
Nathalie  Knauer (47) übernahm Anfang 2020 die Geschäftsführung bei der  Hobbybäcker-Versand GmbH mit dem Ziel, das traditionelle Unternehmen  frischer, jünger und moderner aufzustellen. 
Knauer,  die ursprünglich Archäologie studierte, ist ein wunderbares Beispiel  dafür, dass es auch als Frau und Mutter möglich ist, in  Führungspositionen Erfolg zu haben. Aber auch dafür, wie individuell  Karrieren verlaufen können.
Kein Land der westlichen Welt sieht  vor, dass Frauen Chefetagen fernbleiben, und obwohl wir in Deutschland  lange eine erfolgreiche Kanzlerin hatten, sind Frauen in  Führungspositionen hierzulande noch immer in der Minderheit. Zwar hat  sich der Anteil in den letzten Jahren stetig erhöht, lag aber 2020 nur  bei 28 Prozent. Nathalie Knauer ist eine dieser Führungskräfte. Sie hat  seit 2020 als Geschäftsführerin den Rührstab beim Hobbybäcker-Versand in  der Hand. 
Die ehemalige Kommunikationschefin des DK-Verlags hat  viele Jahre mit Koch- und Back-Koryphäen wie Yotam Ottolenghi, Jamie  Oliver, Cynthia Barcomi, Nelson Müller, Alexander Herrmann und anderen  mehr gearbeitet. Und möchte auch in ihrer neuen Position keine kleinen  Brötchen backen. Gemeinsam mit ihrem Team, das in weiten Teilen aus  Frauen besteht, möchte sie das viele Gute bewahren und ihm neuen Glanz  verleihen. Im Fokus stehen hierbei die Kommunikation auf allen Kanälen,  eine moderne Arbeitskultur und ein frisches Sortiment. Dass sie dabei  auch in ihrem Team auf Frauenpower setzt, versteht sich von selbst.
Wie  sich Familie und Beruf vereinen lassen, mit welchen Rollenklischees wir  immer noch kämpfen und welchen Rat sie jungen Frauen gibt, verrät sie  im Interview.
Liebe Frau Knauer, Ihre Biografie hat nicht  unbedingt nahegelegt, dass Sie einmal als Geschäftsführerin eines  mittelständischen Unternehmens für Backartikel tätig sein würden. Wie  haben Sie das geschafft?
Nathalie Knauer:
„Geschafft“ klingt immer  so, als ob ich geplant hätte, Geschäftsführerin zu werden. Das war  keineswegs so. Was ich geschafft habe ist, dass ich immer 100 Prozent  ich war, sehr engagiert, genau und stressresistent. Ich denke, ich bin  immer die viel zitierte Extra-Meile gegangen und alle, die mit mir  zusammengearbeitet haben, wussten und wissen, dass sie sich 100 Prozent  auf mich verlassen können. Mein Weg wurde weniger durch die Fächer  geprägt, die ich einmal studiert habe - ursprünglich Ägyptologie,  Philologie des christlichen Orients und Zoo-Archäologie. Sondern  vielmehr dadurch, dass ich immer etwas getan habe, das mich interessiert  hat, und dass das Studium sehr vielseitige Talente gefordert und  gefördert hat. Außerdem haben mich meine Eltern geprägt, die gesagt  haben: Finanzier dich selbst und mach, was du willst. Daher habe ich  immer schon gearbeitet. Ich habe vor und während des Studiums viel an  Ausgrabungen im Inland, längere Zeit aber auch in Ägypten teilgenommen.  Gerade die Aufgaben dort waren absolut entscheidend für Disziplin,  Ausdauer, Teamwork, Hingabe ans Tun, aber auch Offenheit für andere  Menschen, Länder, Kulturen – die Welt.
Wie kam es dann zum Sprung von der Ausgrabungsstätte in die Verlagswelt und schließlich zum Hobbybäcker-Versand?
