
Spitze  ist zart und fragil, sie legt sich wie ein Netz auf die Haut. Die  feinteilige Struktur und die Balance zwischen freier und bearbeiteter  Fläche fordert unser Auge, genau hinzuschauen – das gilt sowohl für das  feine Gewebe als auch für seine fotografische Darstellung.
Die  Ausstellung „Fragile Schönheiten. Spitze in Mode und Fotografie“ im  Museum für Kunst und Gewerbe Hamburg (MK&G) wirft ein Schlaglicht  auf das Thema Spitze und zeigt beispielhaft Werke aus der Sammlung,  darunter Arbeiten aus den 1910er und 1920er Jahren unter anderem von der  herausragenden deutschen Klöppelkünstlerin Leni Matthaei und der  bekannten Fotografin Madame d’Ora.
Die Ausstellung verfolgt einen  assoziativen Ansatz, dieser findet sich auch im umfassenden Werk von  Madame d’Ora (1881–1963) wieder: Als angesagte Modefotografin im Wien  des beginnenden 20. Jahrhunderts lichtete sie Repräsentantinnen des  ausgehenden Kaiserreichs Österreich-Ungarn in delikater Spitze ab.  Motivisch vergleichbare Gewebe und Netzstrukturen entdeckte sie in den  Pariser Schlachthöfen und nannte die Fotografien von tierischen  Überresten fast zärtlich „La Dentelle“ – „die Spitze“. Von diesem  visuellen Widerspruch ausgehend blickt die Ausstellung in die Schubladen  der Sammlungen Textil und Fotografie des MK&G.
Mit seinen  Ursprüngen, die bis ins 16. Jahrhundert zurückreichen, hat sich das  Klöppelhandwerk in die Geschichte des Kunstgewerbes eingeschrieben und  ein Vermächtnis voller Schönheit hinterlassen. Der Reiz geklöppelter  Spitze liegt in ihren komplexen Mustern und zarten Motiven sowie der  ausgefeilten Technik: Mit sorgfältig choreografiertem Drehen und Kreuzen  der Klöppelnadeln werden Schläge in das Gewebe eingearbeitet. Von den  eleganten Kurven floraler Muster bis zur geometrischen Präzision  komplizierter Gitterwerke verweben sich die Fäden zu faszinierendem  Garngeflecht. In einer Welt, die von Technologie und Massenproduktion  dominiert wird, ist Klöppelspitze ein Sinnbild für die dauerhafte Kraft  hochwertiger Handwerkskunst.
Eine der wenigen bekannten  Spitzenentwerferinnen und Klöppelkünstlerinnen war Leni Matthaei  (1873–1981). Ermutigt durch den Gründungsdirektor des Museums für Kunst  und Gewerbe Hamburg Justus Brinckmann, dem sie ihre Entwürfe zeigte,  erlernte sie um 1907 das Klöppelhandwerk an der Ecole de Dentelles et  Broderie Paris. In der Sammlung des MK&G befinden sich rund 80  Arbeiten von Leni Matthaei.
In der Zusammenschau der Klöppelkunst  mit Fotografien des 19. bis Mitte des 20. Jahrhunderts aus der Sammlung  – unter anderem von Imre von Santho (1895–1957), Constant Puyo  (1857–1933), David Octavius Hill (1802–1870) und Arthur Benda  (1885–1969) – wird Spitze als außergewöhnliches Kunsthandwerk und als  Mittel der fotografischen Inszenierung vorgestellt. Häufig wird die  Spitze in ihrer Zerbrechlichkeit als Sinnbild für die Verletzlichkeit  des menschlichen Körpers eingesetzt.
Museum für Kunst und Gewerbe Hamburg
Steintorplatz
20099 Hamburg
Foto: Imre von Santho (1895–1957), Eleganter Hut mit Schleier, um 1936, Museum für Kunst und Gewerbe Hamburg
Fragile Schönheiten. Spitze in Mode und Fotografie
Die neue Ausstellung im MK&G beleuchtet ein besonderes Gewebe
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