
Es  geschieht vermutlich täglich: an einer roten Ampel und bei laufendem  Motor „mal eben“ per kontinuierlichem Glukosemessgerät (rt-CGM) oder  flash-glucose-monitoring-(isc-CGM) die aktuelle Glukosestoffwechsellage  prüfen. 
Was viele Menschen mit Diabetes nicht wissen: Wie die  Nutzung des Handys am Steuer gilt auch dies als Verstoß gegen die  Straßenverkehrsordnung (StVO) – und wird mit einem Bußgeld von aktuell  mindestens 100 Euro sowie mindestens einem Punkt in Flensburg geahndet;  dazu kann auch ein Fahrverbot drohen. Der Ausschuss „Soziales“ der  Deutschen Diabetes Gesellschaft (DDG) weist in einer Stellungnahme  Autofahrende auf diese Rechtslage hin und erklärt, wie Menschen mit  Diabetes ihre Werte sicher und rechtskonform im Straßenverkehr  überprüfen können. 1 Gemeinsam mit der gemeinnützigen Organisation  diabetesDE – Deutsche Diabetes-Hilfe fordern die Experten, diese  wichtige Information auch in die Aufklärung, Schulung und Beratung von  Patientinnen und Patienten mit aufzunehmen.
Laut § 23 Abs. 1 a  StVO dürfen beim Führen eines Fahrzeugs elektronische Geräte, die „der  Kommunikation, Information oder Organisation dienen“, nur benutzt  werden, wenn sie dafür weder aufgenommen noch gehalten werden müssen und  zur Bedienung und Benutzung der Blick nur kurz vom Verkehrsgeschehen ab  und dem Gerät zugewendet wird.² „Wir empfehlen unseren Patienten stets  regelmäßige Kontrollen ihrer Glukosewerte bei Autofahrten, um  gefährliche Unterzuckerungen rechtzeitig zu erkennen und zu vermeiden“,  erklärt Dr. med. Wolfgang Wagener, Vorsitzender des DDG Ausschusses  „Soziales“. „Dass eine spontane CGM-Anwendung oder ein FGM-Scan bei  laufendem Motor als Verstoß gegen die Verkehrsregeln gewertet wird und  zu erheblichen Problemen führen kann, ist nicht allen bewusst.“ Aus  aktuellem Anlass gab der Ausschuss nun eine Stellungnahme heraus, die  auf diese Rechtsgrundlage hinweist.
Ob im Auto, auf dem Motorrad,  E-Bike, E-Scooter oder Fahrrad: Bevor Fahrerinnen und Fahrer das CGM  oder die Insulinpumpe bedienen, müssen sie ordnungsgemäß an den  Straßenrand fahren und gegebenenfalls den Motor abstellen. Denn die  Bedienung solcher Geräte kann zur verminderten Aufmerksamkeit für die  Verkehrslage, zu Fahrfehlern und zu Unfällen führen. Das Verbot gilt  auch an roten Ampeln und für Situationen, in denen sich der Motor  automatisch abschaltet (Start-Stopp-Automatik). „Ein kurzer Blick aufs  Display zum Ablesen des Glukosewerts ist zulässig, sofern das Messgerät  dazu nicht aufgenommen oder bedient werden muss“, führt Rechtsanwalt  Oliver Ebert, Rechtsexperte der DDG und diabetesDE – Deutsche Diabetes  Hilfe, aus. Er empfiehlt den Einsatz einer Handy-Halterung: Ein  Tastendruck zum Einschalten des Displays wäre dann unproblematisch,  sofern dies zu keiner Ablenkung führt. „Wir raten jedoch davon ab, das  Gerät mehrfach anzutippen oder zum Messwert zu scrollen. Das absorbiert  zu viel Aufmerksamkeit vom Verkehr.“ Die Rechtsprechung sei sehr streng,  da bereits das Ablegen des Gerätes auf dem Oberschenkel schon als  „Halten des Gerätes“ angesehen werde.
Die Folgen einer  Verkehrswidrigkeit können weitreichend sein: „Kommt es im Zusammenhang  mit einer Gerätebedienung zu einem Unfall, könnten Gerichte schnell ein  fahrlässiges Verhalten unterstellen“, warnt Ebert. Dem Unfallverursacher  drohen dann hohe Strafen, Schadensersatzforderungen oder gar Gefängnis.  Ebert weist zudem darauf hin, dass es zu einer Meldung an die  Straßenverkehrsbehörde führen kann, wenn rt-CGM oder Insulinpumpe bei  einer Polizeikontrolle auffallen. Der Fahrerende könnte von der  Führerscheinbehörde dann womöglich zu einer verkehrsmedizinischen  Untersuchung aufgefordert werden, deren Kosten er oder sie selbst tragen  muss.
Diabetespatienten, die mit Systemen zur kontinuierlichen  Glukose-Messung und/oder Insulinpumpen behandelt werden, sollten also  bereits in Schulungen und Therapien ausdrücklich auf diese Rechtslage  hingewiesen werden, fordern DDG und diabetesDE. „Die Informationen  sollten ab sofort in entsprechende Schulungscurricula aufgenommen  werden“, rät Wagener. In der Beratung sollten mit den Menschen mit  Diabetes Maßnahmen entwickelt werden, die eine Vereinbarkeit von  größtmöglicher Verkehrssicherheit einerseits und Schutz vor riskanten  Glukoseverläufen während der Fahrt andererseits ermöglichen. „Wichtig  für Behandelnde ist auch, sich selbst juristisch abzusichern und die  Aufklärung und Beratung in der Krankenakte zu dokumentieren“, ergänzt  Wagener. Fehlende oder mangelhafte Aufklärung sowie fehlende  Dokumentation stellten ein großes Risiko für die eigene (Mit-)Haftung  oder gar Strafbarkeit dar.
Beide Experten raten Diabetespatienten  zu folgendem Vorgehen im Straßenverkehr: Bei Verdacht auf eine  Unterzuckerung oder vor der regelmäßigen Kontrolle der Glukose sollte  der Fahrer seine Teilnahme am Straßenverkehr sofort beenden, indem er  sicher parkt oder die Warnblinkanlage einschaltet, an den Straßenrand  fährt, das Fahrzeug zum Stehen bringt und den Motor abschaltet.  Zweiradfahrer müssen absteigen. Dann kann man rechtskonform alles  Notwendige für seinen Diabetes tun.
1)Stellungnahme  des Ausschusses „Soziales“ der DDG:  https://www.deutsche-diabetes-gesellschaft.de/politik/stellungnahmen/gemeinsame-stellungnahme-zur-versorgung-von-kindern-und-jugendlichen-mit-automatischen-insulindosierungssystemen-agpd-ddg-dgked-agdt-1-1
²Rechtslage: https://www.gesetze-im-internet.de/stvo_2013/__23.html
Foto: Pixabay
Blutzuckermessen am Steuer ist verkehrswidrig!
Mit Diabetes sicher und rechtskonform durch den Straßenverkehr
Veröffentlicht am: 16.02.2022
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