Unter dem Titel „Farbsingen in dunklen Zeiten – Kollektiv Herzogstrasse, Weibsbilder und King Kong Kunstkabinett im Chor“präsentieren die drei Münchner Künstler*innen-Gruppen zwischen 1975 und heute in Gruppenarbeit entstandene Werke in den Hallen des SanDepot im Kunstverein Aichach (Donauwörther Str. 36), darunter großformatige Ölbilder, bemalte Holzskulpturen und Papierarbeiten sowie Rauminstallationen und multimediale Präsentationen.
So unterschiedlich die künstlerischen Positionen der drei Gruppen auch sind, eint sie der Wunsch, gemeinsam zu malen, zu diskutieren und zu experimentieren und dabei der Gesellschaft immer wieder den Spiegel vorzuhalten. Nach den Studentenrevolten ist das eine Reaktion auf gesellschaftliche Isolation und auf die theorielastige 1968er-Zeit. In der Gruppe wollen die Künstler*innen gemeinsam zu einer spielerischen Auseinandersetzung mit der Kunst gelangen, mit Lust am Improvisieren und Vernetzen mit anderen Vorstellungen. Malen wird zum demokratischen Prozess, zur Kommunikation zwischen unterschiedlichen Positionen, die oft konfliktreich sind aber doch zu einem gemeinsamen Werk führen können. Kunst als Mittel der Kommunikation in einer offenen demokratischen Gesellschaft, die unterschiedliche Auffassungen als Bereicherung erkennt und miteinander verbindet – das war in den 1970er Jahren aktuell und das ist es heute mehr denn je.
Die gemeinsame Präsentation der drei Gruppen in Aichach ist in vieler Hinsicht eine Premiere, die Einblicke in Unterschiede und Gemeinsamkeiten kollektiver künstlerischer Arbeit bietet, mit ihren kulturellen Wurzeln und ihrer gesellschaftlichen Aktualität. Als weit zurückliegender Vorgänger im April-Mai 1982, ist die damals sehr erfolgreiche Ausstellung „narrativ-expressiv“ in der Galerie der Künstler in München zu nennen. Das Narrative und das Expressive in all seinen Facetten können Besucher nun sechs Wochen lang im SanDepot erkunden.
Die Ausstellung ist vom 24. Mai bis zum 6. Juli an Samstagen, Sonn- und Feiertagen jeweils von 14 bis 18 Uhr geöffnet. Es werden Führungen mit den Künstler*innen angeboten und Filme der drei Gruppen gezeigt. Die Vernissage findet am Samstag, 24. Mai 2025 um 15 Uhr statt, die Finissage am Sonntag, 6. Juli 2025 um 15 Uhr. Der Eintritt ist frei.
Zur Geschichte der drei Gruppen
Das 1975 gegründete Kollektiv Herzogstrasse steht in einer Tradition von Künstlergruppen, die der expressiven Malerei und der Veränderung verkrusteter gesellschaftlicher Strukturen verpflichtet sind. Zu nennen sind hier die Münchner Gruppen SPUR, Wir und Geflecht, im europäischen Kontext verbunden mit der Gruppe CoBrA und der Situationistischen Internationale. Wichtig sind zudem der amerikanische abstrakte Expressionismus und die gestisch abstrakte Malerei von Emilio Vedova. Das Kollektiv Herzogstrasse ist von Anfang an eine offene interdisziplinäre Gruppe mit bis zu 12 Mitgliedern, das die Gleichberechtigung verschiedenster künstlerischer Ansätze sucht. Aus einem Labyrinth von Formen und Linien entsteht eine polyfokale Malerei, als Ausdruck einer nicht hierarchischen demokratischen Auffassung von Kunst. Im Lauf der Jahre wird das Kollektiv kleiner. Das Interesse der Künstler am mehrdimensionalen Raum nimmt zu, nun wird das gemeinsame Malen zu einem begehbaren Gesamtraum zusammengeführt. Eine dieser ephemeren Rauminstallationen, die „Begehbare Malerei“ von 1980 in der Lothringerstr. 13 in München, wird im SanDepot in vereinfachter Weise mit damals entstandenen Werken nachvollziehbar.
Zwei Jahre später, 1977, angeregt vom Kollektiv Herzogstrasse und seinem kulturellen Kontext, dem sie sich ebenfalls verbunden fühlen, gründen sich die Münchner Gruppen WeibsBilder und King Kong Kunstkabinett.
Die fünf Künstlerinnen der WeibsBilder – der Name ist Programm – sehen ihre Voraussetzungen auch in der Frauenbewegung, die damals aktiv in die männlich dominierte Kunstszene eingreift. Sie wollen als Frauen eine gemeinsame Bildsprache entwickeln und experimentieren dabei mit expressiven Stilmitteln, denen sie immer mehr gegenständliche Anklänge und ironische Bildtitel beimischen. Das gemeinsame Malen vermischt sich dann auch mit plastischen Bildelementen, bis hin zur Farb- und Formenschmelze im 1980 entstandenen Film „Und immer lockt das WeibsBild“, in dem die Künstlerinnen aus dem Bild heraus als farbig bemalte Figuren in den Raum treten. Der Film wird im SanDepot gezeigt, zusammen mit einer Installation großformatiger Bilder.
Die drei Künstler des King Kong Kunstkabinett beginnen 1977 mit dem Experiment des kollektiven Malens und dieses bleibt als Fixpunkt über die Jahrzehnte bestehen – als einzige der im SanDepot präsentierten Gruppen verzichten sie vollkommen auf individuelles künstlerisches Arbeiten und schaffen bis heute nur gemeinsame Werke. In ihrer Malerei wenden sie sich zunehmend der Figuration zu und dem sarkastischen Erzählen banaler Alltäglichkeiten, als „sinnverstrickte Erlebnis- und Ausdrucksmalerei“ der medial aufbereiteten Bilderwelten, die uns heute überfluten. King Kong Kunstkabinett arbeitet von Anfang an multimedial, Malerei, Graphik und Installationen kleiner Skulpturen verbinden sich mit Video und Film – Beispiele dafür werden im SanDepot präsentiert.
Die Künstler*innen der Ausstellung:
Kollektiv Herzogstrasse: Hans Matthäus Bachmayer (1940-2013), Renate Bachmayer [Rânebach] (*1940), Dietrich Bartscht (*1951), Jutta von Busse (1952-2013), Heiko Herrmann (*1953), Thomas Niggl (*1939), Heimrad Prem (1934-1978), Armin Saub (*1939), Ursula Strauch-Sachs (1941-2015), Dieter Strauch [Diri] (*1940), Helmut Sturm (1932-2008) und Heinz Weld (1943-2024).
WeibsBilder: Lisa Endriß, Lilith Lichtenberg, Alrun Prünster Soares, Sara Rogenhofer, Ursula Strauch-Sachs († 2015)
King Kong Kunstkabinett: Walter Amann (*1942), Wolfgang Schikora (*1945), Ulrich Zierold (*1946)
Kunstverein Aichach e.V.
Ziegeleistr. 46
86551 Aichach
Telefon: 0 82 51-5 03 40
info@kunstverein-aichach.de
kunstverein-aichach.de
Bild: WeibsBilder, Blumenspuckmaschine, 1982
FARBSINGEN IN DUNKLEN ZEITEN
... im Kunstverein Aichach
Veröffentlicht am: 23.05.2025
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