Zwischen Selfcare und Kippenpause

Wie gesund lebt die Gen Z wirklich?



Sie leben vegan, tracken ihre Schritte, posten Yoga-Routinen und reden offen über Mental Health. Die Generation Z ist so gesund wie keine ihrer Vorgänger – so scheint es zumindest. Denn aktuelle Zahlen legen einen überraschenden Kontrast offen: Klassisches Rauchen erlebt unter jungen Erwachsenen ein Comeback. Wie passt das zusammen? Experte Markus Lindblad zeigt auf, was dahinter steckt, wie unterschiedlich die Generationen qualmen und warum die Gen Z laut aktueller Umfrage am ehesten gewillt ist, auf rauchfreie Alternativenumzusteigen.

Rauchen fordert jährlich 127.000 Tote in Deutschland.  Das entspricht fast 350 Todesfällen pro Tag. Die Risiken und Folgen des Tabakkonsums sind bekannt. Trotzdem gibt es einebestimmte Gruppe, bei der sich ein unerwartetes Comeback abzeichnet: Die Generation Z. Eine aktuelle Studie zeigt:Fast die Hälfte der 18-24-Jährigen raucht  –Tendenz steigend.In den letzten zehn Jahren hat sich die Anzahl der jugendlichen Tabakgenießer verdoppelt. „Ein eher ambivalentes Bild, wenn man die Generation und ihre Trends als Ganzes betrachtet“, findet Markus Lindblad, Experte für Nikotinersatzprodukte und Deutschlandsprecher des Online Händlers Haypp. Denn während Clean-Eating, Nachhaltigkeit und Achtsamkeit zentrale Werte sind, die das Leben junger Erwachsene prägen,  wird der Glimmstängel besonders bei den 18-30-Jährigen wieder zum alltäglichen Begleiter. 

Ständiger Druck treibt junge Erwachsene zur  Zigarette


Mit 10.000 Schritten am Tag, Meditation per App oder öffentliche Diskurse über mentale Gesundheit ist die Generation Z definitivselbst- und umweltbewusst. Warum gerade die Gruppe, die sichso stark mit dem Ideal eines ausgewogenen Lifestyles identifiziert, auf einen der größten Laster, die Zigarette, zurückgreift, erklären Soziologen und Generationenforscher mit einem komplexen Mix aus innerem Druck, gesellschaftlicher Unsicherheit und kulturellem Wandel. „Man sieht bei der Gen Z ein hohes Bedürfnis nach Kontrolle, Selbstoptimierung und Anerkennung“, erklärt Lindblad. „Doch genau dieser permanente Anspruch kann überfordern“. Viele junge Menschen verbinden mit Gesundheit vor allem Sichtbarkeit: Ernährung, Fitness und Achtsamkeit werden öffentlich inszeniert und über soziale Medien geteilt. Gleichzeitig entstehen genau dadurch auch neue Stressoren, etwa durch den Druck, ständig reflektiert und leistungsbereit zu sein.„Rauchen ist in diesem Kontext keine klassische Rebellion oder Ignoranz, wie es vielleicht früher der Fall war“, erläutert Markus Lindblad weiter. Eher wird die Kippe instrumentalisiert:als Pausevom Alltag, als emotionales Ventil gegen Einsamkeit oder Überforderung,oder auch als soziales Bindeglied.Wer ständig daran arbeitet, besser zu funktionieren, fällt in Momenten der Erschöpfung nicht selten in vertraute Muster zurück.

Generationsfrage Glimmstängel: Wer raucht warum?

Das Zeitalter, in dem man geboren ist, kann also entscheidend dafür sein, warum die Menschen zur glühenden Versuchung greifen. Während Babyboomer den Glimmstängel oft als gesellschaftliches Statussymbol erlebten und das Rauchen fest in Alltag und Öffentlichkeit verankert war, ging die Generation X eher funktional mit dem Thema um. Die Menschen, die zwischen 1965 und 1980 geboren wurden, erlebten zwar bereits die ersten großen Anti-Raucher-Kampagnen, aber für viele war Tabakgenuss eher beiläufig, also kein Statement, sondern Gewohnheit und Mittel zur Stressbewältigung. Bei den Millennialssetzte danneine klare Wendung im Vergleich zu den vorangegangenen Generationen ein: Gesundheit, Fitness und Langlebigkeit dominierten überwiegend den Lebensstil. Die Generation Z hingegen bewegt sich in einem Spannungsfeld aus Individualisierung, sozialem Druck und ständiger Selbstoptimierung.Trotz der höheren Raucherzahlen zeigt sich zugleich eine bemerkenswerte Offenheit gegenüber Alternativen: Laut einer aktuellen Umfrage des Online-Händlers Hayppsind über 65 Prozent der 18-24-Jährigen bereit, auf rauchfreie Ersatzprodukte, wie zum Beispiel Nikotinbeutel umzusteigen. Bei den 25-34-Jährigen sind es sogar knapp 70 Prozent. „Hier spielen sowohl gesundheitliche als auch finanzielle undökologische Gründeeine Rolle“, schlussfolgert Lindblad. „Diese Generationen wollen selbstbestimmt leben,aber gleichzeitig auch ihren Mitmenschen und sich selbst weniger schaden“, so Markus Lindblad weiter. Die Umfrageergebnisse zeigen aber auch: Die Bereitschaft auf weniger schädliche Nikotinersatzprodukte umzusteigen nimmt mit dem Alter ab. Bei den über 40-jährigen Menschen waren lediglich circa sieben Prozent für Zigarettenalternativen offen, oder nutzen diese.

Warum die Generation trotz Widersprüche ihren Weg geht

Der Lebensstil der Gen Z scheint für viele von extremen Gegensätzen geprägt zu sein. Doch bei genauerem Hinsehen lassen sich klare Muster erkennen.Digitale Erschöpfung und Social Media Detox sind Gegenbewegungen zur ständigen Erreichbarkeit. „Zwischen Dauerverfügbarkeit, wirtschaftlicher Unsicherheit, Klimakriseund Selbstverwirklichungsdruck wirkt das Rauchen wohl als ein kontrollierbares Ventil, wenn andere Mechanismen versagen“, merkt Lindblad an. All das zeigt: Die Gen Z lebt nicht gesund oder ungesund. Sie lebt unter enormen Ansprüchen, einige davon selbst auferlegt. „Was sie braucht, sind nicht noch mehrmahnende Zeigefinger, sondern echte Alternativen, die zur Lebensrealität der jungen Erwachsenen passen. Hierbei geht es nicht etwa um ein allgemeines Rauchverbot sondern um zeitgemäße, weniger schädliche Optionen, die eine Möglichkeit, weg von klassischen Zigaretten schaffen“, schließt Markus Lindblad.Denn wer verstehen will, warum die umsichtigste Generation zugleich zur Zigarette greift, muss vor allem eines erkennen: Der Widerspruch ist kein Zeichen von Schwäche, sondern ein Spiegel ihrer Zeit.

Foto: Pixabay

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