„First time moments“ anstelle von Information

Kommentar von Peter Schwerdtmann, Auto-Medienportal.Net

Corona verhindert, dass Autojournalisten die neuen Modelle in der Praxis erleben. Vor Covid-19 legten alle Hersteller gesteigerten Wert darauf, ihren Neuen mit den Komplimenten und kritischen Bemerkungen sachkundiger Medien auf den Markt zu schicken.

Doch die Pandemie mit dem Zwang zu viralen Premieren nutzen viele Marketing-Verantwortliche in Unternehmen nun, neue Formen zu entwickeln, in denen die Erfahrung von Fachjournalisten ersetzt wird durch platte Werbung. Leider zählt ausgerechnet das Unternehmen mit der größten Tradition und dem größten Vertrauensvorschuss zu den Pionieren beim Einsatz von Influencern. Die Marketing-Verantwortlichen werden auf ihre Vorreiterrolle stolz sein.

Influencer kamen mit den sozialen Medien aus den USA. Wikipedia nennt als Eigenschaften, die der Influencer mitbringen muss seine soziale Autorität, Vertrauenswürdigkeit, Hingabe und ein konsistentes Verhalten. Von Sachkunde ist nicht die Rede. Dafür wird der Influencer als werbebasiertes Geschäftsmodell beschrieben – wirksam für Produkte und Meinungen bis hin zu Verschwörungstheorien, wie wir in diesen Tagen bei den Querdenkern und ihren Influencern erleben. „Freunde“ und „Follower“ lassen sich leichter beeinflussen. So verhelfen sie Produkten, Marken, Services und Meinungen zu schnellerem Durchbruch. Sie müssen eben nicht den Filter einer mit guten Fachjournalisten besetzten Redaktion bewältigen.

Ein aktuelles Beispiel lieferte gestern die Mercedes-Benz-Pressekonferenz: „Drei internationale Influencer aus der Automobil-, Technik- und Lifestylewelt berichten über ihre „first time moments“ an Bord des neuen EQA, der den Kompakteinstieg in die rein batterieelektrische Fahrzeugwelt von Mercedes EQ markiert. Die sehr persönlichen und emotionalen Clips sind eingebettet in die digitale Weltpremiere des EQA, die am Mittwoch, 20. Januar 2021, um 11:00 Uhr (MEZ)“ Anschließend werden „ausgewählte Highlight des neuen EQA“ vorgestellt.

Emotionen statt Informationen, schöne Bilder statt Fakten, Show statt Tatsachen, eingeschränkter Zugang zu Informationen ohne Möglichkeit zur Nachfrage – das sind nicht die Arbeitsgrundlagen für Journalisten. Das kostet Glaubwürdigkeit, zunächst bei den Lesern der Motorseiten, aber letztlich auch für die Kollegen von Seite 1. Wollen die Unternehmen das?

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