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Dethleffs: Mit dem E-Caravan über die Alpen

Noch nur mit einem Prototyp

(Michael Kirchberger, Autoren-Union Mobilität) Der Wohnwagenhersteller Dethleffs sieht sich gerne als Pionier des Caravanings. Immerhin hat Unternehmensgründer Arist Dethleffs schon 1931 einen ersten Reisewagen gebaut, mit dem er auf Verkaufstour zu seinen Kunden ging. Nun hat die Marke ein neues, selbstgestecktes Ziel erreicht.

Ein Wohnwagen mit eigenem elektrischen Antrieb schaffte es im Schlepp eines Audi e-tron ohne Nachzuladen von Isny im Allgäu bis nach Riva am Gardasee über den Alpenhauptkamm. Und bis an die Südspitze des oberitalienischen Gewässers hätten die verbliebenen 20 Prozent Batterieleistung wohl auch noch gereicht.

Alexander Leopold, Geschäftsführer bei Dethleffs, sieht die Elektrifizierung des Wohnwagens als Meilenstein auf dem Weg zu nachhaltiger Camping-Mobilität. Bereits 2017 hatte das Unternehmen einen Reisemobil-Prototypen mit Akku und Elektromotor gezeigt, dessen Reichweite war allerdings nicht der Rede wert. Beim Caravan entstand darauf die Idee, ihn mit Batterien auszustatten, die wiederum das Elektrofahrzeug vor der Deichsel mit zusätzlicher Energie beliefern sollten. Denn dessen Verbrauch verdoppelt sich selbst mit einem Leichtbau-Caravan am Haken nahezu, die Reichweite sinkt demnach um die Hälfte. Das Projekt erwies sich jedoch als eher problematisch, erst ein Kontakt und die nachfolgende Kooperation mit dem Automotive-Entwickler ZF in Friedrichshafen führte zu einem Eigenantrieb des Wohnwagens.

Am 22. Juni 2021 startete das Dethleffs-Audi-Gespann früh am Morgen in Isny. Die Route führte über Garmisch-Partenkirchen, den Fern- und Brennerpass, bis schließlich nach 386 Kilometer Fahrtstrecke Riva am Lago die Garda erreicht wurde. 4870 Höhenmeter bezwang das Gespann an Steigungen, 5480 Höhenmeter rollte es im Gefälle hinab und rekuperierte dabei eine Menge Energie. Ein Leichtgewicht ist das Anhängsel keineswegs. Zwar wiegt der Leichtbaucaravan Coco nur 800 Kilogramm, die beiden vorn und hinten in seinem Chassis eingebauten Akkus mit jeweils 40 kWh Kapazität bringen jedoch zusätzliche 600 Kilogramm an Bord, weitere acht Zentner steuern die Leistungselektronik und Wandler bei. Die Elektrifizierung steigert das Leergewicht des Caravans um rund eine Tonne.

Die beiden Radmotoren des Anhängers leisten jeweils 30 kW und geben 90 Newtonmeter Drehmoment-Maximum ab. Eine Mitfahrt im Prototypengespann beweist erstaunliches Beschleunigungsvermögen. Auch die Schlingerneigung der Kombination wird durch den gezielten Krafteinsatz der beiden E-Maschinen zuverlässig unterbunden. Ein Modul in der Anhängerkupplung erkennt Pendelbewegungen frühzeitig und steuert mit präzisem und unterschiedlichem Krafteinsatz der E-Motoren entgegen. Auch ohne Zugwagen kann der Elektro-Wohnwagen bewegt werden, im Schritttempo bezwingt er dann sogar bis zu vier Zentimeter hohe Barrieren, lässt sich auf diese Weise auf dem Campingplatz mühelos in die reservierte Parzelle rangieren. Problematisch wird dagegen das Nachladen, räumt sogar Rüdiger Freimann, Chefentwickler der Erwin Hymer Group, zu der Dethleffs gehört, ein. Die aktuellen Ladeparkplätze sind nicht auf Gespanne, sondern nur auf Solofahrzeuge ausgelegt. Die Parkräume sind zu klein.

Angetriebene Anhänger aktuell in der EU noch nicht erlaubt


Ohnehin gibt es im Augenblick noch keine rechtliche Basis für einen Großserieneinsatz des elektrifizierten Caravans. Denn aktuell sind angetriebene Anhänger in der EU nicht erlaubt, auch eine mögliche Führerscheinregelung steht noch aus. Dennoch ist die Entwicklung vielversprechend, denn wenn die EU das Ende des Verbrennungsmotors ausruft, würde das ein Ende fürs Caravaning in seiner heutigen Form bedeuten. Kleinserien sind jedoch möglich, bis zu 1500 Exemplare je EU-Land könnten schon bald zum Verkehr zugelassen werden.

Wobei es gewiss noch gut drei Jahre dauert, bis das System ausreichend geprüft und kalibriert sein wird. Dann aber könnten Camper auf ihren Plätzen den gewohnten Komfort genießen. Klimaanlage, Induktionskochfeld und die Heißwasserbereitung würden ganz einfach mit elektrischer Energie betrieben. Eine Ladeinfrastruktur auf den Plätzen wird sich so schnell nicht realisieren lassen, meint Rüdiger Freimann. Allerdings hat der Coco eine etwa 25 Quadratmeter große Markise. Wenn die mit Solarzellen bestückt werden könnte, würde die Leistung ausreichen um die Akkus des Hängers gemächlich wieder aufzuladen. An einer Ladestation mit 50 kW dauert der Vorgang rund 1,5 Stunden.

Über die Kosten wird noch nicht gesprochen. Nur, dass Dethleffs und ZF mittlerweile fünf Millionen Euro in das Projekt investiert haben. Im mittleren, fünfstelligen Bereich könnte der E-Caravan positioniert werden. Der lohnt sich nur dann, wenn er als Energiespeicher in den heimischen Haushalt integriert wird und so selbst erzeugten Solarstrom speichert. Denn statistisch wird ein Wohnwagen deutlich seltener als ein Personenwagen genutzt. Das aber erfordert einen Abstellplatz auf dem eigenen Grundstück, was die Zahl der potenziellen Kunden arg einschränkt.

Dennoch ist zu erkennen, dass der E-Caravan schon in nicht zu ferner Zukunft auf Straßen und Campingplätzen auftauchen wird. Bis dahin sind jedoch noch eine Menge an Aufgaben zu erledigen.

Foto: Autoren-Union Mobilität/Dethleffs

 


Veröffentlicht am: 24.07.2021

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