Morgengruß von Helmut Harff: Terra incognita

Gestern waren wir Gast des 92. Salons der Europafreunde Berlin. Auf dem Programm des Vereins stand das Thema Ukraine.  Ukraine – das Thema ist nun wirklich schon von allen Seiten beleuchtet.

Na ja, das meinte sicherlich nicht nur ich. Doch dann kam eine Frage, auf die keiner der 40 anwesenden Damen und Herren eine Antwort hatte. Die lautete ganz einfach: „Welche ukrainischen Künstler kennen Sie?“. Ukrainische Künstler? Noch nie von einem gehört. Mir fiel ein, dass ich viel im Radio über die Ukraine höre, doch ukrainische Musik, Kunst und Kultur? Darüber schweigt man sich aus. Warum eigentlich?

Doch zurück zu der Frage. Welche Ukrainer fallen mir überhaupt ein? Einige heutige Politiker, die Klitschkos. Da war doch noch der ehemalige KPDSU-Parteichef Nikita Chruschtschow, der der Ukraine – damals eine Sowjetrepublik – die Krim schenkte.  Auch der späterer Chef der Sowjetunion Leonid Iljitsch Breschnew wurde in der heutigen Ukraine geboren. Auf diese Liste gehören auch bekannte Menschen wie Stabhochspringer Serhij Bubka, die Schriftsteller Josepf Roth und Leopold von Sacher Masoch, der Tenor Joseph Schmidt, die Geiger Isaac Stern und Vladimir Horowitz sowie der Komponist Sergei Prokofjew. Auch die ehemalige Regierungschefin Israels Golda Meir, der Nazijäger Simon Wiesental und sogar Leo Trotzki, der die Rote Armee aufbaute, wurden auf dem Gebiet der heutigen Ukraine geboren.

Das Problem für das Land, das erst seit Anfang der 1990er Jahre unabhängig ist, ist, dass so gut wie niemand  die Genannten – vielleicht mit Ausnahme der Boxerbrüder Klitschko – mit der Ukraine in Verbindung bringt. Doch es ist nun mal wichtig für eine Gesellschaft, die ihren unabhängigen Platz in der Welt finden und behaupten will, dass sie mit herausragenden Persönlichkeiten in Verbindung gebracht werden. Was wären wir beispielsweise ohne Goethe und Schiller?

Wir würden der Ukraine sicherlich mehr als mit Waffenlieferungen helfen, wenn wir das Land, wenn wir die Ukrainer als ein Volk mit einer tollen Kultur, mit einer tollen Geschichte, mit herausragenden Persönlichkeiten wahrnehmen. Die beiden jungen Sängerinnen, die den Abend mit ihren Liedern nicht nur umrahmten, sondern ihn zu etwas ganz besonderes machten, die müssen auf die Bühnen unseres Landes – die kleinen und vor allem die großen. Die müssen zeigen, dass ukrainische Musik nicht nur Folklore ist. Die ausgestellten Bilder einer ukrainischen Künstlerin gehören in die Galerien, in die Museen. Ich frage mich, wo die Sonderausstellungen der ukrainischen Künstler bleiben. Ich frage mich, wo die anderen Künstler aus der Ukraine sind. Die wollen uns ganz sicher zeigen, wie toll die ukrainische Kunst und Kultur ist.

Ob es bald mal zu meinem Frühstück mit der Besten Frau der Welt ukrainische Spezialitäten gibt? Im Supermarkt habe ich die noch nicht entdeckt.

Ich wünsche Ihnen ein genussvolles Frühstück.

Gratulation allen, die heute Namenstag haben: Christian, Axel, Emilia

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