Elektrisch ohne Reichweitenangst

Der Toyota Mirai im Praxistest



Ohne Frage: Auf der Kurzstrecke oder dem Weg zur Arbeit haben rein batteriebetriebene Elektrofahrzeuge durchaus ihre Vorteile. Geht es dagegen auf die große Reise müssen mit den Stromern zumeist lange Wartezeiten an der Ladesäule einkalkuliert werden.

Saubere Alternativen, wie der Toyota Mirai, kennen diese Problematik nicht. Der Mirai (japanisch für Zukunft) hat eine Brennstoffzelle und kommt mit einer Tankfüllung bis zu 650 Kilometer weit. Der Japaner ist zwar ebenfalls ein Elektroauto, doch tankt er Wasserstoff und erzeugt seinen Strom mit dem kleinen bordeigenen Kraftwerk selbst.

Trotz Tankstellenbesuch ist der Mirai ein sauberes Auto, weil als einziges Abfallprodukt lediglich Wasser aus seinem Auspuff entweicht. Daher emittiert er Null Emissionen und gilt als Alternative zu herkömmlichen Elektrofahrzeugen. An der Brennstoffzellentechnik hält Toyota seit 2015 fest. Die Japaner sind auf diesem Gebiet ein Vorreiter, genauso wie einst bei den Hybriden.

Mittlerweile befindet sich der Mirai in der zweiten Generation und ist zu einer stattlichen Mittelklasselimousine herangewachsen. Er steht auf einer neuen Plattform mit gut fünf Metern Länge und ist mit seiner coupéhaften Formensprache im Vergleich zum ersten Mirai ein echter Hingucker geworden. Aber nicht nur die Optik hinterlässt einen attraktiveren Eindruck, auch der Preis: Mirai Nummer zwei startet bei 63.900 Euro und ist somit um 20 Prozent günstiger als sein Vorgänger. Da vom Grundpreis noch die Förderprämie von 7500 Euro abgezogen werden muss, ist der aktuelle Mirai jetzt zu einer bezahlbaren Alternative geworden.

Im Vergleich zu seinem Vorgänger arbeitet auch die Technik effizienter. So rückte die Brennstoffzelle von den Vordersitzen unter die Motorhaube und baut im neuen Modell kompakter. Das bringt mehr Platz im Innenraum und senkt nochmals das Geräuschniveau beim Fahren. Der Unterschied ist aber kaum wahrnehmbar, denn schon der alte Mirai war bereits ein sehr leises Auto.

Der Elektromotor leistet mit 134 kW (182 PS) knapp 30 PS mehr als zuvor und die Reichweite hat sich von bisher 500 auf maximal 650 Kilometer deutlich erhöht. Der hohe Aktionsradius nimmt dem Mirai-Fahrer die Reichweitenangst, Fahrer von reinen E-Autos müssen um einiges früher wieder an die Steckdose zurück. Hinzu kommt deren stundenlanges Laden, während der Toyota nach dem Zapfen von Wasserstoff in drei bis fünf Minuten wieder vollgetankt auf die Strecke geht. Somit ist der Mirai genauso schnell wieder einsatzbereit wie ein konventioneller Benziner oder Diesel.

Der Treibstoff wird mit 700 bar Druck in die 5,6 Kilogramm großen Tanks gepresst. Das Tanken selbst gilt als narrensicher, da die H2-Zapfsäule mit der Brennstoffzelle kommuniziert. Auch ein Losfahren während des Tankvorgangs ist völlig ausgeschlossen, weil der Mirai während des Befüllens mit Wasserstoff erst gar nicht startet. Erst nach dem Ausklinken der Zapfpistole erhält der Japaner sein Go.

