(Joseph Scheppach & Ingrid Holzinger) Das Opernfestival von Verona ist eines der wohl bewegendsten Opernfestivals in Europa.
In der unnachahmlichen Kulisse des antiken römischen Amphitheaters werden von Juni bis September viele Opernklassiker und besondere Inszenierungen aufgeführt. In der Arena di Verona erlebt man nicht nur Opern auf höchstem Niveau – man genießt sie auch noch in einzigartiger Atmosphäre.
Neben der Kraft der Musik beeindrucken die Opernfestspiele ihr Publikum durch imposante Kulissen und die monumentalfilmähnlichen Inszenierungen auf der gigantischen Bühne. Sie ist 1.500 Quadratmeter groß und der Abstand von der Bühnenrampe bis zu ersten Sitzreihe im Innenraum beträgt 50 Meter.
Prominente Namen
"Das ist keine Saison wie jede andere. Diese Ausgabe der Opernfestspiele haben wir erträumt und können sie jetzt endlich realisieren. Nach dem schrecklichen Dunkel der Pandemie feiert die Arena ihre Wiedergeburt in ihrer umfassend möglichen Form“, sagt Oberintendantin Cecilia Gasdia. Endlich wieder könne die Arena ihre Tore öffnen.
Dabei sind prominente Namen: Anna Netrebko und Yusif Eyvazov, die nach der auβergewöhnlichen Erfahrung vom Jahr 2019 wiederum zusammen in drei nicht zu versäumenden Vorstellungen von Turandot auftreten, sowie das Paar Roberto Alagna und Aleksandra Kurzak zusammen in einem raren Auftritt in beiden Rollen von Cavalleria rusticana und Pagliacci. Auf dem Spielplan auch das allseits erwartete Debüt von Jonas Kaufmann und die Rückkehr auf die Bühne der Arena von Spitzenstars wie Plácido Domingo und Roberto Bolle, Publikumslieblinge des Opernfestivals. Allseits erwartet ist auch die Rückkehr in die Arena von Katia Ricciarelli in der Rolle der Mamma Lucia in Cavalleria rusticana. Die Premiere lag in den Händen des derzeit erfolgreichsten italienischen Dirigenten. Riccardo Muti kehrte nach 41 Jahren nach Verona zurück und dirigierte zum Auftakt die Aida in Konzertform.
"Die Premiere mit Maestro Muti ist für uns ein ganz besonderes Ereignis - dass er nach so vielen Jahren wieder in der Arena ist, um hier den 150. Geburtstag der Uraufführung der Aida zu feiern. Insgesamt wird es eine unglaubliche Saison werden", verspricht Veronas Bürgermeister Federico Sboarina, der auch Präsident der Arena-Stiftung ist.
6000 Zuschauer sind für jede der 42 Vorstellungen der Opernfestspiele in diesem Sommer zugelassen. Damit kann, nach der pandemiebedingten Absage im vergangenen Jahr, das größte noch erhaltene antike Freilufttheater der Welt fast die Hälfte seiner Kapazität nutzen.
Auf dem Programm stehen nach den zwei Konzertabenden mit Muti die Cavalleria rusticana und Pagliacci, Aida, Nabucco, La Traviata und Turandot.
"Wir haben sechs neue Bühnenbilder, auch mit neuen Kostümen. Das Produktionsmodell der Arena sah seit 2002 vor, dass es im Programm eine neue Produktion und vier, fünf Wiederaufführungen gibt. In diesem Jahr werden wir nur neue Aufführungen sehen und das ist eine große Herausforderung“, betont der stellvertretende künstlerische Leiter Stefano Trespidi und erklärt, dass sich die Oper in diesem Jahr so präsentieren wird, wie sie noch nie zu sehen war. "Es wird eine LED-Wand von fast 400 Quadratmetern geben, also einen massiven Einsatz von Technologie. Wir haben die Gelegenheit genutzt, die uns die Geschichte bietet, um jetzt also einen Sprung nach vorne zu machen."
Aida
Alle sechs Opern dieses Sommers in Verona sind in Zusammenarbeit mit führenden italienischen Museen realisiert worden, passend zum Thema der jeweilige Werke. In die Bühneninszenierung der Aida beispielsweise ist das Ägyptische Museum Turin eingebunden. Denn Ägypten zur Zeit der Pharaonen ist der Schauplatz der grandiosesten Oper Verdis, die gleichzeitig auch das tiefgehendste Drama seines Schaffens ist.
Aida präsentiert eine Serie von persönlichen Tragödien, die sich vor einem eindrucksvollen Hintergrund abspielen, getragen von Riten und pompösen Prozessionen. Einerseits Triumphszenen mit Pauken und Trompeten, andererseits finden die inneren Konflikte der Liebenden Ausdruck in den Streichern und Holzbläsern, und in der Ferne die unheilvolle Stimme von Isis. Unter dem Himmel des antiken Ägypten, erreicht Verdi eine Reife und Tiefe, die erneut seine unablässige Suche nach menschlicher Wahrheit versinnbildlicht, und in den Sorgen und Qualen von Aida, Amonasro und Radames verdeutlicht wird. Das gesamte Meisterwerk wird von Verdis melodischer Brillanz getragen, mit der er alles dominiert und fasziniert.
