
Bei  der Frage, ob es sich bei einem Fahrzeug um einen Neuwagen handelt oder  nicht, kommt es zwischen Verkäufer und Käufer mitunter zu  Unstimmigkeiten. Denn es bestehen vielfach erhebliche Differenzen, was  die Definition des Begriffs „Neuwagen“ anbetrifft. Dabei kann es von  großer Bedeutung in Bezug auf Gewährleistung und Garantie sein, ob ein  Fahrzeug als neu gilt oder nicht. 
Der Bundesgerichtshof (BGH)  hat jüngst in einer Entscheidung (VIII ZR 227/02) festgelegt, wann ein  Kraftfahrzeug noch fabrikneu ist.
In seinem Urteil präzisierte  der unter anderem für das Kaufrecht zuständige VIII. Zivilsenat des  Bundesgerichtshofs, dass ein unbenutztes Kraftfahrzeug regelmäßig noch  „fabrikneu“ ist, wenn und solange das Modell dieses Fahrzeugs  unverändert weitergebaut wird, wenn es keine durch längere Standzeit  bedingten Mängel aufweist und wenn zwischen der Herstellung des  Fahrzeugs und dem Abschluss des Kaufvertrages nicht mehr als zwölf  Monate liegen.
Hintergrund des aktuellen Urteils ist ein Fall,  bei dem der Kläger bei der Beklagten, einem Autohaus, Ende Juni 2000  einen Pkw bestellte. Das von der Beklagten verwendete  Kaufvertragsformular enthielt die Angabe „verbindliche Bestellung neuer  Kraftfahrzeuge“, wie der BGH berichtet. Anfang August 2000 wurde dem  Kläger dann ein Fahrzeug des von ihm bestellten Modells übergeben, das  am 30. November 1998 hergestellt worden war. Dieses Modell wurde seit  November 1998 bis zum Kauf unverändert weitergebaut. Daraufhin verlangte  der Kläger die Rückabwicklung des Kaufvertrages, weil aus seiner Sicht  das Fahrzeug wegen seines Alters, entgegen der Zusicherung im  Kaufvertrag, nicht mehr „fabrikneu“ war.
Dieser Klage gab das  Oberlandesgericht (OLG) statt und vertrat dabei die Auffassung, ein  unbenutztes Fahrzeug, dessen Herstellung bei Kaufvertragsschluss 19  Monate zurückliege, könne auch dann im Sinne der Rechtsprechung des BGH  nicht mehr als „fabrikneu“ gelten, wenn das Modell des Fahrzeuges  unverändert weitergebaut werde und es keine durch die Standzeit  bedingten Mängel aufweise. Die Frage, ab welchem Zeitraum zwischen  Herstellung und Kaufvertragsschluss oder Auslieferung ein Fahrzeug in  diesem Sinne nicht mehr „fabrikneu“ sei, werde in der Rechtsprechung der  Oberlandesgerichte bislang uneinheitlich beantwortet, kommentierten die  Obersten Richter. Demnach soll es in der Rechtsprechung der OLG zur  Fabrikneuheit bislang Fristen zwischen acht und 30 Monaten gegeben  haben. Deshalb wollte der BGH hier endlich für eine einheitliche  Rechtsprechung sorgen.
In der Urteilsbegründung weist der  Bundesgerichtshof darauf hin, dass die Lagerdauer eines Kraftfahrzeugs  ein wesentlicher Gesichtspunkt für dessen Wertschätzung sei. Sprich:  Eine lange Standdauer ist für einen Neuwagenkäufer ein wertmindernder  Faktor. Jedes Kraftfahrzeug unterliege einem Alterungsprozess, der mit  dem Verlassen des Herstellungsbetriebes einsetze, argumentieren die  Richter. Denn grundsätzlich verschlechtere sich der Zustand des  Fahrzeugs durch Zeitablauf aufgrund von Materialermüdung, Oxidation und  anderen physikalischen Veränderungen. Selbst eine Aufbewahrung unter  optimalen Bedingungen vermag diesen Alterungsprozess aus Sicht des BGH  nur zu verlangsamen, aber nicht zu verhindern. Daraus leitet der  Bundesgerichtshof ab, dass im Regelfall eine Lagerzeit von mehr als  zwölf Monaten die Fabrikneuheit eines Neuwagens beseitige.
