Nachhaltige Schadenregulierung

Autofahrer plädieren zunehmend dafür



Das Schadenmanagement von Versicherungen könnte nach Einschätzung vieler Kunden von Kfz-Versicherern erheblich nachhaltiger sein. Zu diesem Ergebnis kommt eine aktuelle Studie der Beratungsfirma hnw consulting.


Danach sollen inzwischen deutlich mehr Versicherte bereit sein, bei einer Reparatur ihres Fahrzeugs gebrauchte Ersatzteile zu akzeptieren – vorausgesetzt diese weisen in puncto Sicherheit und Optik keine Nachteile im Vergleich mit Originalteilen auf. Doch dieser Nachhaltigkeitsgedanke wird sich so lange nicht realisieren lassen, wie Autohersteller von einem Quasi-Monopol Gebrauch machen können, das ihnen der sogenannte Designschutz sichert, kritisieren Marktbeobachter. Dabei sollte Nachhaltigkeit im Sinne von Schutz der Ressourcen auch bei Automobilen und deren Reparaturen das Gebot der Stunde sein.

Er kam in den vergangenen Jahren immer früher: der sogenannte Earth Overshoot Day, jener Tag, an dem die Menschheit alle natürlichen Ressourcen, die die Erde innerhalb eines Jahres zur Verfügung stellen kann, aufgebraucht hat. In diesem Jahr fiel der Erdüberlastungstag bereits auf den 2. August. Er kam damit etwas später als ein Jahr zuvor, 2022 war es der 28. Juli. Doch Grund zum Feiern sehen Umwelt-, Natur- und Klimaschützer deshalb nicht. Denn die Verschiebung des Datums soll größtenteils auf einer Optimierung der Berechnung durch verbesserte Datensätze basieren. Wären 2022 dieselben Datensätze verwendet worden wie 2023, wäre der Earth Overshoot Day 2022 demnach auf den 1. August gefallen.

Der Welterschöpfungstag, dessen Datum seit 1961 vom Global Footprint Network nach unserem ökologischen Fußabdruck auf Basis von offiziellen UN-Daten errechnet wird, besagt somit, dass wir mehr Ressourcen verbrauchen, als das Ökosystem der Erde innerhalb eines ganzen Jahres bereitzustellen in der Lage ist. Wir leben somit ab dem Earth Overshoot Day auf Pump, als stünde uns mehr als eine Erde zur Verfügung. So, wie wir uns heute verhalten, bräuchten wir nach Berechnungen der Welthungerhilfe nicht nur eine Erde, sondern 1,7 Erden.

Daraus folgt: Nachhaltigkeit ist angesagt! Und zwar im Sinne der „UN-Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung“, die als nachhaltig unter anderem einen verantwortungsbewussten Umgang mit Ressourcen definiert. Gefragt ist demnach eine schonende und effiziente Ressourcennutzung. Dazu gehört ebenfalls die Wiederverwendung noch nutzbarer Produkte oder Ersatzteile. Ein solcher sogenannter Re-Use schont nämlich nicht nur Ressourcen, sondern reduziert auch das Abfallaufkommen, spart CO2 und Geld, wie Umweltexperten betonen. Nicht zuletzt deshalb strebt die Bundesregierung, in Übereinstimmung mit der EU, ein verstärktes Recht auf Reparatur an.

Erst im vergangenen November stimmte das EU-Parlament für ein sogenanntes „Recht auf Reparatur“. Mit ihrem Vorschlag hierzu will die EU-Kommission der Wegwerfgesellschaft generell den Kampf ansagen, will den Verbrauchern das Recht verschaffen, Waren künftig einfacher und kostengünstiger reparieren zu lassen, statt sie ersetzen zu müssen. Denn „Reparatur ist ein entscheidender Faktor, wenn es darum geht, das Modell der Wegwerfgesellschaft ad acta zu legen, das für unseren Planeten, unsere Gesundheit und unsere Wirtschaft so schädlich ist“, argumentiert für die Brüsseler Behörde Frans Timmermans, bis August 2023 geschäftsführender Vizepräsident und Kommissar für Klimaschutz in der EU-Kommission. Zu dieser Strategie gehört demnach, die Garantiezeiten von Geräten zu verlängern sowie dafür zu sorgen, dass Reparaturen günstiger und Ersatzteile leichter verfügbar werden.

Reparieren mit gebrauchten statt mit neuen Teilen ist, laut der Untersuchung von hnw consulting, auch durchaus im Sinne vieler Kfz-Versicherungskunden. Reparatur statt Austausch, so stellen sich demnach immer mehr Versicherte eine nachhaltige Schadenregulierung vor. In der aktuellen Studie gab dann auch die Mehrheit der befragten Autobesitzer an, sich grundsätzlich vorstellen zu können, ihr Fahrzeug mit gebrauchten Ersatzteilen statt mit neuen Originalteilen wieder instand setzen zu lassen. Allerdings mit der bedeutsamen Einschränkung, dass die Gebrauchtteile sicherheitstechnisch und optisch keine Defizite haben dürfen.

Die Bereitschaft der Kfz-Versicherungsnehmer, bei der Reparatur ihres Fahrzeugs gebrauchte Teile zu akzeptieren, ist nach der neuen Studie im Vergleich zu früher deutlich gestiegen. Nunmehr stimmen jeweils rund 55 Prozent der für die Untersuchung Befragten für gebrauchte Seitenteile und gebrauchte Heckklappen, bei aufbereiteten Felgen sind es knapp 60 Prozent, wie der Versicherungsmonitor berichtet. Dabei legten bei allen drei Teilearten die Zustimmungswerte mit steigendem Fahrzeugalter zu.

Noch aufgeschlossener sind Kunden laut der Studie, was die Reparatur defekter Teile statt eines Austauschs betrifft: Eine Steinschlagreparatur statt einer neuen Scheibe können sich mehr als 70 Prozent vorstellen, wie der Versicherungsmonitor erläutert. Das Ausbeulen einer Tür statt des Einbaus einer neuen würden demnach sogar mehr als 73 Prozent billigen. Auffällig dabei ist nach Einschätzung von Experten, dass selbst bei relativ jungen Fahrzeugen die Zustimmungswerte nur unwesentlich geringer ausfallen.

Nachhaltigkeit bei der Regulierung von Versicherungsschäden gewinnt für die Branche somit nicht nur wegen der Nachhaltigkeitsansprüche ihrer Kunden an Bedeutung. Auch die stetig steigenden Reparaturkosten aufgrund immer teurer werdender Originalersatzteile setzt den Versicherungsunternehmen zu – ein Trend, den die Versicherungskunden in Form von steigenden Tarifen zu spüren bekommen. Insofern ist die Bereitschaft zu nachhaltiger Schadenregulierung bei Versicherungsunternehmen wie Versicherungsnehmern nicht überraschend. Denn es gibt ja auch eine wirtschaftliche Nachhaltigkeit. Und die ist angesichts immer weiter steigender Reparaturkosten für die Kfz-Versicherer immer schwieriger zu realisieren.

Solange jedoch die Kfz-Hersteller auf dem sogenannten Designschutz beharren (dürfen), der verhindert, dass kostengünstigere Ersatzteile von Drittanbietern verwendet werden können, wird es der Versicherungsbranche schwerfallen, jegliche Form von Nachhaltigkeit zu erreichen – sei es nun im Sinne von Ressourcenschonung oder von auskömmlicher Tarifgestaltung. Insofern wirkt sich der Designschutz ebenfalls zum Nachteil der Verbraucher aus.

Quelle: GOSLAR INSTITUT

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