
Statt  mit freundschaftlichem Wangenkuss finden Begrüßungen per Ellenbogen  oder Fußknöcheln statt. Und die Mund-Nasen-Bedeckung ist zu unserem  unfreiwilligen Alltagsbegleiter geworden. 
Doch die Maske  erschwert unsere körpersprachliche Kommunikation ganz erheblich. Es  fehlt zwei Drittel der Mimik – die sonst viele Aufschlüsse über unser  Gegenüber und auch uns selbst gibt. Nicht nur das Lesen von Emotionen  wird zum Ratespiel, auch die Verständigung fällt uns schwerer. Wie also  können wir unsere Kommunikationsfähigkeiten an die aktuellen Zeiten  anpassen?
In allen Kulturen der Welt beginnen Kinder relativ kurz  nach der Geburt zu lächeln, selbst wenn sie blind sind. Das bedeutet:  Lächeln wird nicht durch Imitation gelernt, sondern ist uns als  zentraler, mimischer Ausdruck von Freude buchstäblich in die Wiege  gelegt. Das Lächeln erfüllt damit beim Kleinkind eine wichtige Funktion:  Mit dem Schreien locken Babys ihre Bezugsperson an, mit dem Lächeln  werden sie gebunden. Nonverbale Kommunikation kannten wir als Lebewesen  schon lange bevor wir sprechen konnten. Die Körpersprache ist viel älter  als die gesprochene Sprache.
Das Lächeln ist auch bei  Erwachsenen eine Art der mimischen Aussage und bietet Raum für  Interpretationen. Ob zugeneigtes oder partnerschaftliches Lächeln, Tief-  und Hochstatus-Lächeln oder Aggressions- und Signallächeln: das  Spektrum und die Vielfalt, wie Menschen lächeln können, ist enorm weit.  Der gesamte Gesichtsausdruck in der Betrachtung, die der Mikromimik, der  kleinsten, unbewussten Muskelbewegungen, überführt gar Lügner und  Kriminelle. Durch die TV-Serie „Lie to Me“ mit Hauptdarsteller Tim Roth  fand diese Wissenschaft ein breiteres Publikum. In den sechziger Jahren  des letzten Jahrhunderts erforschte der Anthropologe und Psychologe  Paul Ekman („Gefühle lesen“) das Themenfeld und entwickelte ein System  aus 43 Grundbewegungen des menschlichen Gesichts. 
Zwischen Intuition und Irritation
Menschen  treffen aufeinander – und genau in diesem Moment spüren und wissen  viele bereits intuitiv, was Sache ist: Uns ist es möglich, einen  Gesichtsausdruck zu verstehen und abzuschätzen, ob es sich um ein  untrügliches Zeichen von Zu- oder Abneigung handelt, um Zuspruch oder  Widerstand. Doch durch Corona und das Tragen einer Maske sind seit  einiger Zeit – und vermutlich wohl auch noch für eine Weile – große  Teile des Gesichts mit einem Mund-Nasen-Schutz verdeckt. Das irritiert  sowohl Sender als auch Empfänger der nonverbalen Gesichtskommunikation.  Selbst durchsichtige Masken lösen das Problem nur halbwegs, da der Blick  auf das transparente Plastik nicht zwingend sämtlichen ästhetischen  Ansprüchen genügt…
Spaß beiseite: In dieser Lage versuchen wir  nach Beseitigung der anfänglichen Irritation nach einer Lösung zu  suchen, um die Verständigung mit unserem gegenüber sicher zu stellen  Denn es ist klar: Wenn so viel Deutungsfläche ausfällt, wird der Fokus  auf das gelenkt, was noch sichtbar bleibt: die Augen. Für uns als  Maskenträger bedeutet  das: Der Blickkontakt, das Blickverhalten und  generell die Augen waren im Rahmen der Kommunikation schon immer wichtig  – jetzt sind sie zentrales Element und die letzten verfügbaren Fenster  zur Seele. 
Augen als wichtigstes Transportmittel von Botschaften
„Sie  können einen Menschen schlagen – mit Blicken können Sie ihn treffen.“  So heißt eine alte Weisheit. Wertschätzung und Aufmunterung genau wie  Abneigung passiert über den Blick. Die Bandbreite der  Ausdrucksmöglichkeiten unserer Augen ist enorm. In den aktuellen  Maskenträger-Zeiten ist dieses Wissen entscheidend – für beide Seiten.  Wer Maske trägt, muss sich bewusst sein, dass die Augen das verbliebene  Transportmittel von Aussagen und Botschaften sind. Was jemand fühlt,  wird weder vom Mund noch von sonstigen Gesichtsmuskeln vertuscht oder  verstärkt. Wer in ein Maskengesicht schaut, konzentriert sich auf den  Blick, um zu verstehen, was da in der Beziehung im buchstäblichen  Augenblick abgeht. 
Schau mir in die Augen, Kleines: Hierzulande  sind wir darin nicht sehr geübt. In asiatischen Ländern, in denen das  Tragen der Maske längst gang und gebe ist, unterstützen die Menschen  das, was sie sagen, noch mit einer Geste. Vorerst wirkt das affektiert,  denn wir sind es nicht gewohnt und haben es noch nicht geübt. Bisher  reichte es völlig aus, sich bei der Bäckerin am Morgen mit der Tüte  frischer Brötchen mit einem strahlenden Lächeln zu bedanken. Heute  braucht es ein laut und deutlich ausgesprochenes „Dankeschön“ und am  besten noch eine Daumen-hoch-Geste.
So lange uns die Maske in der  Alltagskommunikation begleitet, baucht es volle Präsenz. Jede kleinste  Abweichung der Aufmerksamkeit wird jetzt bemerkt. Widmen Sie sich ganz  Ihrem Gegenüber, schauen Sie ihm in die Augen, er tut es Ihnen gleich.  Übrigens habe ich in den letzten Wochen und Monaten feststellen dürfen,  wie viele Menschen wunderschöne Augen haben. Irgendwie ging das im  Zeitalter vor der Maskenpflicht eher etwas unter. 
Versuchen Sie  bitte nicht, dem anderen etwas vorzuspielen, das ist spürbar, denn dann  sind Sie nicht wirklich greifbar. Menschen hingegen, die man gut durch  aufmerksame Blicke und ruhige, sichere Gestik lesen kann, die sich trotz  Mund-Nasen-Schutz deutlich und hörbar artikulieren und ihren Worten  durch Betonungen bestimmtes Gewicht geben, helfen uns dabei, im Umgang  gelassener und zugänglicher zu werden.
FAZIT
- In Zeiten, in der man sich mit Masken begegnet, konzentriert sich die Aufmerksamkeit der mimischen Details auf die Augen.
- Somit entsteht kein mimischer Gesamteindruck mehr, sondern man nimmt wahr, was die Augen sagen.
- Augen sagen das, was man im Moment gerade fühlt.
- Bleiben Sie in einer Begegnung und einem Gespräch im höchsten Grad präsent.
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