
Ursprünglich  stammen Karpfen vom Festland und wurden vor etwa 2.000 Jahren von  Chinesen nach Japan gebracht – allerdings als Speisefisch in einer  „Tarnfärbung“, die man auch heute noch vielerorts vorfindet. 
Wenn  wir in Europa von Koi sprechen, meinen wir dagegen meist den  farbenfrohen Nishikigoi(„Brokatkarpfen“), den japanische Reisbauern zu  Beginn des 19. Jahrhunderts zu züchten begannen. Durch sorgfältige  Selektion bestimmter Farben und Muster bildeten sich die heute bekannten  Formen heraus.
FARBENSPIELE UND SYMBOLE
Die beliebteste  Variante wurde schon bald der weiße Karpfen mit roten oder  orangefarbenen Punkten, und das Nonplusultra ist und bleibt aus  naheliegenden Gründen ein völlig weißer Fisch mit einem einzigen roten  Punkt auf der Stirn: Er gleicht nämlich der Nisshōki, der 1870  eingeführten Flagge Japans mit ihrem symbolischen Sonnenkreis, auch  Hinomaru genannt. Auf diese besondere Spielart des Koi, von der ein  einziges Exemplar zigtausend Euro kosten kann, hat man den Namen  tanchoübertragen, das japanische Wort für den Mandschurenkranich, der  ebenfalls einen roten Punkt auf der Stirn trägt.
Daneben gibt es  aber über ein Dutzend Hauptvarianten und über hundert Unterformen mit  unterschiedlichster Schuppenfärbung und auch anatomischen  Besonderheiten, wie etwa den besonders langen Flossen des  Butterfly-Koi(„Schmetterlingskarpfen“). Zu den ältesten und  verbreitetsten Zuchtformen gehören Asagi („hellblau“) und  Kōhaku(„rot-weiß“). Die Unterarten Shōwa und Taishō wurden nach der  Regierungszeit der Kaiser Shōwa (vom 25. Dezember 1926 bis zum 7. Januar  1989) und Taishō (vom 30. Juli 1912 bis zum 25. Dezember 1926) benannt,  entsprechend der Zeit, in der sie als neue Variante offiziell anerkannt  wurden. Shōwa und Taishō weisen mit dem Namenszusatz Sanke oder  Sanshoku („dreifarbig“) darauf hin, dass sie zusätzlich zu ihren roten  und weißen Schuppen noch schwarze Flecken besitzen.
Den Farben  ist in Japan eine symbolische Bedeutung zugeordnet. Es liegt nahe, dass  man Gold mit Wohlstand verbindet, während eine silberne Färbung für  geschäftlichen Erfolg bürgen soll und die Farbe Blau für Ruhe und  Frieden steht. Hinzu kommt, dass das Wort koi gleich klingt wie ein Wort  für „Liebe“ oder „Zuneigung“. Dass man Koi auch mit Langlebigkeit in  Verbindung bringt, verdanken sie der Lebensdauer einiger sagenhafter  Exemplare, die über 200 Jahre alt geworden sein sollen. Üblicherweise  erreichen sie allerdings eher ein Alter von 30 bis 40 Jahren – kein  Rekordwert im Tierreich, aber ein Alter, das Käufer, die hohe Summen in  die Fische investieren, zufriedenstellen dürfte.
DIE „GEBURTSSTÄTTE“ DES KOI
Die  Ehre, Ursprungsort der Koi-Zucht zu sein, nehmen das inzwischen in die  Stadt Nagaoka eingemeindete Dorf Yamakoshi und die Stadt Ojiya in der  Präfektur Niigata an der Nordostküste der Hauptinsel Honshū für sich in  Anspruch, wo man in den 1820er Jahren mit der selektiven Aufzucht  bestimmter Formen begann.
In dem 1989 eröffneten „Koi-Dorf“  (Nishikigoi no Sato) können Koi-Freunde und ‑Züchter aus aller Welt  heute auf diesen historischen Spuren wandeln und zugleich ihr Wissen  vertiefen und sich von Fachleuten beraten und wertvolle Hinweise für die  Pflege der Tiere geben lassen. Die Besonderheit ist hier nicht nur die  Anzahl und Vielfalt der Fische, sondern auch, dass man sie ganzjährig in  klarem Wasser bestaunen kann, während sie andernorts von Frühjahr bis  Herbst in trübem Wasser gehalten werden.
