Bis zum 31. August präsentiert der Frankfurter Kunstverein die Ausstellung And This is Us 2025 – Junge Kunst aus Frankfurt. Für die fünfte Ausgabe des zweijährigen Ausstellungsformates wurden zwölf Künstler:innen eingeladen. Die Ausstellung ist vom Frankfurter Kunstverein kuratiert und produziert und fungiert seit 2017 als institutionelle Bühne und Sprungbrett für Nachwuchstalente.
In enger Zusammenarbeit mit der Hochschule für Bildende Künste – Städelschule, der Hochschule für Gestaltung Offenbach und zum ersten Mal der Kunsthochschule Mainz entsteht durch ein mehrstufiges Auswahlverfahren ein Parcours, der repräsentativ für Themen und Praktiken der jungen Künstler:innen in der Rhein-Main-Region steht.
Die Teilnehmer:innen werden bei der Konzeption und Umsetzung ihrer ganz eigenen Inhalte begleitet, um ihnen die Produktion neuer, großformatiger Werke und deren Inszenierung im Raum zu ermöglichen. And This is Us – Junge Kunst aus Frankfurt ist eine Einladung, sich den Phänomenen der heutigen Zeit durch die Perspektive junger Künstler:innen sinnlich zu nähern. Auch 2025 fängt das Format die Schwingungen und Stimmungen der jungen Generation ein und macht sie unmittelbar erfahrbar.
Von Beginn an wird die Ausstellungsserie großzügig von der Dr. Marschner Stiftung unterstützt, deren Engagement aus der Vision eines Frankfurter Bürgers hervorgegangen ist, um das kulturelle Leben für die Menschen unserer Stadt dauerhaft lebendig zu halten.
Franziska Nori, Direktorin des Frankfurter Kunstvereins, erläutert: „Die intensive Arbeit mit allen zwölf Teilnehmer:innen der diesjährigen Ausgabe von And This Is Us hat mich sehr beeindruckt. Die neu entstandenen Werke bilden eindrücklich das Spektrum der Betrachtungen und Aufarbeitung, Zweifel und Überzeugungen ab, mit denen junge Künstler:innen die heutige Realität durchleben, darüber nachdenken und sich dieser gegenüber verhalten.“
Peter Gatzemeier, Vorstand der Dr. Marschner Stiftung, über die langjährige Kooperation: „Seit nun mehr zehn Jahren ermöglicht die Dr. Marschner Stiftung das zweijährige Ausstellungsformat And This is Us – Junge Kunst aus Frankfurt. Jedes Mal aufs Neue sind wir vom Grundgedanken des Projekts und von jeder einzelnen Position, die der Frankfurter Kunstverein präsentiert, überzeugt. Als Stiftung möchten wir hiermit vor allem der jungen Generation Raum geben, sich unabhängig zu entfalten und ihre Arbeit einem breiten Publikum zu zeigen. Auch im Jahr 2025 sehen wir ein beeindruckendes Ergebnis mit einer Strahlkraft in das gesamte Rhein-Main-Gebiet.“
AUSSTELLUNGSPARCOURS
Der Parcours durch die Ausstellung wurde so geschaffen, dass er einmalige Einblick in zwölf Fragestellungen und Weltsichten junger Menschen ermöglicht. Die zwölf jungen Künstler:innen wurden aus 110 Portfolios ausgesucht und stehen für gene rationale Themen.
Die Ausstellung beginnt im Erdgeschoss mit Nelly Habelt. Ihre Videoarbeiten sind kraftvoll und poetisch. Habelt arbeitet im städtischen Raum, oft nachts. Sie nutzt Stadtarchitekturen als Träger von Figuren, die sie mit ihrem Körper ausführt. Die Künstlerin hängt in der Höhe von Straßenlaternen oder schwebt kopfüber unter Brücken. Sie verharrt bewegungslos und wird von einer Kamera umrundet, sodass sie wie eine lebendige und eingefrorene Skulptur im öffentlichen Raum erscheint.
