(Peter Schwerdtmann, Auto-Medienportal.Net) Vor fünf Jahren, als Alain Visser uns den Lynk & Co und die Idee dahinter vorstellte, hat er es genossen, als Querdenker bezeichnet zu werden.
Doch das Wort hat seinen ursprünglichen Charme wegen Corona eingebüßt. Und der gestandenen Automobilmanager aus Belgien steht wohl kaum im Verdacht, die Ebene der Vernunft verlassen zu haben, obwohl – ein paar Ideen hinter dem Konzept von Lynk & Co klingen schon ein bisschen, als seien sie nicht von dieser Welt.
Doch Corona lehrt uns, dass diese Welt so gut nun auch nicht ist. Die Lage ruft nach Veränderung. Die Idee, dazu das Auto verschwinden zu lassen, hatten schon andere. Doch Lynk & Co will Autos in die Welt setzen. Die Marke massiert eher Begriffe wie Eigentum und Nachhaltigkeit. Sie bewegt sich auf ihrem ganz eigenen Weg in Richtung Carsharing. Die Idee: Wir gründen einen Club.
In jedem Monat, in dem ein Mitglied seinen Beitrag von 500 Euro bezahlt hat, kann es sein Auto fahren. In dem Beitrag sind – wie bei einem Vollkosten-Leasing – alle Kosten außer Kraftstoff enthalten. Das Clubmitglied kann den Wagen nahtlos für eigene Zwecke einsetzen so lange er zahlt, er kann aber auch an dem großen Display einen Knopf drücken und damit seiner Familie, seinen Freunden und den anderen Clubmitglieder das Auto zu Benutzung freigeben. Die Clubsatzung, die das regelt, wer, wann, was bezahlt, dürfte nicht ganz einfach gestrickt sein. Aber es scheint zu funktionieren. Denn Lynk & Co meldet stolz, schon jeweils einen Club im niederländischen Amsterdam und einen in schwedischen Göteborg zu betreiben.
Göteborg ist ein Heimspiel für den Club, denn er kommt aus dem Volvo-Stall. Sein Vetter hört auf den wohlklingenden Namen Volvo XC40. Gebaut wird der Lynk & Co 01 in China. Denn sowohl Volvo als auch Lynk & Co gehören zum chinesischen Hersteller Geely, dem europäischsten aller Hersteller in Fernost. Der Chef Li Shufu hat einst mit dem London Taxi – heute London Electric Vehicle Company – angefangen, in Europa Fuß zu fassen. Zu seinen europäischen Aktivitäten zählen nun Volvo, Lotus und eine dicke Scheibe der Daimler AG. Im hessischen Raunheim, in der Einflugschneise des Frankfurter Flughafens, baut er zur Zeit ein zweites Entwicklungszentrum und vermutlich auch seine Europa-Zentrale auf.
Li Shufu befasst sich mit allen Richtungen, in die sich die Mobilität in Zukunft entwickeln könnte. In diesen strategischen Rundumblick passt auch Lynk & Co mit seinem neuen Vertriebsmodell. Die Idee: Wir bieten ein Fahrzeug, das in die Mitte der Gesellschaft passt, sowohl im Hinblick auf Größe als auch bei den Erwartungen an Leistung, Ausstattung, Sicherheit und Komfort. Wir verkaufen nur die Nutzung zu einem attraktiven Festpreis und gestalten den Besitz so flexibel wie möglich, bis hin zum Hol- und Bringservice für Wartung und Reparatur. Das Clubmitglied soll sein Auto nicht als Belastung empfinden, und das Unternehmen bleibt Besitzer, mit allen Möglichkeiten für Modellpflege oder sogar Modellwechsel – alles dann, wenn es dem Club gefällt.
Das Mitglied hat die Wahl zwischen den Farben Schwarz und Blau sowie zwischen einem Hybrid-Modell und einem Plug-in. Lynk & Co bezeichnet diese kleine Auswahl als vier Modelle.
Schon bei unserer ersten Bekanntschaft 2016 zeigte der Lynk & Co damals von Statur und Design Ähnlichkeiten mit dem Porsche Macan. Besonders die „Positionsleuchten“ oben auf dem Kotflügeln unterstreichen die Ähnlichkeit zum Stuttgarter beim Lynk & Co 01 auch nach dem Facelift, das er nun zu seinem ersten Auftritt verpasst bekam. Unser Exemplar, in dem wir jetzt ein paar Probekilometer durch Hamburg drehten, zeigte auf seinen 20 Zöllern und der hohen Gürtellinie, dass er in diese Welt mit ihrer SUV-Vorliebe passt. Die Silhouette, besonders die umlaufende Brüstung unter den Seitenscheiben und das für ein SUV erstaunlich elegant gerundete Heck, zeigen die wohltueende Handschrift der Volvo-Designer.
Auch innen nichts vom asiatischen Überschwang, sondern eher skandinavische Zurückhaltung. Nicht nur das Drei-Speichen-Lenkrad hatten wir bei aktuellen Volvos schon einmal in der Hand. Auch bei den Assistenzsystemen lieferte Volvo zu. Bei den Sitzen setzt der Lynk & Co 01 ein eigenes Zeichen. Die Bezüge sind aus einem Recycling-Kunststoff – gut anzuschauen, aber knallhart gepolstert. Zu diesem Symbol für Nachhaltigkeit passt so gar nicht, was dem Auto seinen Namen gab: Lynk gleich Link für die Vernetzung in alle Richtungen und Co für Consorten oder Comfort. Gesprochen wird die Marketingschreibe übrigens ganz normal: Lünko.
Im coronagedämpften Trubel der Großstadt bringen die 60 Elektro-Kilowatt des Plug-in-Hybrids mit den 160 Newtonmetern (Nm) Drehmoment vom ersten Moment an genug Schwung in den fast zwei Tonnen schweren Fronttriebler. Der Drei-Zylinder-Benziner meldet sich nur beim Ampelstart und später auf der Autobahn. So liefert auch der Lynk & Co wieder ein Beispiel, wie ein Plug-in-Hybrid eingesetzt werden muss, um minimalen Effekt für die Kasse und maximalen für die Umwelt zu erzielen. In den anderthalb Stunden Hamburg haben wir die 17,6 kW-Lithiumionenbatterie nicht leerfahren können, lagen beim Kraftstoffverbrauch also immer noch unter den angegebenen 1,2 Litern auf 100 Kilometer. Wer das auskosten will, muss die Autobahn natürlich meiden.
Bisher konnte uns niemand sagen, ob jeder, der den Lynk & Co 01 fahren will, dem Club beitreten muss oder ob man ihn auch ganz normal erwerben kann. Der Preis dürfte dann so um die 50.000 Euro liegen. Ebenfalls konnte uns niemand erklären, ob sich die Unterschiede von Club-Mitgliedschaft zum Auto-Abo von Volvo wirklich lohnen. Der Club verspricht jedenfalls neben dem Auto auch andere Attraktionen.
Fotos: Auto-Medienportal.Net/Lynk & Co