
Angst  ist per se nichts Schlechtes. Sie bewahrt uns vor Gefahren, sie hat das  Überleben der Menschheit gesichert. Doch Angst ist manchmal diffus. Oft  wird unser Angstmechanismus bewusst genutzt, um uns zu steuern.  Patrizia Patz illustriert, wie wir reale und imaginäre Angst  unterscheiden können und so wieder Freiheit erlangen.
Angst  selbst ist nicht das Problem! Es ist der unbewusste Umgang mit Angst,  der uns empfänglich macht für Manipulation. Angst ist neben Wut,  Traurigkeit und Freude eines unserer vier Grundgefühle. Und diese haben  die Aufgabe, uns als Ressource zu dienen. Doch wir lernen nicht, bewusst  mit Gefühlen umzugehen. Insbesondere nicht mit Angst. Sie gilt in  unserer Kultur als negativ, schwach und unberechenbar. Nur Feiglinge  haben Angst! Gleichzeitig hat Sicherheit ein enorm hohes Ansehen. Wir  werden früh dazu erzogen, den sicheren Weg einzuschlagen – eine sichere  Ausbildung, ein sicherer Arbeitsplatz, ein fester Wohnsitz und am besten  alles gut versichert. Wir wollen keine Angst fühlen – Angst ist uns  zuwider. Statt zu lernen, bewusst und verantwortlich mit Angst  umzugehen, verbannen wir sie ins Unbewusste. Von dort aus kann die Angst  dann ihr Unwesen treiben. 
Die Unbewusstheit hat Folgen. Sie  lässt uns nicht unterscheiden, ob die Ursache der Angst real ist oder  imaginär - durch bestimmte Umstände erzeugt. Angst ist unser natürlicher  Begleiter, wenn Gefahr droht. Aber nicht immer ist die Gefahr, die  diesen Mechanismus auslöst, akut oder real. Ein mächtiger Erzeuger von  imaginärer Angst ist unser eigener Verstand. Wir können mit ihm in die  Zukunft reisen und dabei Probleme erdenken, die noch überhaupt nicht in  Sicht sind. An sich eine tolle Fähigkeit – aber nur dann, wenn wir  bewusst mit der Angst umgehen können, die wir dadurch selbst erzeugen. 
Eine  weitere „Fake“-Ursache für unbewusste Angstsind traumatische Erlebnisse  aus der Vergangenheit. Vielleicht wurden wir als Kind von einem Hund  gebissen und tragen diese alte Angst als Erwachsene weiterhin mit uns  herum. Ein Hund kommt schwanzwedelnd auf uns zu und wir flüchten, obwohl  keine Gefahr von dem Hund ausgeht. Durch die Unbewusstheit können wir  aber keine Unterscheidung treffen – dann sind alle Hunde gefährlich. 
Unbewusste Angst macht manipulierbar
Die  nächste „Fake“-Ursache sind Ängste, die wir von anderen – insbesondere  von Autoritäten –ungeprüft übernehmen. Inder Kindheit hat diese Prägung  durch unsere Eltern für unser Überleben gesorgt: „Pass auf, wenn du über  die Straße gehst, das ist gefährlich!“.In der Regel bleiben diese  übernommen Ängste auch im Erwachsenenalter bestehen, wie ein Programm,  das uns unbewusst reagieren lässt. Noch schlimmer ist, dass wir durch  Unbewusstheit auch weiterhin dieser Art der Konditionierung durch  Autoritäten zum Opferfallen, ohne es zu merken. Die „Autoritäten“ sind  dann eben die Medien, die Werbung, die Politik oder Ärzte und  Wissenschaftler. Und dies öffnet Tür und Tor für Manipulation von außen.  Unsere Angst vor der Angst macht uns zu steuerbaren Konsumenten und zu  braven Bürgern, die möglichst wenig Risiken eingehen.
Gerade in  den aktuellen Zeiten der Corona-Pandemie wird dieser Aspekt mehr als  deutlich. Reißerische Headlines, tägliche Zahlen über Neuinfektionen und  Interviews mit Virologen und Politikern auf der einen Seite.  Verschwörungstheorien und die Warnung vor Freiheitsberaubung auf der  anderen Seite. Wer hier nicht bewusst mit der eigenen Angst umgehen  kann, ist schnell im Strudel der Meinungsmache gefangen und fühlt sich  ausgeliefert. 
Der Weg in die Freiheit
Doch wie kommen wir  da heraus? Freiheit bedeutet in diesem Zusammenhang nicht, frei von  Angst zu sein. Freiheit bedeutet, die eigene Angst in Besitz zu nehmen  und verantwortlich damit umzugehen. Dazu müssen wir die Angst aus dem  Exil des Unbewussten befreien und lernen, sie zu nutzen. Erst dann haben  wir eine Wahl. Eine neue Haltung in Bezug auf Angst ist der Schlüssel!  Erstens: Angst ist eine unserer größten Ressourcen. Angst macht uns  wach, kreativ und lässt uns vorsichtig Neuland betreten – doch nur, wenn  es für uns okay ist, Angst zu fühlen. Solange wir Angst ablehnen und  sie unterdrücken, hat die Angst uns im Griff. Zweitens: Sicherheit ist  eine Illusion. Wie sagte Erich Kästner: "Das Leben ist immer  lebensgefährlich.“ Natürlich können wir viel tun, um uns vermeintlich  sicher zu fühlen – durch Vorsicht und Kontrolle. Es muss uns nur bewusst  sein, dass Kontrolle immer auf Kosten von Freiheit und Lebendigkeit  geht. Je bewusster wir mit unserer Angst umgehen können, desto weniger  brauchen wir Sicherheit im Außen. Denn gerade in ungewohnten  Situationen, in denen wir auf wenig Wissen und Erfahrung zurückgreifen  können, kann uns bewusst genutzte Angst dienen, um wach und präsent zu  sein und kreativ und innovativ neue Möglichkeiten zu erfinden. 
Durch bewusstes Fühlen können wir wieder Zugang bekommen zur Kraft, die in der Angst steckt. 
#1 – Freunden Sie sich mit Ihrer Angst an und nehmen Sie sie wahr.
#2  – Halten Sie inne und fragen Sie sich: „Ich fühle Angst, weil …?“; „Bin  ich hier und jetzt wirklich in Gefahr?“. Unterscheiden Sieimaginäre  Angst von echter Angst, die Ihnen jetzt dient. 
#3 – Bei imaginärer  Angstatmen Sie tief und regeln Sie damit die Angst herunter. Echte Angst  nutzen Sie für den Zweck, der gerade ansteht: Ideen entwickeln, präsent  sein, vorsichtig vorgehen.
#4 – Wenn Sie die Angst genutzt haben,  verschwindet sie. Sie haben einen den neuen Referenzpunkt: Sie waren  handlungsfähig – mit Angst.
Gefühle
Autorin: Patrizia Patz
Verlag: BusinessVillage  
Preis: 14,99 Euro
ISBN: 978-3-86980-495-8