DIE TEUFEL VON LOUDUN

Ein musikalisch bewegendes Drama über religiösen Wahnsinn und Toleranz und Intoleranz



(von Josef Scheppach) Eine grandiose Oper präsentieren die Münchner Opernfestspiele. Die Teufel von Loudun -  von Krzysztof Penderecki (1933–2020). Premiere: 27. Juni im Nationaltheater.

Die in der Oper erzählte Geschichte geht auf historische Vorgänge in den frühen1630er Jahren zurück. Die kleine französische Stadt Loudun war in den Jahren 1633-64 Schauplatz von Vorfällen, die in ganz Europa Aufsehen erregten, in einer Mischung aus religiös eiferndem Abscheu und voyeuristischer Genauigkeit von den Zeitgenossen verfolgt und umfänglich dokumentiert wurden.

Urbain Grandier, der Ortsgeistliche von Loudun, wurde 1633 beschuldigt, die Nonnen des gerade neugegründeten Ursulinenklosters, allen voran die Priorin Jeanne, verhext zu haben. Unter der Folter bereute er zwar seinen lockeren Lebenswandel – er hatte Verhältnisse mit zwei Frauen, von denen eine ein Kind von ihm erwartete – weigerte sich aber standhaft trotz vorgelegter „Beweise“, ein Geständnis über sein Teufelswerk abzulegen. Im Sommer 1634 wurde er auf dem Scheiterhaufen verbrannt.

Der seit seiner Science-Fiction-Dystopie "Schöne neue Welt" weltbekannte Schriftsteller Aldous Huxley verarbeitete diese Ereignisse 1952 zu einem dokumentarischen Roman.

Doch es geht in dieser Oper nicht nur um religiösen Wahnsinn und Hexenhysterie. Krzysztof Penderecki machte aus einer später entstandenen Schauspiel-Version eine Oper, die ihresgleichen sucht.Für Penderecki sind "Die Teufel von Loudun" ein Stück über Toleranz und Intoleranz.  Die Geschichte zielt indirekt auch auf den virulenten Totalitarismus um die Mitte des 20. Jahrhunderts. DerTerror der Nationalsozialisten lag erst einige Jahre zurück, und die Auswirkungen des Stalinismus waren zu jener Zeit in Polen noch allgegenwärtig. „Dem Teufel ist nicht zu glauben, wenn er auch die Wahrheit spricht“ – nicht zufällig hat Penderecki diese Worte des heiligen Johannes Chrysostomus seiner Partitur vorangestellt.

MUSIKALISCHER KOSMOS

Musikalisch wie inhaltlich gibt es deutliche Parallelen zwischen den Teufeln von Loudun und der drei Jahre zuvor entstandenen Lukas-Passion. Ist es dort die Leidensgeschichte Christi, so steht in derOper die gewissenlose Kampagne gegen den Priester im Vordergrund,der zuletzt unschuldig sterben muss. Was die Musik angeht, arbeitet Penderecki zwar mit ähnlichen Mitteln wie in dem früheren Oratorium, doch setzt er sie deutlich sparsamer ein, nicht zuletzt,um die Textverständlichkeit zu gewährleisten. Er verlangt ein großes Orchester, lässt es aber nur selten im Tutti erklingen.

Viel intensiver arbeitet er mit Kombinationen einzelner Instrumentengruppen inzuweilen geradezu minimalistischen Klangbildern. Jede der meist sehr kurzen Szenen ist atmosphärisch äußerst dicht, die individuelle Zeichnung der Charaktere gelingt dem Komponisten oft mit wenigen ausdrucksstarken musikalischen Gesten. Höhepunkte der Partitur sind jedoch die Kloster- und Kirchenszenen. Hier wartet Penderecki mit seinem ganzen Repertoire an neuen klanglichen Mitteln auf Klangbänder, die sich im Raum bewegen, massive Clusterbildungen,insistierende Rhythmen, eindringliche Anrufungen und mittelalterliche Psalmodien. Dies alles amalgamiert der Komponist zu einem musikalischen Kosmos von starker innerer Dramatik und emotionaler Tiefe. Damit avancierte Penderecki zur Entstehungszeit dieses Musikdramas zu einem der führenden Opernkomponisten seiner Zeit.

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Foto: Szene aus `Die Teufel von Loudun´, W. Hoesl

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