Etwa  14.500 Tankstellen gibt es in Deutschland. Für die meisten ihrer  Besucher ist der Aufenthalt nur von kurzer Dauer. Benzin oder Diesel in  den Tank pumpen lassen, an der Kasse bezahlen und schon geht die Fahrt  weiter. 
Allenfalls was Süßes vom Grabbeltisch und ein Getränk  aus dem Kühlregal werden noch mitgenommen. In Zukunft könnte sich das  grundlegend ändern. Denn die Mineralöl-Unternehmen Aral und Shell  planen, immer mehr ihrer Stationen mit Ladesäulen auszurüsten. 200  Anschlüsse sollen es bei Shell, 100 bei Aral schon bis zum Jahresende  werden.
Die Hamburger Agentur Adler Smart Solutions, die sich  hauptsächlich mit Fragen der Photovoltaik beschäftigt, sieht in dieser  Entwicklung eine Chance für neue Geschäftsmodelle. Die Tankstelle der  Zukunft wird zum Mobilitäts-Knotenpunkt.
Da der Ladevorgang  selbst bei Super-Ladesäulen deutlich mehr Zeit in Anspruch nimmt, als  das Tanken von 50 Liter Flüssigtreibstoff, stehen die Betreiber vor  einer Herausforderung. Denn die Kosten für die Einrichtung der  Ladestationen sind hoch, gut 300.000 Euro kostet ein Anschluss. Außerdem  gibt es bei den meisten Tankstellen keine Verbindung zum  Mittelspannungsnetz, die muss erst geschaffen werden, wofür nochmals  kostenintensive Straßen- und Installationsarbeiten zu zahlen sind. Tajo  Adler, Inhaber der Hamburger Agentur, sieht daher ein völlig neues  Portfolio der Tankstellenbesitzers. Das müsse den Besuch attraktiver und  gleichzeitig sinnvoll machen. Denkbar sei unter anderem eine  Wechselstation für Akkus von E-Bikes und -Scootern, auch ein kleiner,  angeschlossener Reparaturbetrieb könne helfen, den Besuch reiz- und  sinnvoller zu machen. Vor allem aber ein ausgedehntes Warenangebot in  den üblichen Shops gäbe der längeren Verweildauer doppelten Sinn.
Packstation und Landeplatz für Drohnen
Als  weitere Dienstleistungen könnten an der Tankstelle Packstationen  eingerichtet werden, Spezial-Waschanlagen könnten den Fahrzeuglack  pflegen, auch wenn das E-Auto an der Ladesäule angeschlossen ist. Noch  weiter in die Zukunft haben Aral und das Deutsche Zentrum für Luft- und  Raumfahrt (DLR) gedacht und stellen sich Landeplätze für Lufttaxis oder  Transportdrohnen vor. Allerdings könnten sich die Ladezeiten im nächsten  Schritt verkürzen, wenn Super-Charger mit 350 kW die Energie in den  Akku pressen. Damit ließen sich theoretisch in zehn Minuten fast 350  Kilometer Reichweite laden. Allerdings ist zumindest heute die Mehrzahl  der E-Autos nicht für diese Kraftladung vorbereitet. Im Durchschnitt  vergehen immer noch Stunden, bis eine Batterie nennenswert gefüllt  wurde.
Einheitliche Steckersysteme erforderlich
Eine  Vereinheitlichung der Ladesysteme ist aus Sicht von Joscha Lauer, Leiter  Elektromobilität bei Adler, eine dringend zu fordernde Maßnahme: „Mit  nur einem Steckersystem würden sich die Investitionskosten zumindest ein  wenig reduzieren und der Komfort für die Nutzer wesentlich verbessern.“  Er präferiert dabei das CCS-System, das deutlich schneller arbeite als  der verbreitete Stecker Typ 2. Die Planung für Ladestationen muss sehr  sorgfältig gestaltet werden. Die Fahrwege der Kunden gilt es dabei  ebenso zu berücksichtigen wie die der Anlieferer von Waren für den Shop  oder die Tanklastwagen, die nach wie vor Kraftstoff heranschaffen.
China ist einen Schritt weiter
Das  Geschäftsmodell Tankstelle ist also im Wandel. Aus den bisherigen  Bistros mit Kaffee, Backwaren und Bockwurst könnten kleine Restaurants  werden, in denen sich Kunden die Zeit kulinarisch vertreiben können. In  China gibt es das bereits, dort können die Bestellungen schon vom Auto  aus aufgegeben und bezahlt werden. Und dort funktioniert ein weitere  Besonderheit prächtig: Insbesondere die Besitzer von Premium-Limousinen  lassen diese meist von ihrem Fahrer zum Service-Center bringen. Dieser  bleibt während der Wartung oder Reparatur vor Ort, kann dort einkaufen,  sich die Haare schneiden oder in einem Kleinkino unterhalten lassen.
Und dann auch noch Wasserstoff
Planungssicherheit  ist allerdings nur begrenzt vorhanden. Denn die Wasserstoff-Initiative  der Bundesregierung fördert nun einen weiteren, nach Ansicht vieler  Experten weitaus erfolgversprechenderen Energieträger. Eine  Wasserstoff-Infrastruktur neben der für elektrisches Laden an der  Steckdose zu schaffen, wäre jedoch unsinnig teuer und eine große  technische Herausforderung obendrein. Zumal alternative Kraftstoffe wie  synthetisch und CO2-neutral hergestelltes Benzin oder Diesel noch lange  nicht aus dem Rennen als Energieträger der Zukunft sind. Damit würde die  Auswahl der richtigen Zapfpistole an der Säule dann aber tatsächlich zu  einer besonderen Herausforderung.
Foto: Auto-Medienportal.Net/Aral