Nabucco
Für Nabucco ist das Museum für das Judentum in Ferrara in die Bühneninszenierung eingebunden. Den Grund enthüllt bereits der erste Akt: „Gerusalemme“ – Jerusalem. König Nebukadnezar (Nabucco) belagert Jerusalem. Der Hohepriester Zaccaria macht den im Tempel versammelten Hebräern Hoffnung auf Rettung, denn Nabuccos zweite Tochter Fenena befindet sich in seiner Gewalt. Doch Nabucco erobert den Tempel, Ismaele übergibt dabei Nabucco Fenena, um deren Geisel-Tod zu verhindern – dafür wird er von den Hebräern als Verräter beschimpft. In Babylon erfährt Nabuccos erste Tochter Abigaille, daß sie lediglich Tochter einer Sklavin sei. Nabucco hält man dort inzwischen für tot. Man erklärt Fenena zu seiner Nachfolgerin. Da erscheint Nabucco und will nun als König und Gott verehrt werden. Abigaille läßt den wahnsinnigen Nabucco in den Kerker werfen, krönt sich selbst und verurteilt Fenena zum Tode. Als Nabucco zum Gott der Hebräer fleht, verlässt ihn der Wahnsinn und er kann wieder die Regierungsmacht übernehmen. Daraufhin vergiftet Abigaille sich selbst.
Die Oper hat einerseits das Streben des jüdischen Volkes nach Freiheit aus der babylonischen Gefangenschaft zum Thema. Andererseits steht die extreme Selbstüberschätzung des Titelhelden Nabucco im Zentrum. Nabucco will sich der Handlung der Oper nach selbst zu Gott machen. Freiheitswille und Sieg eines unterdrückten Volkes offenbart sich im „Gefangenenchor“ – fast eine italienische Nationalhymne.
Turandot
Bei Turandot ist das Museum für chinesische Kunst in Parma in die Bühnengestaltung miteingebunden. Denn schon der erste Akt beginnt vor den Mauern der chinesischen Kaiserstadt. Turandot, Puccinis letzte, unvollendete Oper handelt von der Prinzessin Turandot. Diese lässt alle Männer ermorden, die um ihre Hand anhalten, wenn sie ihre drei Rätsel nicht lösen können. Nach einigen Umwegen findet sie aber schliesslich doch zur Liebe. Es ist ein Kuss, der die eiskalte Prinzessin umstimmt und dann mit viel Pomp doch noch heiraten lässt.
Puccini selbst schrieb vier Jahre an Turandot. Er erfand eine neue Figur, stellte der eiskalten Prinzessin die gefühlvolle Sklavin Liù gegenüber. Liù ist es denn auch, die durch ihr Opfer die Verwandlung der bösen Prinzessin initiiert, lange bevor der Kuss des Prinzen das Eis um Turandots Herz endgültig zum Schmelzen bringt.
Für den musikalischen Schluss suchte der Komponist nach einer „ungewöhnlichen, markanten Melodie“. Er notierte: „tipica, vaga, insolita“. Puccini konnte sich aber auf keine festlegen, obwohl er wusste, dass er schwer krank war. So endete Puccinis Werk mit dem Tod von Liù – und seinem eigenen.
La Traviata
Giuseppe Verdi komponierte 1852 die Oper La Traviata, die die Geschichte der “vom Weg Abgekommenen“, also einer Kurtisane zum Inhalt hat. Die italienisch gesungene Oper gehört zu den bekanntesten Opern überhaupt. Die Story hat den Roman La dame aux camélias (Die Kameliendame) von Alexandre Dumas zum Inhalt.
Francesco Maria Piave schrieb das Libretto für das Drama, in dem der attraktive Alfredo sich in die tuberkulosekranke Kurtisane Violetta verliebt hat. Sie ziehen gemeinsam auf einen Landsitz bei Paris. Alfreds Vater und die Familie sind gegen das Verhältnis. Er bedrängt Violetta, sich von Alfred zu lösen. Sie zieht aus und Alfred ist enttäuscht und wütend. Er demütigt seine Freundin auf einem großen Fest vor allen Gästen. Die unheilbar kranke Violetta erklärt ihm trotzdem nochmals ihre Liebe. Sie stirbt und ein reuiger Freund und sein Vater bleiben zurück.
Die Oper wurde am 6. März 1853 am Teatro La Fenice uraufgeführt und es gab ein Desaster. Verdi hatte sich getraut, das Leid einer von der Gesellschaft geächteten Person in den Mittelpunkt zu stellen. Das war ein Affront gegen die adlige Gesellschaft, die sich mit dem Vorwurf der Unmoral konfrontiert sah. Verdi selbst sah sich und sein damaliges Verhältnis mit seiner Lebensgefährtin, der Sängerin Giuseppina Strepponi, unter diesem Blickwinkel. Giuseppina Strepponi hatte mehrere uneheliche Kinder mit Giuseppe Verdi und galt daher in der Gesellschaft als eine „La Traviata“.
Violetta Valery wird von Sonya Yoncheva gespielt, Alfredo Germont von Vittorio Grigòlo. Der Dirigent der Inszenierung von Franco Zeffirelli ist Francesco Ivan Ciampa .
Steinstufen-Oper
Während bei allen Aufführungen das Publikum im „Parkett" eher andächtig dem Geschehen auf der Bühne folgt, leidet und jubiliert das Volk auf den Steinstufen der unnummerierten Ränge seit jeher mit seinen Opernhelden. Arien und Chöre werden mit Seufzern, Kommentaren und einem Schluck vom – in Plastikflaschen mitgebrachten - Rotwein begleitet.
Hier auf den preiswerten Rängen ist Oper ein lässiges Vergnügen. Statt Abendgarderobe trägt man bequeme Kleidung und bringt sein Sitzkissen selber mit. Die nackten Steine sind hart. Doch dafür wird man durch einen hervorragenden Blick und die ausgelassene Stimmung und die einmalige Atmosphäre unter einem romantischen Sternenhimmel entschädigt. Eine einmalige Gelegenheit für alle Opernfans.
Das Programm finden Sie hier.
Foto: EnneviFoto
Opernfestival in Verona
Das antike Theater präsentiert sich so prachtvoll wie nie zuvor
Veröffentlicht am: 21.06.2021
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