Das Kunsthaus Zürich widmet dem deutschen Bildhauer Wilhelm Lehmbruck (1881–1919) vom 24. Oktober 2025 bis 18. Januar 2026 eine grosse monografische Ausstellung mit Fokus auf seine letzten Lebens- und Schaffensjahre in Berlin und Zürich.
Gemeinsam mit dem zeitgenössischen Schweizer Künstler Yves Netzhammer (*1970) entsteht eine eindringliche Ausstellung über die Verletzlichkeit des Menschen – damals wie heute. Präsentiert werden Plastiken, aber auch Zeichnungen, Radierungen und Gemälde Lehmbrucks in einer raumgreifenden Inszenierung, die von Netzhammer konzipiert wurde. Solche transhistorischen Dialoge prägen das Kunsthaus Zürich, wie schon mit den Ausstellungen «Matthew Wong – Vincent van Gogh», «Käthe Kollwitz – Mona Hatoum» oder «Giacometti – Dalí».
Im Zentrum steht ein bislang wenig beleuchtetes Kapitel im Werk des bedeutenden Bildhauers: seine letzten Schaffensphasen in Berlin (1914–1916) und Zürich (1916–1919). Die Ausstellung präsentiert zentrale Werke aus dem Lehmbruck Museum, Duisburg, ergänzt durch Exponate aus dem Besitz der Nachkommen Lehmbrucks und den Beständen des Kunsthaus Zürich.
KÜNSTLERISCHES NETZWERK IM ZÜRCHER EXIL
Zürich war für Lehmbruck ein Ort des künstlerischen Austauschs wie auch der inneren Zerrissenheit. In einer umfunktionierten Garage schuf er hier unter schwierigen materiellen und menschlichen Umständen Meisterwerke wie «Sitzender Jüngling» (1916/1917), die «Betende» (1918) oder den «Kopf eines Denkers» (1918). Diese Werke übersetzen Empfindungen wie Trauer, Verletzlichkeit und die Sehnsucht nach Transzendenz in eindrucksvolle, berührende Formen.
In der Zeit des Ersten Weltkriegs war Zürich ein Exil für Intellektuelle und Kunstschaffende, unter ihnen der Dichter Fritz von Unruh und die Schriftsteller Ludwig Rubiner und Leonhard Frank – pazifistische Persönlichkeiten, mit denen Lehmbruck regen Kontakt pflegte.
Inspiriert von Begegnungen mit Rodin, Brančuşi, Modigliani und anderen Grössen der Klassischen Moderne in Paris, widmete er sein Schaffen konsequent dem menschlichen Körper. Seine Arbeiten spiegeln existenzielle Fragen, die in Zeiten globaler Krisen erneut an Dringlichkeit gewinnen. Werke wie «Weiblicher Torso» (1918) mit seinen aufgebrochenen, expressiven Formen markieren nicht nur einen künstlerischen Wendepunkt, sondern auch ein erschütterndes Vermächtnis – Lehmbruck nahm sich 1919 in Berlin das Leben.
In einer Welt, die erneut von Krieg, Flucht und gesellschaftlichen Spannungen gezeichnet ist, rührt Lehmbrucks Kunst an universelle Erfahrungen des Menschseins. Seine Figuren wirken wie stille Mahnmale und kraftvolle Symbole eines neuen Humanismus. Die Ausstellung im Kunsthaus Zürich macht dieses Werk in all seiner zeitlosen Relevanz erfahrbar.
DIALOG ÜBER EPOCHEN HINWEG: YVES NETZHAMMER
Dem Zürcher Ausstellungskapitel liegt eine eigenständige kuratorische Handschrift zugrunde. Mit einem starken Fokus auf die Jahre 1916 bis 1919 und den lokalen Kontext wird Lehmbruck in ein spannungsvolles Verhältnis zum international bekannten Schweizer Künstler Yves Netzhammer gesetzt. Netzhammer fragt nach der heutigen Darstellbarkeit des Menschen in einer zunehmend komplexen Welt. Von der am Computer generierten Zeichnung herkommend, findet er zu subtilen Setzungen und zu grossen installativen Raumbildern, in deren Herstellung auch neue technische Möglichkeiten der Gestaltfindung wie 3D-Druckverfahren oder Animationsprogramme einbezogen werden. Er reflektiert die Themen seiner Zeit und übersetzt sie auf intelligente, oft ironisch-witzige und zugleich berührende Weise in feingliedrige Gestalten, die sich im Werden befinden und ständig verändern. Netzhammer, der bereits mehrfach im Lehmbruck Museum ausgestellt hat, ist nicht nur Dialogpartner, sondern auch Szenograf der Zürcher Präsentation. Es ist das erste Mal, dass ein Gegenwartskünstler Lehmbrucks Werke inszeniert.
Die Ausstellung ist eine Kooperation mit dem Kunstmuseum Moritzburg Halle (Saale), in Zusammenarbeit mit dem Lehmbruck Museum, Duisburg. Sie wird von Dr. Angelika Affentranger-Kirchrath (freischaffende Kuratorin) und Dr. Sandra Gianfreda (Kuratorin am Kunsthaus Zürich) kuratiert.
Kunsthaus Zürich präsentiert: O Mensch! Wilhelm Lehmbruck
Die letzten Jahre. Im Dialog mit Yves Netzhammer
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