Vor 50 Jahren war die große Schnauze dieses Mercedes-Benz kein Zeichen von Überheblichkeit, sondern von größerer Überlebensfähigkeit bei einem Unfall. Inzwischen haben die Ingenieure und Materialwissenschaftler den Designern längst die Freiheit zurückgegeben, die sie Ihnen damals hergeben mussten, damit beim Experimental-Sicherheits-Fahrzeug, kurz ESF 13, vor genug „Spielraum“ für eine ausreichende Knautschzone blieb. 420 Millimeter mehr Länge für die Sicherheit.
Mercedes-Benz stellte den ESF 13 am 31. Mai 1972 auf der Fachmesse „Transpo 72“ in Washington, D.C. vor. Wie sehr es seiner Zeit voraus war, durften damals auch die Designer mit großen schwarzen Partien auf der weißen Karosse zeigen, überall dort, wo Nachgiebigkeit gefragt war. Aber unter dem Schwarz und dem Weiß des auf der Basis einer S-Klasse aufgebauten ESF steckte Technologien, die mindestens ebenso wesentlich für die Sicherheit der Insassen waren wie die gut sichtbaren Knautschelement vorn und hinten.
Das ESF 13 gehörte zu einem umfassenden Programm der Sicherheitsentwicklung von Mercedes-Benz in den 1970er Jahren, in dessen Rahmen mehr als 30 solcher Innovationsträger für die Fahrzeugsicherheit entstanden. Aus dieser einzigartigen Geschichte zeigt das Mercedes-Benz Museum das ESF 22 von 1973, zu sehen im Raum Mythos 5: Vordenker – Sicherheit und Umwelt, 1960 bis 1982.
1972 in Washington gilt das deutsche Forschungsfahrzeug zur Verbesserung der Fahrzeugsicherheit als einer der Höhepunkte der „3rd International Safety Vehicle Conference“ (3. Internationale ESF-Konferenz) vom 30. Mai bis 2. Juni 1972. Eine öffentliche Ausstellung von zwölf ESF europäischer, japanischer und US-amerikanischer Hersteller begleitete damals die Sicherheitskonferenz. Der Konferenzbericht unterstreicht den Anspruch, die ausgestellten Fahrzeuge seien Beispiel einer Entwicklungen für die Fahrzeugsicherheit, die „einen ‚Quantensprung‘ statt der üblichen Jahr-für-Jahr-, Schritt-für-Schritt-Evolution der Automobilindustrie“ darstelle.
Das ESF 13 ist eine Weiterentwicklung des ESF 05, aus dem Oktober 1971. Erneut dient ein Mercedes-Benz 250 „Strich-Acht“ (W 114) als Basis. Außerdem verwenden die Ingenieure Teile des Sportwagens 350 SL (R 107). Technisch sind die Unterschiede erheblich, denn die Liste der Lösungen für die aktive und passive Sicherheit ist lang.
Neben ABS, dem Halogenscheinwerfersystem, der Wisch-Waschanlagen für Frontscheinwerfer und Frontscheibe sowie der Parallelwischer für die Heckscheibe präsentieren die Ingenieure Lösungen für die passive Sicherheit von Fahrzeuginsassen und Fußgängern: Einige Bauteile sind mit geschäumten Komponenten verkleidet und damit nachgiebig. Auf den Vordersitzen gibt es Dreipunktsicherheitsgurte mit Gurtkraftbegrenzer, die sich beim Türschließen automatisch anlegen. Zum Sicherheitslenkrad mit Pralltopf kommen Fahrer- und Beifahrerairbags sowie Airbags auch für die Fondpassagiere. Im Fond gibt es zudem Dreipunktsicherheitsgurte mit Gurtkraftbegrenzer und Aufrollautomatik. Während Fahrer- und Beifahrersitze über Kopfstützen verfügen, übernimmt diese Aufgabe im Fond ein neuartiges Auffangnetz.
Damit feierten im ESF 13 viele Technologien Premiere, die später ihren Weg in die Serie gefunden haben. So wird ABS im Jahr 1978 in der S-Klasse der Baureihe 116 Serie, und der Fahrerairbag mit Gurtstraffer für den Beifahrer folgt 1981 in der S-Klasse der Baureihe 126.
Heute macht die Fahrzeugsicherheit wieder epochale Fortschritte. Und Mercedes-Benz sieht sich wieder als Vorreiter bei der Entwicklung neuer Lösungen. Denn Teil der Transformation von Mercedes-Benz hin zu einer nachhaltigen Mobilität mit alternativen Antrieben, Digitalisierung sowie vernetztem und automatisiertem Fahren sind auch entsprechende Sicherheitskonzepte. Eines verbindet Vergangenheit und Gegenwart – die Motivation, bestmögliche Sicherheitssysteme für die persönliche Mobilität zu entwickeln.
Fotos: Autoren-Union Mobilität/Mercedes-Benz
420 Millimeter mehr Länge für die Sicherheit
... zeichnete einst den ESF 13 aus
Veröffentlicht am: 08.06.2022
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