Das „Dorf“ ist  ganzjährig von 9 bis 18 Uhr (im Winter bis 17 Uhr) für Besucher  geöffnet, der Eintritt kostet nur wenige Euro und ist für Kleinkinder,  die besondere Freude an den bunten Fischen haben, sogar gratis. Wenn  gleich im Nishikigoi no Sato selbst keine Koi verkauft werden, findet  man im Ort zahlreiche Züchter, die Fische in unterschiedlichen  Preisklassen anbieten und auch versenden.
KOI-OASEN IM TRUBEL DER HAUPTSTADT
Wer  es nicht bis in die rund 250 Kilometer von Tokio entfernte Präfektur  Niigata schafft, findet die Zierkarpfen auch in der Hauptstadtregion auf  der gegenüberliegenden Seite der Insel.
Einer von vielen Orten,  an denen man sie gratis besichtigen kann, ist der Ikedayama-Park in  Gotanda, das im Wohnbezirk Shinagawa im Süden Tokios liegt. Der  Stadtpark, der in der Form eines traditionellen japanischen Gartens im  Kaiyu-shiki-Stil (das heißt um einen Teich) angelegt wurde, schmiegt  sich an den Hügel, dem er seinen Namen verdankt. Von der Anhöhe, wo man  sich auf einer überdachten Parkbank ausruhen kann, genießt man herrliche  Aussichten auf die Umgebung, und im Teich in der Parkmitte tummeln sich  neben den bunten Koi auch die weitverbreiteten Schildkröten. Der Park  ist täglich bis 17 Uhr und im Juli und August sogar bis 18 Uhr geöffnet,  und der Eintritt ist frei.
Im Stadtteil Asakusa („flaches Gras“)  im Stadtbezirk Taitō findet man auf dem Gelände des vielbesuchten  buddhistischen Sensō‑ji-Kannon-Tempels einen weiteren Garten mit einem  wohlbestückten Koi-Teich, wo man am Rande der benachbarten Einkaufsmeile  Nakamise-dōri erstaunliche Ruhe findet. Den Besuch bei den Fischen kann  man gleich mit der Besichtigung weiterer Sehenswürdigkeiten verbinden,  etwa dem angrenzenden Asakusa-Shintō-Schrein und der fünfstöckigen  Pagode.
Auch einzelne Hotels inmitten der Metropole, wie zum  Beispiel das Hotel Gajoen, bieten abseits der Großstadthektik  beschauliche Oasen zur Besinnung. In dem von einem Bach durchzogenen  Garten dieses edlen 60-Zimmer-Hotels im Bezirk Meguro führt ein Holzsteg  über den Koi-Teich, während das Wasser in kleinen Kaskaden  gardinenartig ins Becken plätschert.
WO DER KOI NEBEN DER STRAẞE SCHWIMMT
Möchte  man Koi einmal außerhalb von Gärten, Teichen und anderen eigens  angelegten Gewässern sehen – also sozusagen „in freier Wildbahn“ –,  empfiehlt sich eine Reise nach Shimabara bei Nagasaki auf der  südlichsten der Hauptinseln, Kyūshū.
Die Stadt Shimabara liegt  dort an der Nordostspitze der gleichnamigen Halbinsel. Der Vulkan in der  Nähe der alten Burgstadt hatte seinen letzten großen Ausbruch Ende des  18. Jahrhunderts, ist aber noch immer aktiv. Er sorgt aber auch dafür,  dass es hier nicht nur zahlreiche Onsen (Bäder) gibt, die von  Thermalquellen gespeist werden, sondern tatsächlich auch warmes Wasser  in schmalen Kanälen an den Straßen entlang durch die Stadt fließt. Eine  dieser Straßen, die man als „Karpfenstraße“ bezeichnet, verdankt ihren  Namen, wie man unschwer erraten kann, den zahllosen Koi, die hier, vor  aller Augen, ihr Dasein im wohltemperierten Nass genießen – ein wahrhaft  einzigartiger Anblick, den man so gewiss nur in der Heimat dieser  Zierkarpfen hat.
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