Wie  der Auto Club Europa (ACE) erläutert, ist ein Auto nach der  Rechtsprechung auch dann kein Neuwagen mehr, wenn der Hersteller bis zum  Kaufzeitpunkt wesentliche Veränderungen an der Ausstattung und der  Fahrzeugkonfiguration dieser Modellreihe vorgenommen hat: etwa wenn in  das ansonsten identische Modell bei aktuell gefertigten Fahrzeugen ein  größerer Tank eingebaut wird. Demnach sind Gebrauchsspuren wie Kratzer,  kleinere Dellen und Abschürfungen weitere Gründe, warum ein Auto nicht  mehr als Neuwagen anzusehen ist. Ein Ausstellungsfahrzeug ist danach  ebenfalls kein Neuwagen, da es zu Ausstellungszwecken genutzt wurde und  entsprechend von Interessenten angefasst und „probegesessen“ werden  konnte.
Dagegen kann ein Neuwagen durchaus bis zu zehn Kilometer  auf dem Tacho haben. Denn Fahrzeuge mit einem Tachowert von Null gebe es  nur dann, wenn der Tacho entweder zurückgesetzt wurde oder erst bei der  Auslieferungsinspektion des Autohauses aktiviert wurde, heißt es zur  Begründung. Doch jedes Fahrzeug wird bis zur Auslieferung eine gewisse  Strecke bewegt, sei es bei der Verladung oder bei letzten Kontrollen.
Grundsätzlich  wird ein Auto schon zu einem Gebrauchtwagen, sobald es einmal  zugelassen wurde und somit einen Vorbesitzer hat. Auch Vorführwagen  dürfen deshalb nicht als Neuwagen angeboten werden, wie der ACE betont,  weil sie bereits auf einen Händler zugelassen und in der Regel für  Probefahrten von Kunden genutzt wurden. Daher gilt: War ein fabrikneues  Fahrzeug bereits auf einen Händler angemeldet und der Tacho zeigt mehr  als zehn Kilometer an, handelt es sich um einen Vorführwagen.
Dagegen  spricht man von einer sogenannten Tageszulassung, wenn ein Fahrzeug mit  einem Kilometerstand von weniger als zehn nur für einen oder wenige  Tage auf einen Händler zugelassen war. Ein solches Fahrzeug mit  Tageszulassung hat zwar streng genommen einen Vorbesitzer, gilt in der  Regel jedoch als Neufahrzeug – vorausgesetzt es ist frei von Mängeln und  zwischen Zulassung und Verkauf liegen höchstens zwölf Monate. Doch der  ACE warnt: Eine Tageszulassung kann – je nach Hersteller – Auswirkungen  auf die Laufzeit der Neuwagengarantie haben. Vergehen nach der  Tageszulassung Monate bis zum Verkauf, kann die Garantiefrist um diesen  Zeitraum verkürzt sein.
Gewährleistungspflichten sind auch ein  wesentlicher Grund für die Bedeutung des Begriffs „fabrikneu“. Hierbei  geht es nicht nur darum, dass ein Käufer, der wie im Fall des  BGH-Urteils mehr als 50.000 Euro für seinen „Neuwagen“ ausgibt,  verständlicherweise auch ein neues Fahrzeug bekommen will. Vielmehr ist  die Einstufung als „fabrikneu“ von erheblicher Bedeutung für die  Laufzeit der Herstellergarantie sowie für die gesetzliche  Gewährleistung. Denn die Gewährleistungsfrist bei einem Neuwagen beträgt  zwei Jahre, während sie bei einem Gebrauchtwagen auf ein Jahr verkürzt  werden kann. Da lohnt es sich schon, beim Autokauf genau hinzuschauen.
Quelle: GOSLAR INSTITUT
Neu oder doch nicht?
BGH klärt, wann ein Auto ein Neuwagen ist und wann nicht mehr
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