
Die  Thomas Rehbein Galerie freut sich, die neunte Einzelausstellung mit  Stephan Melzl anzukündigen, in der zwischen 2020 und 2022 entstandene  Werke zu sehen sind.
Auch diesmal offenbart sich durch die  sparsame Präsentation das beeindruckende Spektrum formaler und  inhaltlicher Spielarten des 1959 in Basel (CH) geborenen Künstlers,  dessen scharfsinnige und von subtilem Witz bestimmte Beobachtungen auf  die Bedingungen der Bildproduktion und -rezeption gerichtet sind. Jedes  einzelne, in einer aufwändigen malerischen Technik entstandene Werk  besticht als perfekt ausgeführte Fassade, deren makellose Wirkung jedoch  jenseits verführerischer Oberflächeneffekte eine vielschichtige  Dimension bildanalytischer Reflektion offenlegt. Zunächst mögen der  zarte Schmelz pudrig pastelliger Tonwerte und die intensive Leuchtkraft  der in zahlreichen Schichten lasierend aufgetragenen Farbe die  symbolhaft verdichteten Bildinhalte wie ein Schleier verhüllen.
Und  doch ist es gerade die pulsierende Ausstrahlung dieser feinen  koloristischen Valeurs, die das Augenmerk auf die bildinterne  Auseinandersetzung zwischen den Realitätsebenen, auf die spannungsvolle  Verschiebung zwischen Sein und Schein richtet. Denn Melzls Werke sind  trotz all ihrer lichten Schönheit und ihres hohen ästhetischen Anspruchs  brüchig. Im Kern „Bilder von Bildern“ und damit „Bilder über Bilder“,  erweisen sich seine pointiert angelegten Kompositionen als tiefgründige  Inszenierungen von Ausdrucks- bzw. Bildformen einer visuellen Kultur,  die sich zwischen dem klassischen kunsthistorischen Kanon und digitalen  Bildformaten bewegt. Daher tritt in seinen Werken häufig das Bild in  verschiedenen Varianten als zentrales Sujet auf, mal in direkter, mal in  indirekter Anspielung auf bekannte, erkennbare Vor-Bilder. Neben  Zitaten einschlägiger Ikonen der Kunstgeschichte, greift er auf visuelle  Manifestationen aus alltäglichen Kontexten zurück, wie Werbeanzeigen,  Plakate, Emojis, Bildschirmdarstellungen. Während Tutorial das Format  von YouTube-Videos – inklusive Play-Taste – direkt übernimmt, erweist  sich die Hommage an die Toteninsel als abstrahierte und in eine  großstädtische Szenerie versetzte Variante des gleichnamigen Gemäldes  von Arnold Böcklin.Die horizontalen und vertikalen Strukturen des  Originals werden abgewandelt, anstelle des flachen vorgelagerten  Gewässers und der steil aufragenden Felsformation, die einen Pinienhain  umschließt, treten ein hell erleuchtetes Schwimmbecken und sich  kulissenhaft in den Nachthimmel erhebende Hochhäuser auf, deren Konturen  sich stellenweise in einzelne rechteckige Felder, Spiegelungen auflösen  und vor denen ein einzelner, sehr schlanker Baum mit kugeliger Krone  das Rund des Vollmondes spiegelt. Während in Böcklins schwermütigem  Szenario ein einsamer Kahn mit einer aufrechtstehenden schneeweiß  verhüllten Gestalt auf die Insel zusteuert, steht in Melzls Hommage eine  knabenhafte Rückenfigur mit roter Badehose und Schwimmbrille am Fuße  des Beckenrandes.
Auch in Der Schrei Reloaded nimmt Melzl die zeitgenössische Interpretation eines Bildklassikers vor und  kommentiert seine Banalisierung im digitalen Zeitalter. Auf ein  überdimensioniertes Smartphone-Format übertragen, besetzt das berühmte  Gemälde von Edvard Munch die prominente Stelle über dem Kamin –  Projektionsfläche bürgerlicher Ideale, zu denen die Zurschaustellung von  Kunst zählt. Allerdings erscheint das Motiv stark reduziert und beinahe  zum Piktogramm verkommen, seine konkret materielle Existenz bleibt  unbestimmt: Fernsehbild, ephemere Spiegelung oder gar klassische  Ölmalerei? Mitunter können die charakteristischen Merkmale – die  krampfhaft gegen den Kopf gepressten Hände und der angstvoll  aufgerissenen Mund – als bloßer Licht und Schatteneffekt, als optische  Erscheinung gesehen werden. Die Frage nach dem Verfremdungs- und  (Vor-)Täuschungscharakter von Bildern wird bei Melzl zum vordringlichen,  stets ironisch gebrochenen Thema.
Durch die Überlagerung  malerischer Schichten und die Verschränkung von flächigen und  räumlich-illusionistisch ausgearbeiteten Bildpartien vollzieht Melzl  Sprünge zwischen den Bildebenen und Realitäten. In Beauty Resort trifft  die Pose eines Models auf einer Plakat-Hauswand auf den Kontrapost einer  antiken Statue. Die Realität eines Plakats, welches ein Schönheitsideal  vermittelt, trifft auf die Realität von zwei weiblichen Figuren mit  kindlichen Gesichtszügen, die sich in parallel angeordneten Badewannen  der Vision eines optimierten Selbstbildes hingeben.
Besonders  geschmeidig vollzieht sich die Umdeutung eines Bildtopos, im Portrait  des Christophorus. Die traditionellen Bildrequisiten und Attribute fügen  sich hier zu einer einfachen, in ihrer bestechenden Klarheit komischen  Formel. So trägt die sich lässig auf einer Brüstung abstützende, dem  Betrachter frontal zugewandte bärtige Gestalt des Heiligen den Körper  des – in der Legende – geschulterten und schwerwiegenden Jesuskindes als  lose baumelnde Gliederpuppe auf seinem T-Shirt. Ein Kinderkopf  erscheint versetzt hinter seiner rechten Schulter und eine kleine Hand  umfasst seine linke Schulter. Hier verschmelzen zwei Bildrealitäten: Zum  einen die Realität des mit einem kurzärmligen Hemd bekleideten Mannes,  des Protagonisten in Melzls Bild, der auf dem Rücken ein Kind trägt. Zum  anderen die Realität des Bildes auf der Brust, also des Stoffaufdrucks,  welchessich aber – vor dem Hintergrund der Erzählung –in narrativer  Schlüssigkeit mit dem Kinderkopf verbindet und diesem zugehörig  erscheint. Zugleich setzt der Rumpf am Halsausschnitt des Shirts an, so  dass ebenfalls der herausragende Kopf des Mannes an die Leerstelle tritt  und das Körper -„Bild“ auf dem Shirt ergänzt. In solchen spielerischen  Verwandlungsmomenten fließen Trug- und Traumbilder ineinander. Innere  und äußere Bilder kommen gleichberechtigt zum Vorschein und vermischen  sich in sanften Übergängen zwischen den Ebenen des Bildraumes – und im  erweiterten Sinne, des Bewusstseins. Mit den einsetzenden Verschiebungen  der Wahrnehmung bleibt die Frage nach der bildeigenen Wirklichkeit  unbeantwortet.
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Text: Bettina Hais, 2022
Bild: Der Schrei reloaded, 2021 / Interstellar, 2017 (c) Stephan Mezl & Galerie Thomas Rehbein
STEPHAN MELZL - Einzelausstellung
... in der Thomas Rehbein Galerie
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