Die Last mit der Last wiegt in Zukunft schwerer

Michael Kirchberger, Autoren-Union Mobilität, nimmt die Reisemobile unter die Lupe



Die Deutschen kämpfen häufig mit Gewichtsproblemen. Was für wankende Gemüter die Leckereien aus der Weihnachtsbäckerei sind, ist die Komfortausstattung bei Reisemobilen.

Gegen den zusätzlichen Druck auf die Waage hilft Auflasten allein nicht, denn während die Fahrerlaubnis der älteren Generation noch das Führen von Fahrzeugen mit einem zulässigen Gesamtgewicht von bis zu 7,5 Tonnen erlaubt, ist für alle, die ihren Führerschein nach dem 1. Januar 1999 erworben haben, bei 3,5 Tonnen Schluss. Die Hersteller stehen nicht nur wegen des Wunsches nach mehr Elektromobilität vor einem Dilemma.

Satelliten-TV, ein großer Flachbildschirm, eine Markise und eine Klimaanlage fürs Basisfahrzeug sind die meistgewählten Optionen, die zusammen nicht nur mit rund 4500 Euro Aufpreis zu Buche schlagen, sondern das Mobil auch etwa 55 Kilogramm schwerer machen. Eine Anhängerkupplung? Gerne, die wiegt 25 Kilogramm. Ein Solarpanel bringt es auf 12 Kilo, eine zusätzliche AGM-Batterie mit 100 Ah auf 25 Kilogramm. Ganz versteckt lauert zusätzliche Last auch in den, von den Hersteller gerne als Technik-Paket bezeichneten Bündeln, die zum Beispiel den Beifahrerairbag, eine elektrische Parkbremse oder auch ein vollwertiges Reserverad umfassen. Beim einem Avanti L auf Fiat Ducato der Nobel-Manufaktur La Strada summiert sich das Gewicht dabei auf satte 78 Kilogramm.

Schwere Batzen sind auch die Klimaanlage für den Aufbau, die Luftfederung (beide jeweils 30 Kilogramm) oder eine Hubstützenanlage (wenigsten 75 Kilogramm). Bei Leergewichten um die 3000 Kilogramm (ohne die Zusatzausstattung) ist die Zuladung schon dann erschöpft, wenn zwei Camper einsteigen, deren Gewicht etwas oberhalb der als Durchschnitt angenommenen 75 Kilogramm liegt. Schon die Vorräte fürs Abendbrot lassen das Mobil über die Toleranzgrenze bei der Überladung klettern, wer Wasser- und Treibstofftank füllt, sich bei Töpfen und Tiegeln nicht zurückhält und gar noch Fertiggerichte aus dem Erascorant gebunkert hat, fährt zielstrebig in die Punkteränge.

Der Automobilclub von Deutschland weiß, wie teuer es im Einzelfall wird: Ab fünf Prozent Überladung werden 10 Euro fällig, ab zehn Prozent 30 Euro, ab 20 Prozent 95 Euro und ein Punkt in Flensburg, ab 25 Prozent 140 Euro und ab 30 Prozent 235 Euro und jeweils einen Punkt. Im Ausland sind die Strafen teils deutlich höher, einige Länder untersagen außerdem die Weiterfahrt eines überladenen Wohnmobils. Der Weg zur Waage lohnt also allemal, oft sind die Wiegeeinrichtungen bei städtischen Einrichtungen kostenfrei benutzbar. Und auch wer im Urlaub gerne und viel beim Winzer einkauft oder günstiges Steingut aus dem Süden mitbringen möchte, findet vielerorts öffentliche Waagen, die wie etwa in Sterzing in Südtirol für 50 Cent sogar einen Wiege-Nachweis ausdrucken.

Die Gewichtsgrenzen werden in Zukunft erheblich an Bedeutung gewinnen, Denn inwiefern Reisemobile mit Verbrennungsmotor noch zugelassen werden können, ist höchst unsicher. In Zusammenhang mit den ambitionierten Klimaziele der EU und anderer kann es zu Verboten kommen. Schon ab 2025 kommen etwa in Norwegen keine neuen Autos mit Verbrennungsmotor auf die Straßen, 2030 folgen unter anderem Dänemark Großbritannien, Irland und Schweden, von 2035 soll das Verbot auch in Deutschland gelten. 2040 droht ihnen dann in Frankreich und in Spanien das Aus. Auf der iberischen Halbinsel werden sogar noch strengere Maßnahmen befürchtet. Generell sollen dort konventionell motorisierte Fahrzeuge gänzlich vom Verkehr ausgeschlossen werden.

Elektromobilität wäre eine Lösung, aber das Gewichtsdilemma bremst solche Überlegungen. Zurzeit wiegt ein Akku, der eine Kapazität von 100 kWh hat, fast 800 Kilogramm. Für ein Reisemobil ist diese Last kaum tragbar, zumindest dann, wenn es unter der kritischen Grenze von 3,5 Tonnen zulässigem Gesamtgewicht bleiben soll. Eine zentnerschwere Batterie wäre nur dann zu realisieren, wenn die erlaubte Gesamtmasse des Fahrzeugs auf mehr als vier Tonnen angehoben wird. Der Branchenverband der Caravaning-Industrie, CIVD, strebt eine Gesetzesänderung durch die EU an, die 4,25 Tonnen schwere Freizeitfahrzeuge mit denen der 3,5-Tonnen-Klasse gleichstellt. Eine Entscheidung hierzu wird erst 2024 erwartet.

Über Preise darf man bei dieser Art des Antriebs allerdings nicht nachdenken. Bereits 2020 zeigte die Vertriebsgesellschaft WOF auf der Tourismus-Messe CMT den Iridium Camper, der mit einer Akkuladung 400 Kilometer weit kommen sollte. Der 4,8 Tonnen schwere Teilintegrierte wurde von einem Stuttgarter Unternehmen umgebaut, Kostenpunkt: stolze 197.900 Euro. Das war den Kunden zu viel, weil viermal teurer als ein vergleichbares Mobil mit konventionellem Antrieb. Es blieb beim Prototyp, aktuell wird das E-Mobil nicht mehr angeboten.

Eine Alternative stellen synthetisch hergestellte Kraftstoffe dar. Sie ließen sich in den nur leicht modifizierten, bisherigen Verbrennungsmotoren verwenden, sind allerdings noch im Versuchsstadium und noch zu teuer. Mit ihnen ließen sich auch die Hürden der Lade-Infrastruktur umschiffen, denn der Parkraum an den Ladestationen unterwegs ist für Wohnmobile nicht ausreichend. Das Fahrzeugheck würde selbst auf den großzügiger bemessenen Flächen auf Raststationen der Autobahnen weit in die angrenzende Fahrbahn ragen. Während die Ladezeiten mit der Wallbox auf dem heimischen Grundstück noch akzeptabel wären, stiegen sie am 230-Volt-Wechselstromanschluss eines Stell- oder Campingplatzes auf eine halbe Ewigkeit. Die hohen Kosten für die Errichtung einer Schnelladestation könnten wohl weder kleine Gemeinden noch private Stellplatzbetreiber stemmen.

Foto: Autoren-Union Mobilität/Michael Kirchberger

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