Morgengruß von Helmut Harff: Kind sein

… ist aktuell kein Vergnügen

Noch einmal Kind sein, das ist etwas, was sich viele Erwachsene immer wieder einmal wünschen. Man verbindet das mit einem unbeschwerten Leben, mit Spaß und Freiheit, damit, sein Leben noch vor sich zu haben, noch keine oder sehr wenige Verpflichtungen zu haben, noch nicht viel vom so viel beschworenen Ernst des Lebens zu wissen.

Mal abgesehen, dass wohl die meisten von uns einen so unkritischen Blick auf ihre Kindheit nicht haben, sehne ich mich heutzutage nicht danach, ein Kind zu sein. Als Rentner ist mein Leben unbeschwerter. Ich muss mir nichts mehr beweisen, muss nicht darüber nachdenken, wohin es in meinem Leben einmal gehen soll, muss nur wenig Angst vor meiner Zukunft haben, auch wenn die Gesundheit schon Probleme bereitet.

Doch was ist das gegen das, was man heute Kindern und Jugendlichen zumutet? Die sollen oder je nach Lesart dürfen kaum noch Freunde treffen. Ihnen ist es verboten, in den Sportverein, in die Musikschule oder einen anderen Verein zu gehen. Sie dürfen nicht mehr auf den Bolzplatz, sollen weder Tante noch Onkel, nicht einmal Oma und Opa besuchen.

Doch auch das ist alles noch irgendwie zu verschmerzen. Das gilt auch für Schule mit Maske und ständigen Unterbrechungen des Unterrichts durch das Lüften. Ich frage mich überhaupt, wie der Unterricht abläuft, wenn der in Klassenverbänden und nicht in Leistungsstufen stattfinden soll. Doch auch das ist noch nicht das Schlimmste. Für mich unerträglich ist der komplette Schulausfall, der maximal im sogenannten Homeschooling oder im Unterricht per Mail endet.

Ich frage mich, wie da selbst gute Schüler irgendwie den Lehrstoff aufnehmen und begreifen sollen. Wie mag das erst bei weniger begabten Kindern oder bei lernschwachen, bei Zuwandererkindern sein? Haben die überhaupt eine Chance? Ich befürchte, dass das nicht der Fall ist. Wer wird irgendwann in der Lage sein, ein Abi hinzulegen, das es erlaubt, seine Schulzeit mit Auszeichnung zu beenden? Wer wird einen Zensurenschnitt hinlegen können, der für die Aufnahme eines Medizinstudiums ausreichend ist?

Ich weiß, wovon ich rede. Ich konnte aus Gesundheitsgründen nur ein Halbjahr in der 4. Klasse absolvieren, wurde aber dennoch versetzt. Der Ausfall hing mir die gesamte Schulzeit, eigentlich mein ganzes Leben an.

Was tun? Ich hätte damals wohl besser die Klasse noch einmal absolviert. Genau das schlage ich auch heute vor: Alle, die jetzt in der Schule sind, machen ihre Klasse noch einmal. Das würde ihre Chancen auf einen guten oder sehr guten Schulabschluss deutlich erhöhen und jetzt den Druck aus dem System nehmen. Doch das allein reicht nicht. Man muss denen, deren Schuljahr eigentlich keines ist, das verlorene Jahr auch bei der Rente anrechnen, man muss ihnen – den Corona-Schülern – bis ins hohe Alter bescheinigen, dass sie nicht sitzen geblieben sind, sondern das schlicht ein Jahr Schule ausgefallen ist. Ich hoffe, dass es bei diesem einen Schuljahr bleibt.

Ich hoffe, dass die Verantwortlichen, aber auch die Eltern endlich den Mut haben, der Wahrheit ins Gesicht zu sehen. Und, für mich ist die Wahrheit, dass seit dem ersten Lockdown es keinen normalen Schulunterricht mehr gab und monatelang auch noch nicht geben wird.

Nein, ich möchte zumindest derzeit kein Kind sein. Die erleben gerade etwas, was Erwachsene in ihre Gänze nie erlebt haben. Das macht mir große Sorgen, zumal zumindest die Jugendlichen auch noch die Schulden bezahlen müssen, die die Politik aktuell macht, wohl auch machen muss. Sie müssen einem sehr kranken Land wieder auf die Beine helfen.

Nein, ich bin froh, dass ich mein Frühstück mit der Besten Frau der Welt Tag für Tag genießen kann.

Ich wünsche Ihnen ein genussvolles Adventsfrühstück.

Gratulation allen, die heute Namenstag haben: Valerie, Liborius, Reinmar

Foto: Pixabay

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