehr durch das Leben.

Derzeit will alles genau geplant sein. Überall muss man vorher Termine machen. Das gilt für einen Arztbesuch genau so wie für den im Museum. Klar, dass man bei seinem Friseur einen Termin vereinbart, weniger klar ist das für einen Lokalbesuch. Schon toll, dass man noch ganz spontan einkaufen gehen kann.

Das mit den Terminen wäre ja nicht so schlimm, wenn man einfach warten kann. Aber genau das geht eben kaum irgendwo. Man ist gezwungen, vor den sich nur zur verabredeten Zeit öffnenden Türen rumzulungern, spazieren zu gehen oder im Auto zu warten, bis die Zeit ran ist. Das ist bei gutem Wetter und vertretbarer Gesundheit nicht so schlimm. Doch was, wenn eben kein schönes Wetter ist, wenn es regnet und ein kalter Wind weht. Dann steht man erkältet vor der Arztpraxis oder – wie es mir gestern passiert ist – vor dem Friseursalon.
 
Nicht nur ich wartete, sondern auch meine Frisörin, denn die Kundin vor mir hatte schon längst den Laden verlassen, als ich auf die Minute genau erschien, da ich ja nicht warten wollte. 15 Minuten Verdienstausfall. Wer trägt den eigentlich? Kommt die Politik dafür auf, die ja schließlich diese Regelungen zu verantworten hat? Noch eines hat mich geärgert: Meine Lieblingsfrisöse geht mir sonst immer um den Bart, sprich, sie bringt den in Form. In Zeiten der Maskierung geht das nicht, denn auch ich musste ja eine Maske tragen. Da fühlte ich mich als Mann schon etwas diskriminiert.

Ich weiß, das sind Peanuts gegenüber den Problemen, die gerade viele Menschen haben, die ihren Nachwuchs noch immer selber bespaßen müssen – und das bei voller Berufstätigkeit. Und doch, es sind wie auch sonst im Leben die Kleinigkeiten, die einem im täglichen Leben belasten, die zu Frust und Ärgernissen führen. So etwas bleibt in vielen Fällen nicht ohne Folgen. Die einen ignorieren irgendwann alle erlassenen Regelungen, andere maulen jeden an. Kommt es noch schlimmer, müssen Partner, Kinder, Kollegen oder auch ganz fremde Menschen damit rechnen, dass jemand an ihnen seinen Frust abreagiert.

So ein Frust, so ein sich anstauender Frust scheint vielfach einfach keine Rolle in den Überlegungen der Verantwortlichen zu spielen – der ist ja privat. Doch in diesen Zeiten ist eben nichts privat. Ich finde, dass sich alle darum bemühen sollten, die Einschränkungen so weit wie möglich abzumildern. Wieso zeigt man nicht mehr Phantasie beim Umgang mit den Krisenbeschränkungen? Wie das gehen soll? Wieso stellt man keine Bänke da auf, wo Leute eben nicht wie gewohnt drin warten dürfen? Dazu könnten doch die Verantwortlichen beispielsweise die Frisöre animieren, auch, in dem man die Ausnahmegenehmigung gleich mitschickt.

Viele von uns würden sicher mit der Krise noch entspannter – was keineswegs leichtsinniger heißt – umgehen, wenn man es verstände, die Folgen so weit es geht abzumindern.

Es ist jetzt acht Uhr und die Beste Frau der Welt wartet auf Ihren Frühstückskaffee. Das war schon weit vor der Krise so.

Ich wünsche Ihnen ein genussvolles Frühstück und Gesundheit.

Gratulation allen, die heute Namenstag haben: Wilhelm, German

Foto: Pixabay

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