Im Untergeschoss treffen wir auf Paul Haas. Der Filmemacher beschäftigt sich in seinem Werk mit Herkunft und politischer Identitätsbildung in Deutschland. In seiner aktuellen Arbeit verlagert Haas seinen Blick von ostdeutschen Provinzen in den urbanen Raum Kopenhagens. Der Film, entstanden während eines Aufenthalts in der dänischen Hauptstadt, zeigt eine prophetengleich auftretende Figur auf dem belebten Platz Kongens Nytorv. Mit tragbarem Lautsprecher und Mikrofon deklamiert sie eine eindringliche Rede, in der sie aus einer düsteren Zukunft warnt – voller Kriegsbilder, Zerstörung und der Wiederkehr vergangener Konflikte.
Im ersten Stock begegnen wir Sargon Khnu. Es empfängt Sie eine weiße Skulptur in Überlebensgröße. Ein männlicher Körper in kniender Position. An der Wand fünf aus Lindenholz gefertigte Flachreliefs, die als digitale Zeichnungen entworfen und durch digitaler Fräsung geschaffen wurden. Die Inszenierung des Körpers im Zeitalter digitaler Bilder und die Frage nach Geschlecht, Rollenklischees und Macht sind Sargon Khnus zentrale Themen. Es folgt ein Ausstellungssaal, in dem drei parallele Welten erschaffen werden. Gregor Lau hat eine urbane Landschaft repliziert, die in Frankfurt seit Jahrzehnten, an der Sonnemann Allee, vor der EZB als der Schwarzarbeiterstrich bekannt ist. Er bildet die Straßenecke nach, gießt eigens Pflastersteine und malt auf sie die Google Street View Ansichten eines Phänomens, dass den Wert von Arbeit und von Menschen in den Mittelpunkt rückt.
Oscar Kargruber ist Holzbildhauer. Er hat eine stilisierte menschliche Figur geschaffen, die aufrecht schreitend aus einem Gebüsch tritt und mit den Händen Pflanzen umklammert. Es ist ein eingefrorener Moment, der sich einer genauen Deutung entzieht und doch atmosphärisch dicht ist. Kargruber tastet sich in seiner Arbeit fast programmatisch an die Darstellung von atmosphärischen Kipppunkten heran, an denen das Schöne in etwas Unheimliches umzuschlagen droht und so die Grenzen zwischen Gut und Böse, Schönheit und Gefahr verwischen.
Simon Gilmers Arbeit enthüllt sich erst auf den zweiten Blick. Durch zwei kleine Fenster in der langen Wand schauen wir in eine parallele Welt. Zwei monochrome Räume in grau. Ist das ein Blick hinter die Kulissen? Oder eine modellhafte Architektur in Skala 1:1? Gilmer arbeitet mit grauem Karton. Mit beeindruckender Präzision und Fertigkeit schafft der Künstler Repliken und Modelle einer Realität, die das Auge und den Realitätssinn der Betrachtenden herausfordern.
Der gegenüber gelegene Ausstellungsaal ist zwei Künstlerinnen gewidmet, die sich der intimen Begegnung innerer Welten zuwenden. Franziska Krumbachner malt und zeichnet. In ihrer Ölmalerei will sie Erlebtes verstehen, verarbeiten und in Bildern bannen. Ihre Motive entspringen Träumen und Erinnerungen, die als Flashbacks verdrängter Erlebnisse an die Oberfläche drängen. Zimmer, enge Korridore, Details von Körperpartien und dysmorphe Gesichter in Schwarz-Weiß, gefaltete Hände.
Elisa Deutloff arbeitet mit Künstlicher Intelligenz. Deutloff hat ein intimes Erlebnis konzipiert, in dem Betrachtende Fragen an einen Chatbot stellen. Überraschenderweise antwortet die KI mit der Stimme des Fragenden selbst. Über das Lesen eines Gedichtes beim Eintreten in den Raum schafft das lernende System eine Stimmreplik. Ein Phänomen, dass für die heutigen Generationen eine zunehmende Rolle spielt wird hier adressiert. KI wird von Menschen zunehmend als artifizielle Lebenspartnerin erlebt. Das Phänomen weitet sich flächendeckend aus. Auch KI basierte Psychotherapie Apps finden zunehmend Anwendung.
