Der Kulturkampf gegen das Auto erfasst nun auch die Oldtimer. Die Nachrichten der vergangenen Wochen beunruhigen die Klassik-Szene: Der Bundesrechnungshof rügt die pauschale Kfz-Steuer als weder angemessene noch zeitgemäße Begünstigung.
Die Grünen-Bundestagsfraktion macht sich die Kritik zu eigen. Und dann wird noch das beliebte Klassikertreffen in Rüsselsheim aus Gründen des Naturschutzes kurzfristig abgesagt. Geraten die Oldtimer im Kampf um schadstofffreie Mobilität unter der Räder?
Am Klassikertreffen an den Opelvillen hatten in den Jahren vor Corona rund 3000 Autos teilgenommen, die zum großen Teil auf den Mainwiesen geparkt wurden. 30.000 Besucher wurden so nach Rüsselsheim gelockt. Gastronomen und Imbissbetreiber hatten sich schon auf die Einnahmen gefreut und entsprechend eingekauft, als das Treffen vier Tage vor dem Start von der Darmstädter Regierungspräsidentin Brigitte Lindscheid (Grüne), endgültig abgesagt wurde, obwohl die Stadt bereits eine Genehmigung erteilt hatte.
Der Bund für Umwelt- und Naturschutz Deutschland (BUND) hatte erfolgreich dagegen geklagt. Begründung: Auf den Mainwiesen, einem Landschaftsschutzgebiet, dürften Autos grundsätzlich nicht abgestellt werden. Rüsselsheim will nun für nächstes Jahr ein Alternativkonzept ausarbeiten. Überraschen konnte die Absage eigentlich niemanden, denn auch anderen Veranstaltungen auf den Mainwiesen wurde bereits aus gleichem Grund die Genehmigung verweigert.
Anders sieht es bei der Diskussion um die Oldtimersteuer aus: Fahrzeuge die mindestens 30 Jahre alt und gut erhalten sind, können mit einem H-Kennzeichen zugelassen werden. Dafür zahlt der Eigentümer dann – unabhängig von der Schadstoffklasse des Autos – pauschal 191,73 Euro Steuern im Jahr. Der Bundesrechnungshof sieht darin Steuerverschwendung und moniert, viele der über 30 Jahre alten Fahrzeuge seien kein schützenwertes Kulturgut, sondern würden im Alltagsbetrieb genutzt und belasteten die Umwelt: „In Zeiten des Klimaschutzes ist es weder angemessen noch zeitgemäß, Alltagsfahrzeuge mit hohen Emissionen steuerlich zu begünstigen“, heißt es in einem Schreiben des Bundesrechnungshofs. Der Bundesfinanzminister verzichte so auf 170 Millionen Euro an Steuern.
Dass Oldtimer zunehmend im Alltag bewegt werden, ist jedoch kaum zu beweisen: Zwar qualifizieren sich in diesem Jahr viele Autos für ein H-Kennzeichen, die alltagstauglich sind, so die Mercedes C-Klasse W 202, der 5er BMW E34 und der Audi 80 B4. Viele dieser Fahrzeuge haben aber bereits einen Drei-Wege-Katalysator und erreichen damit die Abgasnorm Euro 2 oder Euro 3. In den meisten Fällen ist damit die reguläre Kfz-Steuer sogar niedriger als die Oldtimersteuer.
Die Prüfgesellschaften wie TÜV oder GTÜ, die bei den zweijährigen Hauptuntersuchungen auch den Kilometerstand der Fahrzeuge notieren, können nicht feststellen, dass die Laufleistung der Oldies zunimmt. Sie liegt im Schnitt bei 1500 Kilometern pro Jahr – gegenüber fast 20.000 Kilometern bei Alltagsautos. Dennoch fordert der finanzpolitische Sprecher der Grünen-Bundestagsfraktion, Sebastian Schäfer, im Nachrichtenportal „The Pioneer“: „Wir müssen die Oldtimer-Besteuerung wieder auf historisch wertvolle Fahrzeuge beschränken.“ Ein VW-Passat von 1993 könne gerne weiter fahren. „Aber den müssen wir nicht noch steuerlich subventionieren“, so Schäfer an die Adresse der zuständigen Finanzminister Christian Lindner (FDP). Der sieht jedoch keinen Handlungsbedarf.
Aus gutem Grund: Ein VW Passat von 1993 mit zwei Litern Hubraum und Benzinmotor zahlt regulär nur 147 Euro Kfz-Steuer, mit H-Kennzeichen also 44,73 Euro mehr, nicht weniger. Lediglich für Oldies mit Dieselmotoren oder großvolumigen Benzinern bedeutet die Oldtimersteuer eine Ersparnis. Die 170 Millionen Euro an Mehreinnahmen wären aber kaum zu erzielen, würde das H-Kennzeichen abgeschafft. Möglicherweise ist die Attacke auf Finanzminister Lindner auch nur eine Retourkutsche nach dem Heizungsstreit. Lindner besitzt selbst einen Oldtimer, einen Porsche 911 SC von 1982.
Ohnehin spielen Oldtimer beim Schadstoffausstoß des Straßenverkehrs eine vergleichbare kleine Rolle: Gerade einmal 391.000 Oldtimer sind in Deutschland mit H-Kennzeichen unterwegs. Das sind weniger als ein Prozent des Bestandes. Und selbst die lassen sich zumindest CO2-neutral bewegen, zum Beispiel mit e-Fuels. „Als erstes Auto im historischen Rallye-Sport werden wir beim Eifel-Rallye-Festival mit e-Fuels starten“, kündigt Wolfgang Inhester, Motorsport-Enthusiast und ehemals Kommunikationschef von Mercedes-Benz, an. Sein Rothmans-Porsche werde dank 200 Litern synthetischem Kraftstoff von Fuel-Motion annähernd CO2-neutral unterwegs sein. Auch bei der legendären Mille Miglia starteten in diesem Jahr Fahrzeuge mit synthetischen Kraftstoffen.
Der MG Car Club Deutschland geht einen anderen Weg. Für Clubveranstaltungen werden CO2-Zertifkate erworben, die dort ausgestoßene CO2 kompensieren. „Moove Green“ heißt die Initiative des Clubs. Das Geld wird in diesem Jahr zum Renaturieren norddeutscher Moore verwendet. (cen/gr)
Foto: Opel
Klimaschädlich? Steuerverschwendung?
Oldtimer in der Kritik
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