Nathalie Knauer:
Ein  Studentenjob für die Magisterzeit hat mich zu meinem ersten Job in  einem Verlag geführt. Als dort jemand krank wurde, bekam ich eine feste  Stelle – meine damalige erste Chefin hat mich entscheidend beeinflusst.  Sie war sehr genau, hatte einen gezielten Blick fürs Wesentliche und hat  gerade zu Beginn alles kontrolliert. Aber sie hat mir klare Leitplanken  vorgegeben, mir vollauf vertraut und immer mehr zugetraut. Nach einiger  Zeit wechselte ich zu einer Gruppe von Kunst- und Archäologie-Verlagen  und verantwortete dort die Pressearbeit und Werbung – auch hier gab es  wieder eine wirklich beeindruckende Vorgesetzte. Da die Gruppe in dieser  Zeit von einem großen Verlagshaus aufgekauft wurde, hatte ich hier die  Möglichkeit, an einem spannenden Transformationsprozess zentral  mitzuwirken – immer im Spannungsfeld zwischen Investoren und den schönen  Künsten. Einige Jahre später ergab sich die Chance, zum DK-Verlag zu  wechseln, wo ich als Leitung der PR- und Öffentlichkeitsarbeit eine  Vielzahl der internationalen und nationalen Koch- und Backstars betreuen  durfte. Auch im DK-Verlag war ich übrigens umgeben von vielen starken  und tollen Frauen, auch in der Führungsriege. Ich hatte also immer  Vorbilder. Als ich für die Stelle der Geschäftsführung der  Hobbybäcker-Versand GmbH angesprochen wurde, war mein Feuer sofort  entfacht. Meine Vertrautheit mit den Themen Kochen und Backen sowie  meine Tätigkeit als Kommunikatorin haben hier sicher den Ausschlag  gegeben.
Wird einem die Führungsposition in die Wiege gelegt?
Nathalie Knauer:
Nein,  das denke ich nicht. Ich glaube vielmehr, viele Führungskräfte arbeiten  hart an sich, oft härter, als es nach außen zu sehen ist – das Leben  ist ja ein ständiger Lern- und Wachstumsprozess und der alte, eigentlich  doofe Spruch „Was nicht tötet, härtet ab“, hat einen wahren Kern.  Eine  gesunde Resilienz schadet nicht – denn je weiter oben du bist, desto  einsamer wird es in gewisser Weise und desto schneller wirst du  kritisiert, du bist ja für viele im Fokus. Authentizität ist absolut  entscheidend. Basics sind, ein gutes Organisationstalent zu haben,  strukturiert zu sein, das erleichtert den Tag. Weitere zentrale  Eigenschaften: wertschätzend und empathisch zu sein, denn ich arbeite ja  mit Menschen zusammen. Ich denke, es hilft, wenn man Fehler zugeben  kann, selbst menschlich ist – aber nicht zu sehr, eine Chefin, die  jammert, dass alles stressig ist, das geht nicht. Wichtig finde ich  auch: Du musst bescheiden und großzügig sein – es geht nicht um die  eigene Geltung, sondern um den Gesamterfolg. 
Wie gelingt es Ihnen als Mutter, die Balance zwischen Beruf und Familie zu halten?
Nathalie Knauer:
Ich  habe es da ehrlich gesagt immer schon leicht gehabt, weil für uns  aufgrund unterschiedlicher Faktoren immer schon ein nicht-klassisches  Rollenmodell das Richtige war. Seit meiner neuen Stelle und der  darauffolgenden Corona-Zeit mit Homeschooling und neuer Heimat kümmert  sich aktuell vor allem mein Mann um unseren Sohn. Mir sind aber einige  Punkte heilig: das gemeinsame Abendessen oder das „Gute-Nacht-Ritual“  mit meinem Sohn. Was die Balance angeht, so bin ich oft ganz gut,  manchmal aber noch suchend. Denn klar ist, dass Corona, die neue  Position sowie der Umzug in eine neue Gegend fordernd ist. Ich versuche  Nischen zu finden, um Arbeit und Familie bestmöglich zu trennen. Das ist  im Augenblick eher mal der Weg zur Arbeit als die Jogging-Runde, aber  ich bin sicher alles hat seine Zeit und es wird auch wieder eine Zeit  kommen, in der ich meinen Hobbys nachgehen kann.
Welchen beruflichen Rat würden Sie anderen jungen Frauen mit auf den Weg geben?
Nathalie Knauer:
Traut  euch was zu, seid mutig. Wichtig finde ich auch: Verlangt euren  Partnern was ab. Ich finde es nicht lustig, wenn Frauen damit  kokettieren, ihre Männer könnte man nicht einkaufen schicken, die  wüssten nicht, was zu kaufen sei. Meistens erbt man die Jungs ja nicht  aus Mamas Schoß, sondern sie waren vorher in der Lage, für sich zu  sorgen. Lasst zu, dass eure Partner und ihr euch zu 100 Prozent ersetzen  könnt, wenn ihr Kinder habt – ich bin vielen Familien begegnet, in  denen die Mutter ran „musste“, weil die Kinder gar nicht an den Alltag  mit Papa gewöhnt waren. Wenn sie das aber sind, dann wird auch nichts  vermisst. Es bereichert viel mehr, denn jeder bringt so viel Eigenes mit  in die Beziehung. Habt Mut zur Lücke und dazu, „nein“ zu sagen. Aber  auch: Seid fleißig. Nur halb Gas geben und Highspeed retour verlangen,  das funktioniert nicht.
