
Apparate  – Automaten – Beschleunigung: Zu Beginn des 20. Jahrhunderts steuerte  die Welt in ein neues, technisiertes Zeitalter, das die Gesellschaft vor  grosse Herausforderungen stellte.
Die  Konsequenzen spüren wir – im Guten wie im Schlechten – noch heute. Die  55. Ausstellung im Zentrum Paul Klee, "Paul Klee. Vom Rausch der  Technik", welche vom 3. September 2022 bis 21. Mai 2023 zu sehen ist,  zeigt erstmals auf, wie sich Paul Klee künstlerisch mit den technischen  Errungenschaften seiner Zeit auseinandergesetzt hat.
Fortschritt vs. Burnout
Paul  Klee lebte – wie wir heute – in einer Zeit grosser technologischer  Transformationen. Der technische Fortschritt, der die Wende zum 20.  Jahrhundert prägte, eine industrielle Revolution hervorrief und den  Beginn der Moderne markierte, veränderte die Gesellschaft von Grund auf.  Röntgenstrahlen, Mikroskopie, Telefone, Automobile und Elektrizität  stellten die Wahrnehmung der Menschen von Materie, Raum und Zeit  infrage und lösten das gewohnte Weltbild auf. Gleichzeitig geriet mit  dem Ende von Monarchien, der Errichtung von Demokratien,  Arbeiter:innenstreiks und Demonstrationen für die Rechte von Frauen die  gesellschaftliche Ordnung ins Wanken. Darauf reagierten auch  Künstler:innen wie Paul Klee. Die einen glaubten an den Fortschritt und  fanden eine passende künstlerische Sprache in konstruktivistischen  Gebilden. Andere sehnten sich nach unberührter Ursprünglichkeit. Paul  Klee tat beides. Dem Rausch der technischen Entwicklung begegnete er  allerdings mit kritischer Distanz und kommentierte ihn in zahlreichen  Werken.
Obwohl der technische Fortschritt sich positiv auf den  Alltag vieler Menschen auswirkte, löste er auch Ängste, Depressionen,  Überreizung und Erschöpfung aus. Themen wie die Globalisierung,  Terrorismus oder «zerrüttete Nerven» prägten bereits damals die Medien  und sind in unserer heutigen Gesellschaft umso präsenter. Die neue  Dynamik der Welt wirkte für die einen wie eine berauschende Droge.  Andere reagieren auf die Herausforderungen eines be- schleunigten,  technologischen Zeitalters hingegen mit psychischen Problemen, die  damals als «Newyorkitis» oder «Neurasthenie» und heute als «Burnout»  bezeichnet werden.
Die Ausstellung
Fünf Kapitel zu Roboter  und Cyborgs, Mechanik und Dynamik, Fotografie, Mikroskopie und Röntgen,  Geometrie und Konstruktion sowie Rhythmus und Polyphonie beleuchten  Phänomene der Moderne, denen wir in Paul Klees Werk begegnen. Die  Ausstellung verdeutlicht, wie der Künstler die Zeit des Aufbruchs  zwischen Tradition und Moderne durchaus interessiert und offen, zugleich  aber kritisch distanziert und ironisch analysierte und mit neuen  Techniken Bezug auf die ihn umgebenden Entwicklungen nahm. Dies zeigt  sich beispielsweise in den zahlreichen geometrischen Zeichnungen Klees,  oder wenn er mithilfe einer Spritztechnik und Schablonen eine  Alternative zu Fotogrammen erfindet. Auch neue Techniken wie die  Mikroskopie und Röntgenaufnahmen, die die Oberfläche eines Gegenstandes  durchdringen, interessierten den Künstler. Sie erweiterten den Begriff  des Sehens um Bilder, die das menschliche Auge nicht wahrnehmen kann.  Dies entspricht Klees bereits 1920 geäusserter Devise, dass Kunst nicht  das Sichtbare wiedergebe, sondern sichtbar mache.
