(Von Walther Wuttke, cen) Automessen haben es in diesen Zeiten schwer – wenigstens in Europa, wo sich die Veranstaltungen gegen den automobilfeindlichen Zeitgeist verteidigen müssen, und daher zu Mobilitätskongressen mutieren, bei denen das eine oder andere Automobil gezeigt wird. In der Wüste ist die Welt allerdings noch in Ordnung, und so ist die erste Ausgabe der „Geneva International Motorshow Qatar“ auch das, was Automobilmessen sein sollen: Eine Leistungsschau der Industrie.
Die erste Messe in dem Emirat am Arabischen Golf ist überschaubar und zeigt dennoch einen Trend: Von den 30 Herstellern stammen fünf aus China, die hier die größten Flächen belegen. Elektromodelle stehen zwar auf allen Ständen, doch tatsächlich dominiert die traditionelle Verbrennertechnik die Messe. Schließlich ist die Ladeinfrastruktur in der Region noch längst nicht so weit, dass E-Mobile eine bedeutende Rolle spielen können.
Das musste auch Frank M. Rinderknecht erfahren, der mit seinem Team und zwei vollelektrischen Volkswagen ID Buzz von Genf nach Katar gefahren ist, um die beiden Messestädte symbolisch miteinander zu verbinden. „Vor der Tour hat man uns erzählt, dass in Saudi-Arabien 350 Schnelllader stehen. Wir haben keinen einzigen gefunden, doch dank unseres ägyptischen Fixers haben wir uns durchgekämpft und waren am Ende die Ersten, die das Königreich mit einem E-Mobil durchquert haben.“ Die Fahrt dauerte 34 Tage und „hat viel Spaß gemacht, auch wenn sie durchaus anstrengend war". In der Türkei wurde der Truppe zunächst die Ausreise verweigert, weil „wir 30 Cent Mautgebühr nicht bezahlt hatten“.
Sandro Mesquita, Chef des traditionellen Genfer Automobilsalons, der im kommenden Jahr wieder stattfinden soll, hatte Rinderknecht ein Projekt vorgeschlagen, um eine Art Staffellauf zwischen Genf und Doha zu veranstalten: „Für uns kam für die Tour d’Excellence dann nur eine Fahrt mit einem elektrischen Fahrzeug in Frage.“ Rinderknecht war etwas zu früh unterwegs, denn bis zum Jahr 2030 plant die Regierung von Katar, die Elektromobilität zu steigern und gleichzeitig die Ladeinfrastruktur auszubauen.
Als Zielgruppe für ihre Messe haben die katarischen Veranstalter vor allem eine wohlhabende bis superreiche Zielgruppe ausgemacht. Schließlich ist die Region der weltweit am schnellsten wachsende Markt für Luxusautomobile und hat dabei die traditionellen Märkte in den USA, Europa und Asien überholt. Das erklärt auch den etwas vollmundigen Anspruch, „ein Festival der der automobilen Exzellenz“ zu veranstalten.
Diese Bühne nutzt daher folgerichtig Laurent Tapie, der die französische Luxusmarke Delage wiederbelebt hat, und seinen D12 zum ersten Mal außerhalb Europas zeigt. „Ich hatte im Jahr 2018 meine Unternehmen verkauft, lebte in Miami und irgendwann habe ich mich gelangweilt“, erzählt der Sohn der französischen Unternehmer-Legende Bernard Tapie. Nach einer Marktanalyse beschloss Tapie daher, ein Hypercar für die superreiche Kundschaft zu entwickeln. „Autos haben mich schon immer fasziniert, ich wollte aber keine neue Marke gründen, sondern einen traditionsreichen Namen nutzen, und nachdem Bugatti vergeben war, kam Delage ins Visier.“ Delage und Bugatti waren bis Anfang der 1950er-Jahre die größten französischen Luxusmarken, die sowohl im Motorsport als auch bei vielen Concours d‘Elégances dominierten.
Die Rechte am Namen Delage befanden sich damals im Besitz eines Fanclubs der Marke, den Tapie davon überzeugen konnte, den Namen zu nutzen. Das Ergebnis von fünf Jahren Entwicklung ist ein Hypersportwagen mit Straßenzulassung, dessen Zwölfzylinder zusammen mit einem kleinen E-Motor 1000 PS leistet und ohne Extras für zwei Millionen Euro angeboten wird. Von den 30 geplanten Exemplaren, die am Rande der Rennstrecke von Magny Cours entstehen, sind die ersten bereits verkauft. Ein zweites Modell ist bereits in Planung. „Das wird aber weniger extrem und auch weniger kostspielig sein. Außerdem soll es deutlich straßentauglicher sein,“ erklärt Tapie, der dem Elektroantrieb eine glatte Absage erteilt. „Ein Hypercar mit Elektroantrieb kann ich mir nicht vorstellen.“
Die europäischen Hersteller sind auf der Messe in Doha meistens durch ihre katarischen Partner vertreten, so dass so gut wie keine internationalen Neuheiten präsentiert werden. Porsche zeigt den Mission X, bei Toyota steht der neue Land Cruiser, Chery präsentiert seine verschiedenen Marken auf großzügig dimensionierten Flächen, und Lynck & Co zeigt die Limousine 03, der allerdings nicht nach Europa kommen soll.
Und so kommt die einzige wirkliche Weltpremiere aus – Afghanistan. Nun mag sich der Beobachter aus Europa fragen, ob das geschundene Land am Hindukusch unbedingt einen Supersportwagen à la Batmobil braucht, doch der Chef von Entop, Mohammed Reza Ahmadi, hat seinen eigenen Blick auf den Simurgh, der dank einer Crowdfunding-Aktion fertiggestellt wurde. Die Entstehungsgeschichte des Sportwagens ist ziemlich abenteuerlich. „Das Material sicherten wir uns aus dem militärischen Schrott, von dem es in Afghanistan sehr viel gibt“, berichtet Ahmadi. „Für das Design haben wir Youtube genutzt, um die Form zu entwickeln.“ Insgesamt waren 30 Männer an dem Projekt beteiligt. Angetrieben wird der Simurgh von einem 2,0-Liter-Vierzylinder aus dem Toyota Corolla. Die genauen Leistungsdaten des Zweisitzers, der in Kabul entstand, schweigen sich die Verantwortlichen aus.
Ein Partner in Deutschland mit 30-jähriger Motorsporterfahrung – den Namen behält Ahmadi für sich – soll nun den afghanischen Sportwagen für die Homologation aufbereiten. Schließlich steht Entop vor der nächsten Herausforderung. „Im kommenden Jahr können wir bei den 24 Stunden von Le Mans starten. Die Garage 56 ist für uns reserviert“, blickt Ahmadi in die Zukunft.
Neben den aktuellen Modellen nimmt in Katar der Blick in die Automobilgeschichte einen großen Raum ein. Als Ausblick auf das neue Automobilmuseum, das im kommenden Jahr an den Start geht, zeigen Messe-Organisatoren eine Auswahl von ausgewählten automobilen Kostbarkeiten. Und möglicherweise steht demnächst auch am Arabischen Golf ein Concours d’Elégance nach dem Vorbild der Veranstaltung von Como auf dem Programm.
Mit dem ersten Auftritt der Messe zeigt sich Sandro Mesquita sehr zufrieden. Die Veranstalter haben, so Mesquita, „einen guten Mix an Marken und von Hypercars, Supercars und normalen Fahrzeugen“ gefunden. (cen/ww)
Fotos: Autoren-Union Mobilität/Walther Wuttke
Katar feiert das Auto
... auch aus Afghanistan
Veröffentlicht am: 08.10.2023
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