Eine Ebene oberhalb begegnen wir Nazanin Hafez. Die Fotografin setzt sich in ihrer Arbeit mit der persönlichen Erfahrung politischer Unterdrückung seitens des iranischen Regimes auseinander. Sie untersucht das Verhältnis von Bild und Repression, Darstellung und Zensur, Sichtbarkeit und Verborgenem. Mit digitaler sowie analoger Fotografie, Film und Collage entwirft sie widerständige Gegenbilder. Nazanin Hafez hat kontrastierende Wirklichkeiten des heutigen Irans zu einer Rauminstallation verschränkt. Collagen, in denen Bildfetzen staatlicher, öffentlicher Propaganda zu Bildmaschinen werden. In einem gesonderten Raum sehen wir die großformatigen Portraits von Frauen, die sich stolz und frei präsentieren.
Kora Riecken hat eine räumliche Klanginstallation geschaffen und dafür einen Text verfasst, den sie von verschiedenen Sprecher:innen hat einlesen lassen. Abwechselnd sprechen sie Teile einer Geschichte, eine urbane Legende über Geister, von der immer in der Schwebe bleibt, ob sie Wahrheit oder Dichtung ist. Die Anordnung im Raum ist kreisförmig um eine zentrale, imaginäre Lagerfeuerstelle.
Die Ausstellung schließt im obersten Stock mit den Arbeiten von Thuy Tien Nguyen und dem Kollektiv La Caoba. Thuy Tien Nguyen hat drei Skulpturen in Vietnam gefertigt, die an Einrichtungselemente von Geschäftsführer:innenbüros erinnern. In die drei Objekte des finanzkapitalistischen Alltags, zum Beispiel einem präsidentiellen Konferenztisch oder einen Chefsessel, hat Nguyen ein klingendes Räderwerk installiert. Das filigrane System aus Zahnrädern erzeugt einen Sound, wie aus einer Spieldose. Die Objekte sind das Erzeugnis ausgelagerter Arbeit innerhalb einer globalen Marktwirtschaft, die immer noch kolonialen Trennlinien folgt.
La Caoba ist ein interkulturelles Kollektiv, entwickelt von Larry Bonćhaka und Sopo Kashakashvili. Es wurde ins Leben gerufen, um sich für die Wiederherstellung der Umwelt, die nachhaltige Entwicklung der Gemeinden und die Stärkung der Wirtschaft einzusetzen. Durch die Integration groß angelegter Aufforstungsprojekte in Ghana mit gemeinschaftlich geführten Initiativen zielt La Caoba darauf ab, sich selbst erhaltende Ökosysteme zu schaffen, in denen Mensch und Natur gemeinsam gedeihen. Workshops, forschungsbasierte Beiträge und Materialien rund um Landwirtschaft und um den Handel und Transport von Lebensmitteln beleben den Raum im Verlauf der Ausstellung.
Teilnehmende Künstler:innen: La Caoba (Larry Bonćhaka und Sopo Kashakashvili, Absolvent:innen Städelschule), Elisa Deutloff (HfG Offenbach), Simon Gilmer (HfG Offenbach), Paul Haas (Absolvent Städelschule), Nelly Habelt (HfG Offenbach), Nazanin Hafez (Absolventin Kunsthochschule Mainz), Oscar Kargruber (Städelschule), Sargon Khnu (HfG Offenbach), Franziska Krumbachner (HfG Offenbach), Gregor Lau (Städelschule), Thuy Tien Nguyen (Absolventin Städelschule), Kora Riecken (Kunsthochschule Mainz)
Kuratiert von Franziska Nori, Lorenzo Graf, Anita Lavorano, und Pia Seifüßl
Bild: Elisa Deutloff (in Zusammenarbeit mit Seongsin Lee), Parasocial Interaction, 2024
Photo: Cheesoo Park, ©Elisa Deutloff
AND THIS IS US 2025 – JUNGE KUNST AUS FRANKFURT
... präsentiert im Frankfurter Kunstverein
Veröffentlicht am: 30.05.2025
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