Morgengruß von Helmut Harff: Juden?

Was fällt mir ein, wenn ich an Juden denke? Klar, weiß ich um den auch heute noch nicht vorstellbaren Mord an den Juden im Dritten Reich. Doch was sind Juden für mich? Es sind Menschen, die geboren werden und die sterben. Juden beten, wenn sie es denn tun, den gleichen Gott wie ich an, sie essen und trinken, auch wenn nicht immer das Gleiche wie ich.

Juden, die lieben und hassen, die wollen ein gutes und selbst bestimmtes  Leben, genau wie ich.  Liebe, habe ich schon mal eine Jüdin geliebt, geküsst, in den Arm genommen? Ich weiß es nicht, denn genau wie ich gehen wohl die meisten Menschen jüdischen Glaubens damit nicht hausieren. Ich sage ja auch nicht, nach dem geklärt ist „zu mir oder zu dir“, ich bin Protestant.

Wann traf ich erstmals einen Juden? Auch das weiß ich nicht, weil in der DDR sich kaum einer so richtig zu erkennen gab. Ich traf mal im Zug einen alten Mann mit Davidstern, mit dem ich mich lange unterhielt. Was früh in mein Leben trat, war jüdische, war jiddische Musik, war die Klezmer-Musik. Auch jüdischem Sterben trat früh in mein Leben, erst in Form des jüdischen Friedhofs in der Berliner Schönhauser Allee, dann in Form des jüdischen Friedhofs in Prag.  Überhaupt erfuhr ich sehr viel über das frühere Leben der Juden in Prag.

In Berlin, dem wohl größten jüdischen Zentren vor dem Holocaust, stolperte ich schon früh über jüdisches Leben, erfuhr aber erst gestern davon, dass es in der Stadt schon 1923 ein Pogrom gegen Juden gab. Dass Juden eigentlich nie irgendwo gelitten waren, ist in vielen Büchern wie „Die Jüdin von Toledo“ von Lion Feuchtwanger nachzulesen, ist Inhalt eines Musicals wie „Anatevka“. In vielen Städten in Deutschland, aber auch in anderen Ländern gibt es bis heute Hinweise auf Judengettos.

Juden, die gehören auch zu meinen Vorfahren, wie ich im Rahmen meiner Ahnenforschung erfuhr, mindestens zwei wurden in der Nazizeit ermordet.

Juden, das sind für mich Menschen wie ich, die vielfach etwas anders leben, andere Riten und auch Vorlieben haben. Juden, dass sind Menschen, deren Kunst und Kultur ich liebe, unter denen es viele gibt, die ich gern als Nachbarn hätte. Auf einige trifft das sicherlich auch nicht zu.

Juden, dass sind Menschen, von denen knapp sieben Millionen in Israel leben. Das sind weniger als die vom Jüdischer Nationalfonds e.V. weltweit gezählten 14,8 Millionen Juden. Zu dem Land, das sich ja selber als Heimat der Juden bezeichnet, habe ich eigentlich keine wirkliche Beziehung. Ein Land am Mittelmeer, das seine Nachbarn gern beseitigt sehen. Doch ich war noch nie da, habe noch nie eine Einladung zu einem Treffen bekommen, noch nie bekam ich eine Pressemitteilung aus oder über Israel. Allein darin liegt schon ein Unterschied zu meinem Blick auf jüdische Menschen und dem Staat Israel.

Selbst beim Frühstück unterscheiden sich die Besten Frau der Welt und ich nicht wirklich von jüdischen Menschen. Die frühstücken wie wir auch frische Früchte, Brot, Eier, Oliven, aber auch Hummus oder Käse.

Ich wünsche Ihnen ein genussvolles Sonntagsfrühstück.

Gratulation allen, die heute Namenstag haben:  Emmerich, Zacharias, Hardy

Foto: Pixabay