Morgengruß von Helmut Harff: Undenkbar...

… ist für mich nichts mehr

Es war das merkwürdigste, ungewöhnlichste, das teuerste, das wahnsinnigste, das nie erwartete Halbjahr, was es wohl in der neueren, wenn nicht überhaupt in der Geschichte des modernen Menschen gab – das gerade zu Ende gehende 1. Halbjahr 2020.

Für mich ist nicht „Corona“ das Unwort für diese 183 Tage – wir haben ein Schaltjahr – sondern „Undenkbar“. Was war zum Jahreswechsel nicht alles undenkbar. Es war undenkbar, dass nahezu alle Staaten ihre Grenzen schlossen. Das gelang ohne Mauern, ohne Minenfelder, ja, in vielen Fällen ganz ohne Militär. Nicht nur die Grenzen der Länder wurden mit einem einfachen Regierungsbeschluss geschlossen, auch innerhalb sehr vieler Länder wurden Grenzen gezogen und geschlossen.

Undenkbar war zu Neujahr 2020, dass man einfach aus Angst vor einem Virus weltweit Millionen Existenzen vernichtet, Millionen von Menschen allein hierzulande ihren Job verlieren und sie schon deshalb beneidet werden, weil sie im Home Office arbeiten dürfen.

War es nicht undenkbar, dass Kinder nicht mehr in die Schule gehen mussten oder durften, dass Eltern plötzlich ihren Nachwuchs selber unterrichten sollten und nun dafür auch noch Geld bekommen? War es nicht undenkbar, dass der Staat auf seinen Bildungsauftrag verzichtet?

War es nicht undenkbar, dass für Wochen und Monate alle Kultur- und Sportveranstaltungen einfach abgesagt werden und sich nur sehr vereinzelt Widerstand regt? War es nicht undenkbar, dass der 1. FC Bayern München seinen achten Meistertitel in Folge nicht auf dem Rathausbalkon in München mit Abertausenden von Fans feiert? Ja, vor 186 Tagen war es nicht einmal für alle denkbar, dass die Bayern Deutscher Fußballmeister werden. War es nicht undenkbar, dass Sport vor leeren Rängen stattfindet? War es nicht undenkbar, dass die Fernsehmilliarden für den Profifußball nicht weiter ins Unermessliche steigen?

War es nicht undenkbar, dass die Regierung viele Gesetze einfach so außer Kraft setzt, selbst die Verfassung ignoriert? War es nicht undenkbar, dass die „schwarze Null“ den Finanzminister und die Regierung, ja selbst die Opposition nicht mehr die Bohne interessiert, dass wir jetzt eine gigantische Staatsverschuldung mit in die ungewisse Zukunft nehmen?

War es nicht undenkbar, dass man selbst Arbeitslosengeld II – kurz Hartz IV genannt – so ganz ohne jede Prüfung bekommen kann? War es nicht undenkbar, dass der Staat eigentlich jeden irgendwie finanziell unter die Arme greift, der sich greifen lassen will?

War es nicht undenkbar, dass wir uns nicht mehr anfassen – es sei denn, wir kommen aus einer Familie? War es nicht undenkbar, dass alle penibel darauf achten, zum Nachbarn mindestens 1,5 Meter Abstand zu halten? War es nicht undenkbar, dass alle mit einer Maske vor dem Gesicht rumlaufen – selbst da, wo sie gar nicht gefordert war?

Nein, all das und noch viel mehr war vor 183 Tagen nicht denkbar, waren absolut undenkbar. Für mich heißt das, dass ich das Wort „Undenkbar“ nun endgültig aus meinem Wortschatz streiche. Wenn ich auf das zu Ende gehende erste Halbjahr 2020 zurück blicke, dann ist wohl wirklich nichts mehr undenkbar.

Undenkbar war für mich, drei Wochen nicht mit der Besten Frau der Welt frühstücken zu können, weil ich nicht von einem Virus, sondern von einem Krebs bereit werden musste. Das war zwar nicht undenkbar, aber es ist ja noch mal gut gegangen. Ich hoffe, dass wir das auch mal rückblickend auf diese Zeit sagen können. Doch bis dahin kann ich noch sehr viele Tage mein Frühstück mit der Besten Frau der Welt genießen.

Ich wünsche Ihnen ein genussvolles Frühstück und Gesundheit.

Gratulation allen, die heute Namenstag haben: Otto, Bertram, Ehrentrud

Foto: Pixabay

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