Das Fahren mit dem Mirai ist genauso einfach wie mit einem Auto mit Automatikgetriebe. Und nach dem Einlegen der Fahrstufe D legt der Japaner leise surrend los. Die Kraftentfaltung ist ordentlich, weil der Elektromotor schon nach der ersten Umdrehung sein volles Drehmoment entfaltet. Im Falle des Mirai sind es 300 Newtonmeter, die an die Hinterachse weitergeleitet werden. Damit beschleunigt der Japaner gleichmäßig und in fast lautlosen 9,2 Sekunden von 0 auf 100 km/h. Wenn es sein muss, ist der Toyota auf der Autobahn bis zu 175 km/h schnell. Anschließend schiebt die Elektronik einen schützenden Riegel vor, um die hohe Reichweite nicht übermäßig zu strapazieren. Bei ruhiger Fahrweise sind in der Praxis übrigens gute 550 bis 620 Kilometer drin.

Geht es um das Raumangebot, fällt die Bilanz dennoch ernüchternd aus. Vorne gibt es zwar genug Bewegungsfreiheit und der Fahrer und Beifahrer sitzen auf einem bequemen, weichgepolsterten Mobiliar. Hinten herrscht dagegen nur wenig Platz für die Knie und Köpfe der mitreisenden Gäste. Auch das Kofferraumvolumen fällt mit nur 300 Liter Fassungsvermögen bescheiden aus, obwohl es sich beim Mirai um ein riesiges Fünf-Meter-Auto handelt.

Der Grund für die Misere liegt an den drei großen Wasserstoff-Tanks, die im Fahrzeugboden verteilt sind. Hinzu kommt eine coupéförmige Dachlinie, die dem schicken Mirai zum Handicap wird. Auch das Multimediasystem zeigt leichte Schwächen, da sich die Menüführung als so manches Mal umständlich erweist und eine Eingewöhnung erfordert. Dieses Manko versucht der Japaner aber mit einem exzellenten Fahrkomfort wieder wett zu machen. Und der ist richtig klasse: Der Mirai schwebt selbst über derbe Unebenheiten einfach hinweg und zeichnet sich als ein angenehmer Cruiser aus. Davon können sich andere Mitbewerber in der gehobenen Mittelklasse eine große Scheibe abschneiden.

Jedoch zählen Wasserstoffautos zu einer Minderheit in der automobilen Welt. Der einzige Konkurrent des Mirai kommt mit dem Hyundai Nexo aus Korea. Mercedes hatte zwar mit dem GLC F-Cell ebenfalls eine Brennstoffzelle im Angebot, jedoch den Verkauf längst eingestellt. Und Honda traute sich mit seinem Wasserstoffauto Clarity erst gar nicht nach Europa. Den Clarity gibt es einzig und allein in Nordamerika und Japan und das auch nur in homöopathischen Dosen.

An den Betriebskosten kann es jedenfalls nicht liegen. Der Toyota kommt mit knapp einem Kilogramm Wasserstoff etwas mehr als 100 Kilometer weit. Das Kilo kostet an den öffentlichen H2-Zapfpunkten günstige 9,50 Euro. Somit liegt der Kraftstoffpreis also in einem überschaubaren Rahmen. Vielmehr ist das dünne Tankstellennetz ein Hinderungsgrund. Bundesweit sind es aktuell gerade einmal nur knapp über 100 Stück. Es werden aber täglich mehr.

Verglichen mit Gesamteuropa stehen wir mit dieser Bilanz sogar noch recht gut da. Dort gibt es in den einzelnen Ländern gerade einmal zwei Handvoll an Wasserstofftankstellen. In Frankreich ist die Anzahl dagegen so gering, dass man mit dem Mirai dorthin nicht ohne Versorgungsangst in Urlaub fahren möchte. Bleibt abzuwarten, wie weit die Infrastruktur an Wasserstoff zukünftig voranschreitet. An der alternativen Technik kann es jedenfalls nicht liegen. Die funktioniert im Japaner genauso reibungs- und problemlos wie bei jedem anderen Fahrzeug mit Verbrennungsmotor. Nur mit dem Unterschied, dass der Mirai wesentlich umweltfreundlicher fährt. Vorausgesetzt der Wasserstoff wird aus erneuerbaren Energien hergestellt.

Foto: Autoren-Union Mobilität/Toyota

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