„Da sind wir uns doch alle einig“, sagt Michael Steiner, Leiter der Konzernforschung und Entwicklung bei Volkswagen, „E-Mobilität ist die wesentliche Zukunft der Automobilindustrie.“ Das war eines der Statements beim Technischen Kongress des Verbandes der Automobilindustrie (VDA) in Berlin. Dort diskutierte die Branche zwei Tage lang mit Politik und Wissenschaft, wie die klimaneutrale Zukunft aussehen könnte.
2030 sollen 60 Prozent der weltweit im VW-Konzern gebauten Autos voll elektrisch sein, bei Porsche sogar 80 Prozent. E-Fuels, also die klimaneutrale Kraftstoffe, für die Bundesverkehrsminister Volker Wissing so vehement gekämpft hat, werden nach Einschätzung höchstens in Marktnischen oder im Altbestand eine Rolle spielen. Der hat es allerdings in sich: 1,3 Milliarden Fahrzeuge mit Verbrennermotoren sind weltweit unterwegs. Hier könnten e-Fuels einen wichtigen Beitrag zum Klimschutz leisten.
Einen Ausblick auf die urbane Mobilität gab Anjes Tjarks, grüner Verkehrssenator ein Hamburg. Auch für ihn hängt die Zukunft des Individualverkehrs vor allem am Stecker: Bis 2030 sollen mehr als die Hälfte der Pkw und Lastwagen in der Hansestadt elektrisch fahren. Ein Drittel des Autoverkehrs in der Stadt soll ganz entfallen. Ein besserer ÖPNV oder autonom fahrende Kleinbusse sollen die Pkw zumindest teilweise ersetzen. Bis zu 10.000 dieser „People Mover“, die ganz ohne Fahrer auskommen, will Hamburg bis 2030 einsetzen, sagte der Senator.
Ein Hersteller dieser Roboter-Busse könnte Holon sein. Die Tochtergesellschaft des Automobilzulieferer Benteler hat ein solches Fahrzeug zur Serienreife entwickelt und spricht mit den Hamburger Verkehrsbetrieben HVV über den massenhaften Einsatz. Bisher gebe es nur wenige Anbieter für People Mover, sagte Holon-Geschäftsführer Marco Kollmeier. Denn ein solches Fahrzeug zu entwickeln, sei „heavy Business“ und erfordere „Millionen an Investitionen“. 15 Passagiere kann der Holon befördern. Mit dem Smartphone rufen Fahrgäste den Mover und lassen sich nahe ihres Ziels in der Stadt wieder absetzen.
Auch Moia, der Ride-Sharing-Dienst von Volkswagen, wartet sehnsüchtig auf solche Fahrzeuge: „Die Fahrer machen 60 Prozent unserer Betriebskosten aus“, sagte Sascha Meyer, Chef von Moia. Deren elektrischen Kleinbusse sind derzeit nur in Hamburg und Hannover unterwegs. Geld verdienen lässt sich mit dem Dienst erst, wenn auf den Fahrer verzichtet werden kann. Und erst dann wird Moia in andere Städte expandieren. Dabei geht es uns nicht nur darum, Kosten zu sparen, sagte Meyer: „Sie finden auch nicht genügend Fahrer. Stichwort Fachkräftemangel.“
Uneinig ist sich die Branche, wie schwere Lkw in Zukunft angetrieben werden sollen. In der Hafenstadt Hamburg sind sie immerhin für einen größeren Teil der verkehrsbedingten CO2-Emissionen verantwortlich als die Pkw. Drei Technologien stehen zur Wahl: Der batterieelektrische Antrieb, die Brennstoffzelle und die Verbrennung von e-Fuels oder Wasserstoff. Während Bosch batterieelektrische Trucks nur auf kurzen Strecken und in den Städten sieht, will sie MAN auch auf der Langstrecke einsetzen.
Moderne 40-Tonner Lkw fahren rund 120.000 Kilometer im Jahr und verbrennen dabei rund 30.000 Liter Diesel, sagte Frederick Zohm, oberster Entwickler bei MAN. Um 50 Prozent der Lkw-Flotte in Europa auf Batteriebetrieb umzustellen und mit genügend Strom zu versorgen, müssten 6000 zusätzliche Windräder gebaut werden, rechnet Zohm vor. Und auch einen weitere Hürde ist zu nehmen: Derzeit kosten ein Batterie-Laster das dreifache seines Diesel-Pendants. Damit sich die Anschaffung für den Spediteur rechnet, müsste der Strom zum Industrietarif abgegeben werden, also für gut ein Drittel des Preises, den Privatkunden zahlen. Das ist bisher nicht vorgesehen.
Also doch e-Fuels? Bundesverkehrsminister Volker Wissing begründete beim Technischen Kongress des VDA noch einmal seinen Einsatz für Technologieoffenheit und synthetische Kraftstoffe in der klimaneutralen Mobilität: „Mehr Optionen bedeutet mehr Sicherheit. Ich möchte nicht, dass wir in Abhängigkeit geraten von Staaten, deren Wertesystem wir nicht teilen“, sagte Wissing im Hinblick auf die für Elektroautos nötigen Rohstoffen, die derzeit größtenteils von chinesischen Unternehmen kontrolliert werden. Zudem sei eine klimaneutrale Mobilität nicht denkbar ohne klimaneutrale Kraftstoffe. Dazu sei die Flotte der Verbrenner auf den Straßen zu groß und bis diese alle erneuert sind, vergehe zu viel Zeit.
Außerhalb der EU finde er niemanden, der die Verbrennertechnologie von vornherein ablehne, wie das in Europa der Falls sei. Der Minister sagte den anwesenden Automanagern: „Auch bei der Diskussion um Euro-7 bin ich auch in ihrer Seite.“ Euro-7, die geplanten neue Standards für Autos mit Verbrennungsmotoren sind höchst umstritten, weil dadurch preiswerte Kleinwagen viel zu teuer werden würden und vom Markt verschwinden. Autos müssten erschwinglich bleiben, sagte Wissing: „Mobilität ist ein Grundbedarf der Gesellschaft. Manche erwarten von mir, dass ich dieses Grundbedürfnis ignoriere.“ Das werde er nicht tun. (cen/Guido Reinking)
Foto: Autoren-Union Mobilität/Benteler
E-Lkw, e-Fuels, Roboter-Busse
Die Autobranche diskutiert die Zukunft
Veröffentlicht am: 02.04.2023
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