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Strahlender Glanz leicht getrübt

Der VW Grand California 600 getestet von Michael Kirchberger, Auto-Medienportal.Net

Die California-Familie von Volkswagen hat im vorigen Jahr Zuwachs erhalten. Während die bisherigen Modelle auf dem T 6.1 basieren, nutzt der größere Bruder den Crafter.

Zwei Versionen des Grand California sind zu haben, der 680 hat in seinem Heck ein Schlafzimmer mit längs eingebauten Betten, im kürzeren 600 schlafen die Camper hinten quer. Einen Waschraum mit Toilette, eine Küche mit Essecke und üppige Stehhöhe bieten beide.

Der Grundpreis von 57.775 Euro erscheint zunächst günstig. Schließlich gibt es dafür einen kräftigen Zwei-Liter-Diesel mit 177 PS (130 kW) samt einer achtstufigen Wandlerautomatik. Aber schon bei der Farbwahl wird klar, aus welcher Richtung der Wind weht. Einzig Candy-weiß gibt es ohne Aufpreis, dann strahlt der große California innen und außen wie vom weißen Riesen in die Mangel genommen. Metallicfarben oder gar Zweiton-Lacke kosten dagegen bis zu 3000 Euro extra.

Ziemlich hoch und nicht sehr breit

Auch von draußen wirkt der große California riesig. Das Hochdach aus GfK reckt sich fast drei Meter in den Himmel, damit schafft er es bei Höhenbegrenzungen nicht auf jeden Supermarkt-Parkplatz. 2,04 Meter Außenbreite hingegen reichen innen nicht ganz für die komfortable Länge der Querbetten im Heck, deshalb gibt es statt seitlicher Fenster hinten alkovenartige Verbreiterungen. Dennoch muss sich der Camper mit einem Bettenmaß von 1,92 Meter begnügen.

Die Schiebetür zum Wohnraum öffnet sich leise, mit noch geringerer Lautstärke fährt dabei automatisch eine Trittstufe davor aus. Drinnen empfangen ein warm-wohnlicher Bodenbelag in Schiffsplankenoptik und blendend weiße Möbelfronten den Camper. Das wirkt manchem zu klinisch und uncharmant, anderen gefällt die modern-sachliche Atmosphäre. Pflegeleicht sind die Möbelfronten aber nicht, wie auf einer Yacht sollten die Schuhe keine schwarzen Sohlen haben, sonst kommt es bei Möbelkontakt schnell zu hässlichen Abriebstreifen, die sich nur schwer wieder entfernen lassen.

Das Design des Mobiliars ist überaus ansprechend, die Verarbeitung sehr solide. Doch findet sich in den Einbauten nur wenig Stauraum. In der Küche mit einem völlig ausreichenden Kochstellen-Duo und Edelstahlspüle kommen Töpfe und Teller nur knapp in drei kleinen Schubladen unter. Vorräte müssen anderswo verstaut werden. 70 Liter passen in die Schublade des Kompressor-Kühlschranks, Weinflaschen jedoch zumindest stehend nicht. Angenehm ist die Nachtabsenkung des Geräts. Dann fährt die Elektronik die Kühlleistung herunter und verhindert so das häufige, brummende Anspringen des Verdichters.

Mit zwei Klappbrettern lässt sich die Anrichtfläche der Pantry vergrößern, allerdings schwenkt die rechte Verlängerung genau über die Matratze des Heckbetts. Wer da zu sorglos schnippelt, muss den Kopfkissenbezug wechseln. Der Weg zur Liegefläche ist nicht ganz unbeschwerlich. Immerhin einen Meter muss erklimmen, wer sich zur Ruhe begeben will. Zwar helfen die zwei Trittstufen, die in den beiden Brettern ausgeschnitten sind, die das Gepäckabteil unter dem Bett zum Innenraum hin absichern, doch ist das gerade barfuß nicht komfortabel. Dafür ist die Matratze sehr bequem, ihr Unterbau aus Tellerfedern passt sich der jeweiligen Schlafstellung perfekt an.

