Morgengruß von Helmut Harff: Wenn ich mal alt bin

Ich sorgte gerade mal wieder für einen nicht gerade sehr nett gemeinten Lacher. Warum? Ich erklärte, dass ich mich wieder um die Geschichte meiner Familie, die Jahrhunderte zurück reicht, kümmern werde, wenn ich alt bin. Was bekam ich zu hören: Na, dann hast Du ja schon angefangen.

So eine Frechheit!!! Ich bin doch erst 66 Jahre alt und da fängt bekanntlich das Leben erst an. Für diese Textzeile bin ich Udo Jürgens zu tiefst dankbar. Doch mal ehrlich, ist es nicht frech, ja gemein, mich als alten Mann zu bezeichnen? Ich muss darüber mal mit meinem Anwalt sprechen. Vielleicht kann ich Schmerzensgeld einklagen.

Nein, Spaß beiseite. Habe ich mir nicht gerade einen Flanierstock gekauft, weil es an Luft beim Flanieren in bergigen Gegenden hapert? Schön, vor einigen Generationen taten das auch die jungen Männer, aber die waren ja auch galant. Heute wissen viele gar nicht mehr, was das ist, galant sein. Bin ich also wirklich schon ein alter Mann?

Früher, zu meiner Zeit in der besten DDR aller Zeiten, wollten die allermeisten genau wie ich möglichst schnell alt werden. Nicht, dass die Rente so toll war. Es war ja vielmehr so, dass man als Rentner in den Westen fahren durfte, sogar der DDR ganz legal den Rücken kehren konnte. Zumindest war das bei den meisten Alten in der DDR so. Reisen war schon damals eines meiner größten Hobbys, obwohl die Möglichkeiten bekanntermaßen sehr beschränkt waren. Viele blieben daher in der DDR – ich nicht. Ich verkündete immer, dass ich mich erst als Rentner in der Heimat umsehen werde. Und nun? Nun bin ich noch gar nicht sooooo alt und habe schon einiges in Deutschland gesehen. Doch ansonsten gilt das damals gesagte noch immer, denn ich sehe mich nach wie vor gern in der Welt um.

Ja, wenn ich einmal alt bin, dann habe ich noch so einiges vor, beispielsweise viele der gesammelten Bücher endlich mal wirklich lesen, sich um meine Ahnen kümmern und vielleicht sogar selber ein Buch schreiben. Doch da bleibt die Frage, ob ich das noch kann, wenn ich alt bin. Es ist ja schließlich so, dass ich es bin, der irgendwann sagt, dass ich alt bin. Das wird aber garantiert erst dann sein, wenn ich nicht mehr reisen, nicht mehr meinen Morgenkommentar schreiben, nicht mehr den Golfschläger und meinen Flanierstock schwingen kann.

Was bleibt als Fazit? Wenn ich alt bin, werde ich mich wohl vor allem mit einem unterhalten, mit dem der die Sense schwingt. Klingt traurig? Finde ich nicht, schließlich bin ich noch lange nicht alt.

Das erfahre ich immer, wenn ich die Brötchen für das Frühstück mit der Besten Frau der Welt kaufe. Die Verkäuferin fragt nämlich immer „Junger Mann, was darf es heute sein“.

Ich wünsche Ihnen ein genussvolles Frühstück.

Gratulation allen, die heute Namenstag haben:  Leonhard, Christine, Nina

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