Was treibt Sie an?
Nathalie Knauer:
Ich  denke, es ist primär Neugier. Ich bin ein unglaublich neugieriger  Mensch und gehe mit offenem Blick und offener Haltung auf Menschen,  Dinge und Herausforderungen zu.
Es macht mir Riesenspaß zu sehen,  wenn etwas, das ich angestoßen habe, funktioniert – am liebsten, wenn es  einem Teammitglied gelingt, über sich hinaus zu wachsen, und es sich  darüber freut. Vielleicht ist es auch mein scharfer Blick. Ich erkenne  Gesamtzusammenhänge, Prozesse, Vorgänge und Gefüge sehr rasch und habe  direkt ein Bild vor Augen, wie etwas besser, ggf. effizienter und am  Ende für alle erfolgreicher und zufriedenstellender laufen kann. Im  Augenblick ganz wichtig: Den Hobbybäcker 2.0 zu schaffen – zusammen mit  meinem großartigen Team. 
Ein Problem vieler Frauen sind  Selbstzweifel. Wie gelingt es, mentale Stärke zu erreichen,  Unsicherheiten abzulegen, sein eigenes Potenzial voll auszuschöpfen und  sich selbst zu verwirklichen?
Nathalie Knauer:
Ich gebe offen zu:  Ich zweifele immer wieder in vielen Momenten. Ich bin sicher streng mit  mir und ich denke, dass es in der Regel noch ein Ticken „besser“ geht –  ich sehe das jedoch gar nicht als negative Eigenschaft an, sondern  reflektiere fürs nächste Mal. Das ist ja das, was mich wachsen lässt.  Ich glaube daher, es hilft nur, Selbstzweifel zuzulassen, sie aber nicht  als Last zu sehen, nicht zu hadern. Nur wenn ich das mache, kann ich  mich bewusst verändern (oder auch nicht!). Ich bin allerdings schon eher  ein ruhigerer Mensch und brauche nach echten Powertagen mal eine Phase,  in der ich runterkomme, mich wieder „erde“. Da helfen offene, ehrliche  Gespräche mit meinem Mann, einer Freundin oder jemandem aus der  Verwandtschaft. 
Sie setzen auch im Team auf „Frauen-Power“. Warum und was können Frauen besser als Männer?
Nathalie Knauer:
Dass  es beim Hobbybäcker so ist, ist Zufall. Ich arbeite im Grunde gleich  gerne mit Frauen wie mit Männern zusammen. Was das Können angeht, so  denke ich nicht, dass Frauen etwas besser können als Männer. Ich glaube,  dass wir bestimmte Dinge besser eingeübt haben, aber alles Erlernte  kann man bzw. frau auch bewusst verändern. Prinzipiell finde ich  Stereotypen schwierig, es gibt z.B. bei Frauen wie bei Männern welche,  die „WIR “ sagen, wenn sie ihr Team meinen, und welche, die „ICH“ sagen,  wenn sie ihr Team meinen, es gibt laute, es gibt leise. Nichts  destotrotz gibt es natürlich Unterschiede, im Verhalten, im Auftreten –  Frauen sind oft weniger fordernd, schlagen leisere Töne an, haben  manchmal einen weniger großen Geltungsdrang als manche Männer und haben  vor allem noch nicht die gleichen Netzwerke wie Männer. Viele  Businesszirkel sind männlich geprägt, auch was die „Zeitdominanz“  angeht. Dass sich hier vieles nur langsam verändert, liegt sicherlich  auch daran, dass viele Mütter in Führungspositionen echte  Zeit-Geizkrägen sind und nach einem langen Arbeitstag dann eben nicht  zum Squash mit den Kumpels oder zum Get-together mit Zirkel XY gehen,  sondern heim, weil sie die Kids noch sehen wollen, bevor diese ins Bett  gehen. ich hoffe sehr, dass der Schwung, der gerade stattfindet, zu  einem echten Umbruch führt – dass Vereinbarkeit und Gleichstellung keine  Floskeln sind, aber ich glaube, Deutschland braucht da leider noch ein  bisschen. 
Ihre Vision für den Hobbybäcker-Versand in ein bis zwei Sätzen?
Nathalie Knauer:
Ich  möchte mit dem Hobbybäcker jede Menge Backspaß zu Ihnen nach Hause  bringen: Die richtigen Zutaten, die richtigen Utensilien, die richtigen  Ideen – von Hobbybäckerinnen und Hobbybäckern für Hobbybäckerinnern und  Hobbybäcker. Schon die Kleinsten sollten mitgenommen werden in die  Wunderwelt von Teiggefühl und Ofenduft. 
Foto: Anna-Mardo
