Argo AI-CEO Bryan Salesky und VW-Chef Herbert Diess beim IAA-Konzernabend
Der Kontrast hätte kaum kleiner sein können. Draußen vor dem Veranstaltungsort des traditionellen IAA-Konzernabend von VW demonstriert Greenpeace mit einer kleinen, friedlichen Schar plus Transparent für mehr Klimaschutz.
Drinnen entwirft VW-Vorstandschef Herbert Diess mit Bryan Salesky, Gründer und CEO seines Entwicklungspartners Argo AI aus Pittsburgh, mit dem er das erste selbstfahrende Roboter-Auto ID Buzz AD auf die Räder stellt, Zukunftsszenarien des autonomen Fahrens, in denen Autos in friedlicher Eintracht mit Fußgängern und Radfahrern und sonstigen Verkehrsteilnehmern harmonieren. Und während sich die in Elektro-Shuttle vorfahrenden Journalisten noch fragten, warum die Umweltschutzorganisation ausgerechnet dem Treiber der batterieelektrischen Mobilität in Deutschland an den Karren fahren will, ließ sich der umtriebige VW-Lenker nicht lange bitten, auch den Greenpeace-Leuten Rede und Antwort zu stehen.
Schließlich verstehen auch die gutmeinenden Klimaretter etwas von Öffentlichkeitsarbeit und wissen, mit wem sie in die Hauptnachrichten kommen. Wer, wenn nicht die Presse-Profis des Konzerns, wüssten das besser. „Solange der Protest so friedlich und sachlich läuft, haben sie jedes Recht dazu und wir müssen uns das auch gefallen lassen“, kommentiert einer der PR-Häuptlinge die Aktion mit einem Augenzwinkern.
Wären sie in der Halle des zur Event-Location umgebauten historischen Postgebäudes eingelassen worden, hätten sie beim Verzehr von vegetarischen Burgern und Rote-Beete-Carpaccio sogar fröhlich mitdiskutieren können. Denn anders als in den vergangenen Jahren wurden diesmal weder die Neuheiten der Messe in aufwändigen Showeinlagen vorab präsentiert, noch waren überhaupt, wie sonst, alle Marken des Konzerns vertreten. Stattdessen drehte sich alles um die laut Diess „Transformation vom Fahrzeughersteller zu einem weltweit führenden, softwaregetriebenen Mobilitätsanbieter“ mit dem Schwerpunkt des autonomes Fahrens.
Dazu durfte die auf ein Bruchteil vergangener IAA-Vorabende zusammengeschrumpfte internationale Journalistenschar in einer Art Speed-Dating in festgelegten Zeiteinheiten verschiedene Themenfelder durch- oder besser ablaufen, samt Gong zum Wechseln der Ansprechpartner. Die hießen neben Herbert Diess und Bryan Salesky in diesem Fall Ralf Brandstätter, Markus Duesmann, Oliver Blume oder Carsten Intra, also keine geringeren als die jeweiligen Chefs der Marken VW, Audi, Porsche und VW Nutzfahrzeuge. Doch so unbefriedigend wie die neoliberale Paarfindungs-Methode der Neuzeit verlief leider auch diese zufällig-lückenhafte Art der Pressepräsentation, weil nach drei Fragen und drei ausführlichen Antworten der Gong ertönte und die Kopfhörer verstummten.
Immerhin konnte man erfahren, dass die ersten fünf Prototypen des selbstfahrenden ID Buzz AD mit dem Self-Driving-System (SDS) des Entwicklungspartners Argo AI, von denen Volkswagen Nutzfahrzeuge einen im schwarz-weißen Tarnanstrich und mit hohem Dachaufbau vor Ort zeigte, zurzeit bereits in München die ersten Testrunden absolvieren. Das Robo-Shuttle auf Basis des künftigen vollelektrischen Bulli umfasst eine Reihe von Sensoren, Software und Computerplattformen, die eine 360-Grad-Erkennung der Fahrzeugumgebung ermöglichen, um Aktionen von Fußgängern, Radfahrern und Fahrzeugen vorauszuberechnen und den Motor, die Bremsen und die Lenkung zu steuern. Damit sich der ID Buzz AD1-Prototyp sicher und natürlich im Stadtverkehr bewegt, thront neben Nah- und Fernbereichs-Sensoren und -Kameras auf dem Dach mit dem Argo Lidar ein Laserscanner, der im Gegensatz zu Radar-Systemen mit Lichtwellen arbeitet und Objekte aus einer Entfernung von bis zu 400 Metern erfassen kann.
Die Serienversion des ID Buzz AD soll ab 2025 erstmals von Moia in Hamburg eingesetzt werden. Die Ridepooling-Tochter hat innerhalb kürzester Zeit Europas größten, rein elektrischen Sammelfahrdienst aufgebaut und bereits Millionen Fahrgäste befördert. Dennoch ist es laut Diess noch ein langer Weg, bis die Robo-Autos auf unseren Straßen rollen. „Aber wenn es funktioniert, wird der Hochlauf sehr schnell ansteigen und für enorme Skalierungseffekte sorgen“, glaubt der VW-Vorstandschef.
Foto: Autoren-Union Mobilität/Frank Wald