Seine  kritischen und ironischen Tendenzen zeigen sich indessen in Klees  Beschäftigung mit den strengen Gesetzen des Konstruktivismus. Von Theo  van Doesburg, einem Fürsprecher einer rationalistischen Kunst und  Gestaltung und einem Mitbegründer der niederländischen Bewegung De  Stijl, wurde Klee als Vertreter eines individualistischen  Expressionismus kritisiert. Rechte Winkel und Primärfarben sucht man  in Klees Werken der Zeit vergebens: In seinen Quadratbildern griff er  die Tendenzen auf, um sich jedoch gleichzeitig davon zu distanzieren.  Seine Quadrate sind nicht mit dem Lineal konstruiert, und die  Primärfarben Rot, Gelb, Blau mischt er zu gebrochenen Farbtönen.
An  rund 115 Werken wird die Vielfalt der Auseinandersetzung Paul Klees mit  den modernen Errungenschaften in Motiven und Techniken deutlich. Im  Hinblick auf heutige gesellschaftliche Entwicklungen zeigt die  Ausstellung zudem die ungebrochene Aktualität seines Schaffens und  bietet eine künstlerische Perspektive auf Entwicklungen, die uns noch  heute beschäftigen.
Begleitprogramm
Führungen
Öffentliche Führungen
Sonntags, 12:00
Kunst am Mittag
Dienstags, 12:30–13:00
Einführung für Lehrpersonen
Mittwoch, 7. September 2022, 14:00
Mit Dominik Imhof, Leiter Kunstvermittlung
Bilderclub
Samstag, 10. September 2022, 10:30–12:00
Entdecken Sie gemeinsam mit anderen Besucher:innen ein Werk der Ausstellung mit Ramona Unterberg, Kunstvermittlerin
Kunstgespräch
Sonntag, 23. Oktober 2022, 15:00
Werkentdeckungen und Kunstgespräche mit Ramona Unterberg, Kunstvermittlerin
Sinn-Reich
Samstag, 19. November 2022, 13:00
Eine alle Sinne ansprechende Führung für Gäste mit und ohne Behinderung.
Mit Gebärdendolmetscher:in und induktiver Höranlage
Visites guidées en français
Dimanche, 11 septembre / 18 décembre 2022, 15 h
Guided Tours in English
Sunday, 18 September / 9 October 2022, 3 pm
Visita guidata in italiano
Domenica, 25 settembre 2022, 15:00
Digitale Angebote
Kunst am Abend
Mittwoch, 21. September 2022, 17:30
Zoom-Führung live aus der Ausstellung mit Dominik Imhof, Leiter Kunstvermittlung
Kunst und ich
Dienstag, 8. November 2022, 17:00
Zoom-Präsentation  im Dialog mit den Teilnehmer:innen rund um ausgewählte Werke der  Ausstellung mit Ramona Unterberg, Kunstvermittlerin
Angebote für Familien
Offenes Atelier im Kindermuseum Creaviva
Dienstag bis Freitag, 14:00 / 16:00
Samstag und Sonntag, 12:00 / 14:00 / 16:00
Stündige  Workshops mit Verbindung zu den Ausstellungen im Zentrum Paul Klee. Für  Familien mit Kindern ab 4 Jahren (bis 8 Jahre in Begleitung  Erwachsener)
Fünfliber-Werkstatt
Dienstag bis Sonntag, 10:00 – 17:00
Frei zugängliche Werkstatt mit einfachen Anleitungen zu gestalterischen Ideen und wechselnden Themen
Für Familien mit Kindern ab 4 Jahren
Kinderforum – samstags im Labor
Samstags 9:30–11:45
Kunst unter Gleichaltrigen mit wechselnden Themen pro Quartal
Für Kinder und Jugendliche ab 7 Jahren
Familienmorgen
Sonntags, 10:15–11.30
In  der Ausstellung und im Atelier des Kindermuseum Creaviva für die ganze  Familie. Für Kinder und Jugendliche bis 16 Jahre kostenlos
Informationen zum Kursprogramm für Erwachsene
Anmeldung:
creaviva@zpk.org oder T +41 31 359 01 61
Bild: Paul Klee
Ohne Titel (Elektrischer Spuk)
Handpuppe
Kopf: Steckdose und Gips, gefasst, Gewand: Leinen
Zentrum Paul Klee, Bern
Schenkung: Livia Klee





