Morgengruß von Helmut Harff: 13. August

… (k)ein Blick zurück

Der 13. August 1961 war ganz sicher ein Tag, den man zu Fug und Recht als ein Schicksalstag nicht nur für uns Deutsche benennen kann. Das werden die bestätigen, für die damals der Antifaschistische Schutzwall, der Eiserne Vorhang oder kurz die Mauer errichtet wurde.

Als ich darüber nachdachte, was ich nun wieder zu diesem Termin schreiben kann, ging mir irgendwann durch den Kopf, dass mit der im wahrsten Sinne des Wortes zementierten Teilung Deutschlands auch viele Feindbilder verbunden sind.

Es gab innerdeutsche Feindbilder. Da war die „DDR“ in Anführungsstrichen, da war die Sowjetzone, da war Ostdeutschland, da war der SED-Staat. Da waren aber auch die Bösen Bonner Ultras, da war Westdeutschland und – zumindest mit spitzen Lippen ausgesprochen – die BRD.

Man hatte augenscheinlich seine helle Freude daran, sich zu beschimpfen, sich zu diffamieren, sich gegenseitig die Ehre und das Existenzrecht abzusprechen. Man konnte damals schnell zu dem Schluss kommen, dass es keine größeren Feinde gibt, als die Deutschen in Ost und West – zumindest, wenn man die veröffentlichte Meinung verfolgte. Da nahm sich keine Seite was.

Und international? Da waren die Russen, die Sowjetmenschen, von denen man im Osten lernen sollte, wie das mit dem Siegen geht. Im Westen fürchtete man die Kommunisten, fürchtete man den russischen Bären. Im Osten mochten viele die Leute da im Moskauer Kreml auch nicht. Doch ich habe lange überlegt, aber so richtigen Hass auf die Russen, auf die Besatzer gab es wohl nicht – zumindest kann ich mich daran nicht erinnern. Und im Westen? Da waren die Amerikaner die Befreier, die, die den American Way of Life, die die Care-Pakete brachten und die Luftbrücke nach Westberlin organisierten. Das dauerte aber nicht sehr lange und man sprach erst nicht sehr freundlich von Uncle Sam. Etwas später lautete dann die Parole „Ami go home“.

Und heute? Da haben sich viele Deutsche auch bei ihren Vorurteilen weitgehend angenähert. Die da im Osten, in Russland, in Putins Reich – die sind immer noch die, vor denen man sich fürchten (muss). Das hört man in den alten Bundesländern häufiger, als in den jüngeren. Zu den Bösen gehören aber auch (wieder) die Amis – gemeint sind selbstverständlich die US-Amerikaner.

Wie ist das innerdeutsch? Die Ossis und die Wessis – das taugt kaum noch für ein drittklassiges Kabarett. Die Vorurteile verlaufen heute aus meiner Sicht nicht mehr entlang der ehemaligen innerdeutschen Grenze, die heute kaum noch jemand als Zonengrenze oder eben als Antifaschistischer Schutzwall bezeichnet.

Es ist schon komisch oder eher von je her so, dass wir Vorurteile brauchen und pflegen. Doch warum? Haben wir es nötig, gegenüber anderen Vorurteile zu haben, diese zu pflegen und zu propagieren? Das zeugt für mich nur von einem mangelnden Selbstbewusstsein, von der fehlenden Kraft, sich mit anderen wirklich auseinander zu setzen. Mal überhebt man sich mit Vorurteilen, mal will man seine eigene Unbedeutenheit kaschieren.

Die Geschichte auch der Mauer, deren Bau vor 58 Jahren begann, zeigt, dass auch Vorurteile eine Verfallszeit haben. Aber das gilt eben für alles im Leben.

Ich werde jetzt erst einmal völlig vorurteilsfrei frühstücken.

Ihnen wünsche ich ein genussvolles Frühstück.

Foto:  Pixabay

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