Lichtsensor im Waschraum

Auf der Fahrerseite hat der Waschraum seinen Platz. Auch hier ist alles strahlend weiß gestaltet, einen Lichtschalter gibt es nicht, dafür illuminiert ein Bewegungsmelder mit LED-Leuchte die Nasszelle beim Betreten. Während der Fahrt und zum Duschen wird das Waschbecken hochgeklappt, das verbessert die Platzverhältnisse auch bei der Toilettenbenutzung. Ein Vorhang ist beim Brausebad nicht notwendig, alle Fugen sind abgedichtet und dank zweier Abläufe in der Duschtasse fließt das Wasser auch dann ab, wenn der Grand California einmal nicht exakt in der Waagerechten steht.

Der große Tisch der nach vorne anschließenden Halbdinette ist nicht klappbar und ragt ein gutes Stück weit in den Wohnraum. Zur komfortableren Raumnutzung und während der Reise lässt er sich bei Nichtgebrauch auf dem Heckbett verzurren. Über den serienmäßig drehbaren Pilotensesseln für Fahrer und Beifahrer wird auf Wunsch und für rund 3000 Euro Aufpreis ein ausziehbares Kinderbett mit 1,70 Meter Länge installiert. Damit wird der Grand California eingeschränkt familientauglich, da das Zusatzgewicht seine Leermasse auf gut 3,1 Tonnen hievt. Kaum 400 Kilogramm sind dann noch als Zuladung erlaubt, zu wenig, wenn ein Quartett samt Abenteurer-Ausrüstung auf Urlaubsfahrt geht.

Dabei hat einzig der Kofferraum unter dem Heckbett ausreichenden Platz für Sportgerät und Vorräte. Zwar sind hier auch die beiden Elf-Kilogramm-Gasflaschen und der 110 Liter große Frischwassertank untergebracht, doch bieten die gegenüberliegenden Bodenschränke reichlich Raum für die Mitnehmsel. Dank des klappbaren Bettenrosts können Fahrräder innenbords transportiert werden.

Den Weg zum Ziel erledigt der Grand California als Paradedisziplin. Im Fahrerhaus gibt es mehr Ablagen als im Wohnbereich, hier wie dort mehr als ausreichend viele Stromquellen als USB-, 12- oder 230-Volt-Anschluss. Die nächtliche Verdunkelung mit Magnet-Vorhängen und einer Stangenmechanik wird allerdings aufgrund der großen Fensterflächen zum Puzzlespiel.

Auch die Campingmöbel kosten extra

Der Dieselmotor ist mit 410 Newtonmetern Drehmomentspitze durchzugsstark wie kaum ein anderer, die Automatik wechselt die Übersetzungen immer passend und überaus sanft. Nur bei Seitenwind wird die Fahrt trotz des serienmäßigen Stabilisierungsassistenten unruhig, die Federung dagegen zeigt sich stets sanftmütig und steckt schlechte Straßen fast schon genussvoll weg. Auch beim Verbrauch hält sich der Grand California zurück, 10,4 Liter Diesel auf 100 Kilometer erlauben bei 70 Liter Tankinhalt ordentliche Reichweiten. Die Abgase werden per Harnstoffeinspritzung gereinigt.

Bleiben die vielen Extras. 357 Euro kosten elektrisch verstell- und anklappbare Außenspiegel, die Klimaanlage fürs Fahrerhaus fast 2000 Euro. Auch die beiden Campingstühle, die samt Tisch in den Hecktüren verstaut sind, belasten das Budget mit 512 Euro. Am beeindruckendsten agiert der Parklenkassistent mit Parkpilot für 1368 Euro, der den 3,5 Tonner mit der Magie des 21. Jahrhunderts automatisch in kleinste Lücken rangiert. Wer sich von den Sorgen um Überladung befreien will, zahlt 690 Euro für die Auflastung auf 3,88 Tonnen.

Der Grand California versucht, modernes Design und aktuelle Technik im Camping-Van zu vereinen. Das gelingt meist funktional aber nicht immer charmant. Die Erfahrungen, die VW seit den 1990er Jahren mit dem damals noch auf dem T 3 basierenden California oder später dem LT-Ausbau Florida gesammelt hat, vermissen wir schmerzlich. Dennoch dürfte der große California den Geschmack der heranwachsenden Camper-Generation treffen. Denn sie weiß nicht, dass früher manch eine einfachere Lösung nicht minder funktional war und schon gar nicht weniger solide.

Foto: Auto-Medienportal.Net/Michael Kirchberger

 


Veröffentlicht am: 02.09.2020

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