Walter  Linderer und John W. Hetrick sind sich wahrscheinlich nie begegnet und  ihre Namen sind heute weitgehend vergessen. Doch die beiden Tüftler aus  Deutschland und den USA ließen sich Anfang der 1950er Jahre eine Technik  patentieren, die sich heute als eine der wichtigsten  Sicherheitseinrichtungen in Automobilen bewährt. 
Linderer  erhielt im Oktober 1951 ein Patent für seine „Einrichtung zum Schutze  von in Fahrzeugen befindlichen Personen gegen Verletzungen bei  Zusammenstößen“. In den USA sicherte sich Hetrick zwei Jahre später ein  ähnliches Patent. Die beiden hatten nichts anderes als den Airbag  erfunden – allerdings fehlten der Idee damals die technischen  Voraussetzungen, um ihre lebensrettende Wirkung zu entfalten.
Die  Urmodelle der aktuellen Airbags wurden viel zu langsam durch Pressluft  aufgeblasen, und außerdem fehlte damals die moderne Sensorik, um die  lebensrettenden Luftsäcke bei einem Unfall reagieren zu lassen. Erst  1981 kam mit der damaligen S-Klasse von Mercedes (gegen Aufpreis) das  erste deutsche Modell mit Fahrer-Airbag auf den Markt, bei dem  Pyrotechnik den Luftsack auslöste. Der Beifahrer musste sich damals noch  mit einem Gurtstraffer begnügen. Heute helfen die unsichtbar montierten  Lebensretter in allen Klassen, das Risiko von schwersten und tödlichen  Verletzungen zu reduzieren.
Inzwischen hat sich die Zahl der  Airbags im Auto vervielfacht. Sie befinden sich vor dem Knie, im Dach,  an der Seite und wo immer die Entwickler einen Platz finden, um die  Unfallfolgen zu verringern. In Zukunft wird die Elektromobilität, die  Entwicklung zum autonomen Fahren die Spezialisten und die sich weltweit  ändernden Vorschriften vor neue Herausforderungen stellen. Einer der  weltweiten Marktführer mit einer Jahresproduktion von rund 78 Millionen  Airbags ist ZF mit seinem Entwicklungszentrum im schwäbischen Alfdorf.  „Es gibt rund um den Globus Regulatoren, die ständig darüber nachdenken,  wie die Zahl der Verkehrsopfer reduziert werden können“, erklärt Dirk  Schultz, bei ZF globaler Entwicklungsleiter Airbags und Gasgeneratoren.  „Die sorgen dafür, dass uns die Arbeit nicht ausgeht.“
Außerdem  fordern die Ergebnisse der Unfallanalysten immer wieder neue Lösungen,  auf die in den Entwicklungsabteilungen reagiert werden muss. So wurde  zum Beispiel nach den Analysen der Unfallforscher der Centerairbag  zwischen Fahrer und Beifahrer entwickelt, um den Kontakt der  Vornesitzenden bei einem Seitenaufprall zu verhindern. „Um die volle  Punktzahl beim Euro-NCAP-Test zu erreichen, musste dieser Airbag an Bord  sein. Diese sehr kurzfristig eingeführte Änderung konnten wir auch  deshalb schnell erfüllen, weil unsere eigenen Safety-Experten sich mit  diesen Unfalltypen beschäftigt hatten“, blickt Schultz zurück. Ähnliche  Konzepte gibt es auch für Rückbank. „Wir reagieren aber nicht nur auf  neue Vorschriften, sondern arbeiten auch proaktiv an neuen Lösungen und  bieten sie den Automobilherstellern an.“
Bei ZF arbeiten in der  Division R mehr als 3000 Ingenieure an der Entwicklung neuer  Rückhaltesysteme und -komponenten, „denn wir müssen als innovativer  Lieferant immer einen Schritt voraus sein. Unsere Produkte unterliegen  einer ständigen Evolution durch Gesetzgeber, Verbraucherschützer und den  Wünschen unserer Kunden,“ erklärt Schultz. So entwickelten die  ZF-Ingenieure zum Beispiel schon vor geraumer Zeit einen neuartigen  Beifahrer-Airbag für den Citroën Cactus, der wegen der Gestaltung des  Innenraums auf der Beifahrerseite im Dach platziert werden musste. In  diesem Jahr wird nun schon die dritte Generation dieser sogenannten  Bag-in-Roof Airbags sowohl in Europa als auch in China in den Markt  eingeführt. „Unsere Airbags sind alle maßgeschneidert für das jeweilige  Modell, wobei unsere Baukästen-Lösungen die Basis sind, die dann wie ein  Maßanzug angepasst werden.“
Auch der Übergang zur  Elektromobilität und die Entwicklung des autonomen Fahrens stellt die  Airbag-Spezialisten vor neue Aufgaben. Die Batterien im Wagenboden  verändern das Verformungsverhalten des Fahrzeugs, vor allem bei einem  Seitenaufprall. Deshalb müssen die Airbags und die Rückhaltesysteme  entsprechend neu ausgelegt werden. „Wir brauchen bei der E-Mobilität  mehr Rückhaltesystem-Performance im Auto“, blickt Schultz in die  Zukunft. Gleichzeitig gerät auch das Thema Nachhaltigkeit in den Fokus.  „Wir wollen den CO2-Fußabdruck unserer Produkte ständig verbessern,  indem wir zum Beispiel Rezyklate oder Bio-Polymere einsetzen, ohne die  Sicherheit zu beeinträchtigen. Man könnte heute schon zum Beispiel aus  Zuckerrohrabfällen Gewebe herstellen“, so Schultz.
In Zukunft  werden sich die Innenräume deutlich verändern, wenn die Cockpits fast  ausschließlich aus Bildschirmen bestehen und die Innenräume vollkommen  neu konzipiert werden, wenn das autonome Fahren kommt. Die ZF-Experten  müssen dann neue Plätze für ihre Airbags finden. Wenn sich in Zukunft  die Sitze für Fahrer und Passagiere frei im Innenraum bewegen und eine  entspannte Körperhaltung ermöglichen, müssen die Airbags vollkommen neu  platziert werden, die Sensorik entsprechend angepasst sein und in die  Sitze integriert werden, um auf den Crash reagieren zu können. Der  Airbag der Zukunft wird sich zu einer Art Kokon entwickeln, der sich bei  einem Unfall um den Menschen im Sitz entfaltet. Dazu gehört auch eine  aktive Rampe im Sitzkissen in Verbindung mit einem Fußairbag unter dem  Teppichboden und einem Knieairbag, um den Beckenbereich zurückzuhalten.  (aum/Walther Wuttke)
Foto: Autoren-Union Mobilität/ZF
Airbags – die versteckten Lebensretter
Walter Linderer und John W. Hetrick - wer ist das?
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