Im  ersten Corona-Jahr stellte das Virus die Arbeiten der meisten großen  Oldtimer-Auktionshäuser wie Bonhams, Gooding & Company oder  Sotheby’s auf den Kopf. Um jeweils zweistellige Millionenbeträge für  edles Blech zu zählen, waren noch nicht einmal alle Finger einer Hand  erforderlich. Hat der Geldadel plötzlich die Tugend der Sparsamkeit  entdeckt?
Oder  liegt es daran, dass die meisten Versteigerungen ohne anwesendes  Publikum zumeist online stattfanden? So brachte zwar RM Sotheby’s in 27  Auktionen 4188 Fahrzeuge und automobile Devotionalien unter die Leute,  doch 21 dieser Veranstaltungen gingen virtuell über die Bühne.
Nur  einmal, nämlich am 28. Oktober 2020, konnte der RM  Sotheby’s-Auktionator mit einem finalen Hammerschlag 14,84 Millionen  Dollar (damals 12,7 Millionen Euro) einstreichen – allerdings gleich für  drei Autos auf einmal, ein Trio von Alfa Romeo BAT (Berlina  Aerodinamica Tecnica) angebotenen Konzeptautos. „Atem raubende  Aerodynamik-Studien von Bertone-Designer Franco Scaglione auf Basis des  Alfa Romeo 1900“, begeisterte sich das Fachblatt „Auto, Motor &  Sport“. An zweiter Stelle der RM Sotheby’s Erfolgsstatistik rangierte  ein Ferrari 550 GT1 Prodrive aus dem Jahr 2001 für vergleichsweise  bescheidene 4,29 Millionen Dollar (3,61 Millionen Euro).
So  war diesmal für die üblichen Verdächtigen aus Maranello (Ferrari),  Indianapolis (Duesenberg) oder Stuttgart (Mercedes-Benz) ein Platz unter  den fünf teuersten Chromjuwelen 2020 Fehlanzeige. Die fünf  Shootingstars an der Spitze kamen diesmal ausnahmslos aus Molsheim im  französischen Elsass und trugen das Bugatti-Emblem auf der Kühlerhaube.  Trotz Pandemie brachen historische Bugattis bei den Auktionshäusern  Rekorde. Noch nie zuvor hat ein Hersteller die ersten fünf Plätze unter  den teuersten versteigerten Automobilen belegt.
Für  12,68 Millionen US-Dollar (10,83 Millionen Euro) wechselte bei Gooding  & Company im September in London ein Bugatti Type 59 Sports von 1934  den wohlhabenden Besitzer. Damit zählt er zu den teuersten Bugatti, die  jemals bei einer öffentlichen Auktion unter den Hammer kamen. Der Type  59 Sports entstand als Rennwagen für das Bugatti-Grand-Prix-Werksteam  und gewann beim Großen Preis von Belgien in Spa. Später belegte der  Rennwagen den dritten Platz beim Grand Prix von Monaco.
Nach der  erfolgreichen Rennsaison baute Bugatti den Type 59 zum Sportwagen um.  1937 kaufte König Leopold von Belgien den Wagen. Noch heute befindet  sich das Fahrzeug in unrestauriertem Originalzustand. Als Antrieb dient  ein Achtzylinder-Reihenmotor mit 3,3 Litern Hubraum und Kompressor. Die  Leistung lag bei etwa 250 PS, andere Motorvarianten kamen beim bis 1936  gebauten Type 59 auf bis zu 380 PS.
Auf  dem zweiten Platz der Charts landete ein Bugatti Type 57 S Atalante.  10,44 Millionen Euro zahlte der Käufer für den seltenen und  begehrenswerten Klassiker von 1937 bei der Versteigerung in London von  Gooding & Company. Es ist ein besonderes Modell: 1937 kaufte es der  britische Rennfahrer und Bugatti-Liebhaber Earl Howe. Es ist eines von  nur 17 Fahrzeugen, die Jean Bugatti mit seiner Atalante-Karosserie  ausstattete. Als Antrieb dient ein aufgeladener 3,3 Liter großer  Achtzylinder, der beim Type 57 S bis zu 175 PS leistet.
Dritter  auf dem Siegertreppchen belegte ein Bugatti Type 55 Super Sport  Roadster von 1932, für den bei der Amelia-Island-Auktion von Bonhams im  März 2020 7,1 Millionen Dollar (6,46 Millionen Euro) erzielt wurden.  Bugatti produzierte bis 1935 insgesamt nur 38 Fahrgestelle des Typs. Elf  der 14 gebauten Roadster-Karosserien von Jean Bugatti ausgestatteten  Fahrzeuge existieren heute noch. Victor Rothschild, der spätere dritte  Baron Rothschild, kaufte das Auto als Neuwagen und behielt ihn für viele  Jahrzehnte in seiner Sammlung. 1985 erwarb der Bostoner Professor Dean  S. Edmonds Jr. diesen Bugatti für 440.000 Britische Pfund (ca. 402.600  Euro). Damit war es damals das teuerste Automobil, das je in  Großbritannien verkauft worden ist. In Edmonds Besitz wurde der Bugatti  restauriert und gewann 1993 in Pebble Beach den ersten Platz in seiner  Klasse.
5,23  Millionen Dollar (4,45 Millionen Euro) Zuschlagpreis fielen bei einer  Versteigerung in London bei Gooding & Company auf einen Bugatti Type  35 C Grand Prix von 1928, den Banausen als Rostlaube bezeichnen würden.  Dieses Fahrzeug entstand ursprünglich für die Targa Florio 1928. Die  erste private Besitzerin Jannine Jennky, eine französischen  Rennfahrerin, fuhr damit zum Gesamtsieg beim ersten Coupe de Bourgogne  in Dijon. Nach 1932 ging das heute über 90 Jahre alte Fahrzeug nur durch  vier Hände. Es befindet sich in unrestauriertem Originalzustand. Bis  1930 stellte Bugatti den 35 C her, als Antrieb dient ein  Achtzylinder-Reihenmotor mit zwei Litern Hubraum. Mit Hilfe eines  Roots-Kompressors leistet das Triebwerk 125 PS, was vor über 90 Jahren  eine Höchstgeschwindigkeit von über 200 km/h möglich machte.
5,07  Millionen Dollar (4,6 Millionen Euro) zahlte ein Bugatti-Enthusiast für  einen Type 55 von 1931 im vergangenen Februar in Paris. Damit war das  Fahrzeug das teuerste Auto, das auf einer der Auktionen der Rétromobile  2020 verkauft wurde. Louis Chiron und Graf Guy Bouriat-Quintart als  Beifahrer steuerten diesen Werksrennwagen 1932 bei den 24 Stunden von Le  Mans. Der spätere Besitzer ließ eine einzigartige Figoni-Karosserie um  das Fahrgestell bauen. Mit dieser Karosserie blieb der Type 55 über 60  Jahre in Familienbesitz. Sein 2,3-Liter-Achtzylinder mit Aufladung  leistet rund 160 PS.
Bugatti hofft, dass die Glückssträhne  anhält, denn schon steht der nächste Oldtimer in den Startlöchern. Am  19. Februar soll bei Bonhams in London ein Bugatti Typ 57 aus dem Jahr  1937 versteigert werden. Der Auktionator hofft, bis zu acht Millionen  Euro zu erzielen.
Fotos: Auto-Medienportal.Net/Gooding & Company / Bonhams / RM Sotheby's




